DURANGO 95

Making punk a threat again!

Die Jungs von DURANGO 95 kenne ich seit etwa einem Jahr. Damals begleiteten sie ihre Freunde von HIGHSCORE in die frisch verschneite, und vom Winter-Verkehrs-Chaos geschlagene Oberlausitz, um hier im Eastclub Bischofswerda zu spielen. Die hatten damals doch tatsächlich 16 Stunden Fahrt auf sich genommen, um dann nachts um eins direkt auf die Bühne zu gehen, wo sie alles gaben, was sie geben konnten. Wow, diese Einstellung haute mich komplett vom Hocker. Und seither trifft man sich halt immer wieder, wenn sie mal in der Nähe sind, und dann werden Nettigkeiten ausgetauscht und Pläne geschmiedet. So auch, als sie vor nicht allzu langer Zeit mit AS FRIENDS RUST und STRIKE ANYWHERE in Roßwein gastierten. Live waren sie wie immer eine Klasse für sich, und das mit neuem Basser, der so gut wie noch nie ernsthaft mit ihnen geprobt hatte – war übrigens kaum zu merken, das!

Wie lange gibt es euch schon?


Jan: Wir haben uns Anfang ‘99 gegründet, anfangs nur als Projekt noch ohne Gesang und Bass.

Wer ist aus welchen Gründen wie lange dabei?

Jan: Matthias, Chris und ich sind von Anfang an dabei, Levent ist ein bisschen später dazugekommen, und seit dem Ausstieg von Thomas Anfang November ‘01 spielt Philipp mit. Bei mir war der Grund, dass ich nach dem Ende von SOMA unbedingt wieder in einer Band spielen wollte – vor allem zusammen mit meinen Kumpels.

DURANGO 95 – woher kommt der Name?

Jan: Auf den Namen gekommen sind wir durch den RAMONES-Song, aber ursprünglich stammt er aus ‚Uhrwerk Orange‘ – das ist der kleine Flitzer, mit dem Alex und die Jungs durch die Gegend donnern.

Wie würdet ihr Leuten, die euch überhaupt nicht einordnen können, euren Stil beschreiben?

Matthias:
Wir machen so flotten, aggressiven Mitt-Achtziger-West-Coast-Ami-HC, aber durchaus mit Melodie!

Ihr kommt doch aus der Münsteraner Ecke. Warum, denkt ihr, gibt’s gerade da so eine aktive Szene? Liegt das vielleicht an den vielen Studenten?

Chris:
In Münster ist die ‚Szene‘ gar nicht so aktiv! Es gibt ein paar Leute, die Shows organisieren und eine Handvoll Bands.
Matthias: Naja, die Studenten hier in Münster sind ja doch zum großen Teil sehr unpunkig. Von den Kids sind sicher einige Studenten, aber der Großteil auf den Konzerten – wenn’s denn mal voll ist – kommt auch nicht nur aus Münster. Münster ist zwar eine kleine Stadt, aber es gibt hier sonst nichts in der Nähe – erst wieder den Ruhrpott. Und die ‚Szene-Typen‘ von dort fahren für eine gute Show ja auch mal ein paar Meter. Dass es hier relativ viele Bands gab und gibt, hängt vermutlich schon damit zusammen, dass sich die Studenten auch mal die Zeit nehmen fürs Musikmachen können. Wir sind ja auch alle Studenten.

Ihr habt eure erste Single und das Debüt-Album bei Bushido rausgebracht. Was ist das besondere an diesem Label?

Matthias: Für uns ist das Besondere, dass die beiden Labelchefs Seb und Matze Freunde von uns sind. Seb kenne ich seit über zehn Jahren. Er hat mir die ersten HC-Platten aufgenommen. Es ist außerdem cool, wenn wir uns als Band und Label gegenseitig unterstützen können. Bushido Records bringen außerdem die Platten aus dem Umfeld der beiden heraus, was ich als Idee super finde, ähnlich wie auch bei Dischord.

Ihr habt ja auch ein richtiges Art-Konzept, zumindest ist bei den Plattencovern und euren Shirts immer eine klare Linie erkennbar. Wer ist dafür verantwortlich?


Chris:
Das hört sich so artsy fartsy an. Jan und ich machen das Artwork immer zusammen und haben auch das Album-Cover zusammen gemacht. Wir fanden es gut, eine Verbindung zwischen Cover und Shirt-Motiv herzustellen. Außerdem hat es sich angeboten, die Totenköpfe nochmal zu benutzen.
Jan: Der Albumtitel ‚Destroy.fuck you‘ deutet ja schon eine gewisse Aggressivität an, und die Zielsetzung bei dem Cover war dann auch, diese Wut und Aggressivität in einer klaren, direkten Gestaltung auszudrücken. Und um alles miteinander in Bezug zu bringen, haben wir diesen Stil dann auch bei Internet-Auftritt, Buttons, Shirts und Flyern angewandt.

