Normalerweise weiß man, wer was in einer Band spielt. Bei EGO KILL TALENT aus Brasilien ist das etwas anders, denn da werden auch gern mal die Instrumente getauscht. Welche Vorteile das hat, erklärt uns Sänger Jonathan Dörr.
Ich weiß, dass viele Bands das Gefühl haben, dass die Pandemie ihrer Karriere einen Riegel vorgeschoben hat, aber wenn ich lese, was ihr für das letzte Jahr geplant hattet, muss es für euch besonders hart gewesen sein. Wie habt ihr die Absage von praktisch allem verkraftet?
Als wir realisierten, dass Touren nicht möglich sein würde, waren wir am Boden zerstört, denn 2020 wäre ein Wahnsinnsjahr für uns geworden. Wir hätten mit fünf Stadionshows mit METALLICA und GRETA VAN FLEET in Südamerika begonnen, wären dann nach Mexiko, um auf dem Domination Fest zu spielen, und am nächsten Tag direkt in die USA geflogen, um auf einigen Danny Wimmer Presents-Festivals aufzutreten, dem Sonic Temple, dem Welcome To Rockville, dem Aftershock und anderen. Nach den USA sollten wir direkt nach Europa fliegen, wir waren für die coolsten Festivals gebucht, wie Rock am Ring, Rock im Park, das Hellfest in Frankreich, Lollapalooza Stockholm, Rock in Rio in Lissabon und viele andere, danach hätten wir uns SYTEM OF A DOWN für eine Arena-Tour anschließen können und hätte auch wieder einige Shows mit den FOO FIGHTERS gegeben. Wir sollten dort draußen sein, um unser neues Album „The Dance Between Extremes“ zu promoten, das im FOO FIGHTERS-Studio 606 in Los Angeles aufgenommen wurde. Aber es ist, wie es ist.
Ihr tauscht die Instrumente, macht ihr das auch während der Aufnahmen? Oder bleibt ihr bei der „traditionellen“ Bandbesetzung? Und wie entscheidet ihr, wer welches Instrument in einem Song spielen wird?
Dieses ganze Tausch-Ding ist auf eine sehr organische Art und Weise passiert, und wir respektieren dabei die Besetzungen, in denen die Songs komponiert und aufgenommen wurden. Es ist kein Gimmick, um unseren Zirkus zu verkaufen, sondern ein Weg, unsere Ideen zu erweitern. Wir entscheiden, wer was spielen wird, basierend auf einer für uns sehr wichtigen Maxime: es muss dem Song dienen.
Ich nehme an, dass die Leute daran gewöhnt sind, einen Gitarristen nur Gitarre spielen zu sehen, es haut sie um, wenn sie Leute sehen, die das Instrument wechseln. Wie kam es zu der ganzen Geschichte?
Es stellte sich heraus, dass wir zwei bestialische Schlagzeuger haben, Jean Dolabella und Raphael Miranda. Raphael kam zur Band, um den Bass zu spielen. Bei einer der allerersten Proben kam Jean mit einer Idee für ein Gitarrenriff und er bat Raphael, das am Schlagzeug zu begleiten. Das eröffnete für uns ein ganzes Universum an Möglichkeiten. Seitdem ist es einfach so.
Habt ihr das Gefühl, dass es beim Songwriting von Vorteil ist, Bandmitglieder zu haben, die verschiedene Instrumente spielen können? Ist es zum Beispiel einfacher für einen Schlagzeuger, einen Gitarrenpart zu verstehen, wenn er ihn selbst spielen kann?
Auf jeden Fall, ja. Es erweitert den Spielraum für uns, wenn wir Songs schreiben, unglaublich. Bei manchen Gitarrenriffs können wir mehr wie ein Schlagzeuger denken. Das Riff für „Lifeporn“ zum Beispiel hat einen Rhythmus, der auf einem Samba-Muster basiert, und das ist ein Schlagzeuger-Ding, es ist wirklich cool! Obwohl jede Besetzung ihren eigenen Geschmack und ihre eigene Farbe hat, klingen wir immer noch wie die gleiche Band.
© by Fuze - Ausgabe #87 April/Mai 2021 und Dennis Müller
© by Fuze - Ausgabe #87 April/Mai 2021 und Dennis Müller