Das sind die Momente, in denen ich es genieße, auf einer Bühne zu stehen: Eigene Musik machen, die Leute begeistern und mit anderen Bands spielen, die man bislang nicht kannte und total geil findet. So geschehen im August 2011 in Luxemburg, wo ich auf die englische Band EGOS AT THE DOOR (EATD) stieß, die ein unglaubliches Live-Set ablieferten. Und das sind dann die Momente, in denen ich als Ox-Schreiber das Gefühl habe, ein ganz großes Ding einer breiteren Masse Gleichgesinnter vorstellen zu müssen: etwas, das noch ganz am Anfang steht, und so erfrischend und erwähnenswert ist. Ich bin nicht der Typ, der jede Band uneingeschränkt lobt, nur weil man gemeinsam ein Konzert bestreitet, aber hier hatte ich nur Hochachtung vor der Leistung dieser jungen englischen Truppe. EATD haben sich übrigens erst im Januar 2011 gegründet, in einer eineinhalbwöchigen Aufnahmesession im März ihre EP eingespielt, im April in England getourt und im Spätsommer, ganz ohne Label und Agentur, eine dreiwöchige Europatournee gespielt. Das nenne ich D.I.Y.! Nach dem Konzert unterhielt ich mich mit Gitarrist Ed.
Ed, bitte erst einmal eine kurze Vorstellung der Band.
Als sich unsere alte Band IGNORANCE IS THIS auflöste, in der Schlagzeuger Graham und ich spielten, gründeten wir EATD. Sänger Rayyan und Pete am Bass waren gut befreundet, es war schon länger geplant, endlich was gemeinsam zu machen, und so fügte sich endlich zusammen, was zusammen gehört. Praktisch ist auch, dass wir alle in Blackburn in der Nachbarschaft wohnen und zu Fuß zum Proberaum laufen können. Ansonsten arbeitet Graham in einem Restaurant, aus dem er immer leckeres Knoblauchbrot zur Probe mitbringt, Rayyan und Pete sind gerade mit dem College fertig geworden und auf Jobsuche, und ich habe mich im Februar mit meinem eigenen Tonstudio namens Die Skreemin’ Studios selbstständig gemacht.
Was ihr musikalisch auf der Bühne abliefert, und das mit im Schnitt gerade mal 20 Jahren, ist echt bemerkenswert. Wo habt ihr vorher eure Erfahrungen gesammelt?
Graham und ich spielten vorher über zwei Jahre in der Band A WAR AGAINST SOUND. Das lief nicht schlecht. Wir veröffentlichten eine Split-EP mit STAND OUT RIOT und SENSE OF URGENCY auf TNS Records. Und Rayyan und Pete haben vorher auch schon gemeinsam Musik gemacht.
Auf einer Ska-Punk-Compilation seid ihr mit einem eurer Stücke vertreten. Ab und an verwendet ihr zwar Skacore-Elemente, aber ansonsten bewegt ihr euch ja ziemlich wild quer durch die verschiedensten Stilrichtungen rund um das Punk- und Hardcore-Genre. Wo seht ihr euch selbst?
Ehrlich gesagt, sehe ich uns keiner festen Stilrichtung zugehörig. Richtig ist, dass wir uns vielerlei Elemente bedienen. Wenn wir uns irgendwie festlegen müssten, würden wir ganz bestimmt nicht mehr so authentische und besondere Musik machen können – ohne dass das jetzt anmaßend klingen soll.
Unglaublich, wie schnell ihr euch ganz ohne Hilfe eines Labels oder einer Booking-Agentur entwickelt habt. Wie schafft man es, nach so kurzer Zeit eine dreiwöchige Europatour zu organisieren?
Diese Tour war nur durch die Unterstützung vieler guter Freunde möglich. Ich habe eine ganze Woche lang mindestens acht Stunden täglich vor dem Computer verbracht, Mails geschrieben und beantwortet. Wenn du dann endlich unterwegs bist, ist das echt ein tolles Gefühl, auf seiner eigenen, selbst gebuchten Tour dabei zu sein.
Wie lief es insgesamt?
