Nachruf

Eddie Sutton habe ich am 10. November 1995 zum ersten Mal live gesehen. Seine mir damals unbekannte Band LEEWAY war im Vorprogramm der englischen Alternative-Ragga-Punk-Combo DUB WAR. Als LEEWAY auf die Bühne kamen, war ich völlig überfordert.

Sänger Eddie stand in einem blauen Adidas-Trainingsanzug vor uns und hatte eine Baseball-Cap auf dem Kopf. So liefen zehn Jahre vorher RUN DMC herum, im New York Hardcore war mir das neu. Dem man sie zuschrieb – und dann aber auch irgendwie nicht. Ich erinnere mich jedenfalls an ein cooles Set. Wochen später stieß ich in einem kleinen Elektrofachgeschäft auf ihr neues Album „Open Mouth Kiss“ und kaufte es mir – und fand die CD fantastisch. Sie ist eine der wenigen, die ich mir nach Dekaden auch heute noch ein paarmal im Jahr anhöre und die für mich nichts an Glanz verloren hat. Ich fand damals auch noch den Vorgänger „Adult Crash“ und erst Jahre später in einem Secondhand-Laden die ersten beiden Scheiben „Born To Expire“ und „Desperate Measures“. Dann waren LEEWAY Geschichte und man hörte nur sehr selten, dass Eddie musikalisch mal aktiv war, wie etwa 2006 mit einem Feature auf „Always The Hard Way“ von TERROR. 2010 bekam ich etwas von seiner neuen Band mit: TRUTH AND RIGHTS veröffentlichten eine 7‘‘. Kurzzeitig war Eddie Sänger von MERAUDER und spielte mit ihnen ein super Demo ein. Von einer heftigen Heroinsucht, einer Messerstecherei mit einem gebrochenem Genick und permanentem Beef mit anderen hörte und las ich in den Folgejahren in mehreren Podcasts und Interviews. Als er 2016 in der Doku „The New York Hardcore Chronicles“ auftrat, konnte man einen von Drogen gezeichneten Mann sehen, der nur schlecht sprechen konnte – es war tragisch. Faszinierend war allerdings, dass alles zu 100% passte, sobald sein Gesang bei einem der wenigen Gigs einsetzte. Zu der Zeit hatten wir ein paar mal wegen eines Interviews fürs Ox Kontakt, das nie zustande kam. Irgendwann schien es ihm plötzlich besser zu gehen und er sah wesentlich frischer aus. 2017 brachten TRUTH & RIGHTS eine fulminante CD raus, zwei Jahre später folgte mit „Tipping Point“ eine starke Single unter dem Namen LEEWAY NYC. Und Eddie setzte viel auf die Community – die ihm auch viel zurückgab. Vor allem die ersten beiden LEEWAY-Alben sind und waren bei den Fans ganz großer Kult, wovon Eddie jahrzehntelang hat profitieren können. Sie wurden zigmal wiederveröffentlicht, dazu gab es bis zuletzt immer wieder massig altes und neues LEEWAY-Merchandise, das man bei ihm direkt bestellen konnte. Wenn er wiederum gebraucht wurde, war er da, wie etwa in seinem Support des „Team Skylar – Childhood Cancer Awareness“. Anfang 2021 wandte er sich mit einer Crowdfunding-Kampagne an die Öffentlichkeit und teilte mit, dass er an einer aggressiven Form von Lungenkrebs leidet. Den Kampf gegen ihn hat er nun verloren. Edward Anthony Pomponio starb am 19. April 2024. Er wurde 59 Jahre alt.