Jeder Tag läuft komplett anders ab. Man trifft so viele tolle Leute und kommt an Orte, die alle irgendwie besonders sind. Es gibt zu viele positive Eindrücke, um die jetzt alle zu erwähnen. Wenn man mit so einem alten Wagen unterwegs ist, darf man sich natürlich nicht wundern, wenn man irgendwann damit mal liegen bleibt. Aber die Erfahrungen mit diversen Autowerkstätten waren schon ziemlich ernüchternd, nicht zuletzt, weil wir zum Schluss 70 Euro bei einem Autoschrauber um die Ecke für eine Reparatur bezahlt haben, die eine andere Werkstatt mit 1.200 Euro veranschlagt hatte! In 20 Stunden von Udine in Italien nach Bordeaux in Frankreich, das macht einen schon ziemlich fertig, ganz zu schweigen von den 250 Euro Spritkosten. Da ist die Kohle vom Merch-Verkauf ganz schnell wieder weg. Und als Veganer war die Verpflegung echt nicht einfach. Ich habe in der Zeit ganz schön abgenommen. Aber alles in allem sind das wahrscheinlich ganz normale Dinge, wenn man auf Tour ist. Die großartigen Momente überwiegen ganz klar und lassen einen die miesen schnell vergessen.
Welchen konkreten Rat würdet ihr Bands geben, die ähnlich hart arbeiten wie ihr und alles selbst in die Hand nehmen?
Die Basis in der Band muss stimmen. Es sollte klar und offen darüber gesprochen werden, was man als Band will. Eine Gruppe, deren Mitglieder untereinander nicht befreundet sind und sich nur aus Interesse an der Musik treffen, wird das nie hinbekommen. Die Musik wird nie authentisch und ehrlich sein. Die Leute sind nicht doof und kriegen sehr wohl mit, ob die Musiker untereinander klarkommen. Und diese Stimmung beeinflusst auch die Booker, die zu entscheiden haben, ob sie dich ins Programm einbauen oder nicht. Wenn ihr euch dessen bewusst seid, dann vergesst noch den ganzen Scheiß von wegen Geld und Ansprüche, wie ihr es vielleicht von zu Hause gewohnt seid, dann werdet ihr positive Überraschungen und tolle Dinge erleben. Erwartet auch nicht von euren Freundinnen, dass sie davon begeistert sind, wenn ihr ständig unterwegs seid. Agenturen und Plattenfirmen sind meiner Meinung nach überbewertet.
Ihr plant ja bereits eure nächste Tour, im April 2012 soll’s wieder durch Europa gehen, dieses Mal auch durch Deutschland. Rückblickend auf eure Erfahrungen, was werdet ihr anders machen?
Wir werden jetzt erst einmal wieder häufiger in Großbritannien spielen. Wir müssen vor allem lernen, besser mit unserem Geld zu wirtschaften. Und vor allem auf die Entfernungen zwischen den Auftrittsorten achten. Weniger schön, aber essentiell wird sein, explizit um veganes oder vegetarisches Essen bitten. Mir ging es in der Zeit auf Tour irgendwann gesundheitlich nicht mehr so gut, da ich zu unregelmäßig gegessen habe. Das schlägt sich dann auch auf die allgemeine Stimmung nieder. Wenn du dann auch noch der Fahrer der Truppe bist, kannst du dir vorstellen, wie anstrengend das auf die Dauer ist. Irgendwann kriegen das dann auch die anderen Bandmitglieder, die Clubleute und die Besucher ab, was ja nicht gerade fair ist. Aber mal abgesehen von diesen Punkten, hatten wir zusammen eine großartige, vielleicht die bisher beste Zeit unseres Lebens.
Und wann wird etwas Offizielles veröffentlicht?
Je früher desto besser. Wenn diese Ausgabe erscheint, sind wir gerade im Studio und arbeiten daran. An den Reglern sitzt der in Großbritannien nicht unbekannte Produzent Ross Halden aus Leeds – wir sind total glücklich, dass wir ihn für unsere Musik begeistern konnten. Gemastert werden die Aufnahmen dann in meinem Studio. Der einfachste und natürlichste Teil an so einer Produktion ist ja immer das Schreiben der Lieder und Texte. Ziemlich entmutigend ist das Verhandeln mit den Plattenleuten, ob und wann sie die Aufnahmen veröffentlichen wollen. Wir haben kein Interesse daran, dass die Aufnahmen ein, zwei oder drei Jahre irgendwo liegenbleiben. Schließlich müsste klar geworden sein, wie engagiert wir an der Band arbeiten. Trotzdem kann ich nicht verbindlich sagen, wann oder ob wir überhaupt das Material nach Fertigstellung veröffentlichen werden.
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