Was denkt ihr über die Abkehr von politischen Themen im Punk? Ich meine, in der letzten Zeit scheinen doch nackte Mädels und Flammenhemden, sprich also Style, mehr zu zählen als Inhalt.


Chris: Es hat schon immer im Punk/HC-Bereich Bands gegeben, die verschiedene Dinge gemacht haben oder Prioritäten unterschiedlich gesetzt haben, also eher politisch oder apolitisch waren. Wir sehen uns aber nicht als politische Band, sondern eher als eine, die das thematisiert, was die einzelnen Leute in der Band berührt. Abgesehen davon sehe ich zur Zeit auch nicht so die dramatische Entwicklung zum Apolitischen. Vielleicht kommt einem das so vor, weil die ganze Punk’n’Roll-Sache so boomt, und da ja der Glam-Faktor bezüglich Sex, Drugs and Rock’n’Roll doch ein wenig mehr im Vordergrund steht.
Jan: Ich finde es eigentlich nicht so schlimm, wenn Style wichtig ist. Zumindest wenn’s ehrlich ist, ist mir das lieber als gezwungen politische Texte. Schlimm ist, wenn das ganze Umfeld nicht stimmt. Wenn also der Unterschied zwischen Punkbands und Kid Rock nur noch die Musik ist, hat das für mich alles keine Bedeutung mehr. Damit will ich nicht irgendwelche Regeln aufstellen, was Punks zu tun haben – überhaupt nicht. Aber Punkrock ist nun mal was anderes als nur Style und Autos und nackte Frauen. Ich bin zum Punkrock gekommen, weil die Musik und alles, was da mitgekommen ist, mir soviel zu sagen hat. Und bei manchen Bands finde ich das einfach nicht mehr. Da sind die Flammen auf dem Arm wirklich wichtiger als der Wille nach Veränderung. Da tut es dann auch weh, wenn manche Punks ein Weltbild haben, das ähnlich konservativ ist, wie das von einem durchschnittlichen CDU-Wähler. Gerade was Sexismus und die Einstellung zum Kapitalismus betrifft gibt es – und das war früher auch nicht besser – in der Punkszene Standpunkte, die alles andere als fortschrittlich sind.

Worum geht es in dem Song „Me and my loser friends“? Wer sind diese „loser friends“?

Chris: Ich schätze, ich bin mein größter ‚loser friend‘.
Jan: Eigentlich sind alle unsere Freunde Loser. Also Verlierer, wie sie von der Gesellschaft definiert werden: Keiner hat besonders viel Geld oder einen Job, in dem er Karriere machen kann, oder sonst irgendwelche tollen Statussymbole. Wir sind ja auch alle nicht mehr so jung, und wenn ich mich umsehe und mitkriege, wie viele Leute in meinem Alter schon so einen ‚akzeptablen‘ Lebenswandel haben, mit Haus und Kindern und viel Geld auf dem Konto und so, wird mir auch der Unterschied zu mir und meinen Verliererfreunden bewußt: Wir haben das alles eben nicht und sind in den Augen anderer wahrscheinlich große Verlierer, einfach weil wir noch nicht in diesem bürgerlichen Leben angekommen sind. Wer dann allerdings die wirklichen Verlierer sind, ist zumindest mir sehr klar: Nämlich die, die ihr ganzes Leben nach den Regeln gespielt haben und irgendwann merken, dass sie nicht glücklich sind. Mit anderen Worten: die Jungs von DURANGO in fünf Jahren, haha.

Bei euren Konzerten fällt oft der Ausruf „Making punk a threat again!“. Ist euch die ganze Geschichte zu zahm geworden?

Jan: Zahm nicht in dem Sinn, dass ich sage, alle sollen jetzt raus und den Bullen aufs Maul hauen oder Politiker erschießen. Ich denke eher, dass Punkrock die Möglichkeit gibt, ein alternatives Leben zu finden, das anders ist als das, was uns jeden Tag als richtig vorgegauckelt wird. Und diese Alternative zu dem Drohnenleben unserer Eltern und den ganzen dummen Schafen ist das wirklich gefährliche an Punkrock. Aber nur, wenn es tiefer geht als bis zur Frisur oder den Nieten am Gürtel.
Chris: Es geht dabei weniger darum, dass mir die Punk/HC-Szene zu zahm geworden ist, sondern dass es oft mehr auf die schon angesprochenen Klischees wie Kleidung etc. anzukommen scheint, als auf das, was man mit seiner Musik ausdrücken will. Für mich liegt in Punk/HC ein Potential, welches man nicht durch Dresscodes oder Stylekontrolle verpuffen lassen sollte. Im Endeffekt ist es doch egal, welche Arten von Punk/HC-Musik auf einem ‚Good Night, White Pride!‘-Konzert präsentiert werden, Hauptsache es passiert was.
Matthias: Ich finde es schwierig zu sagen, dass Punkrock jetzt irgendwie ‚zahm‘ geworden ist. Geändert hat sich auf jeden Fall der Mainstream. Während Punks vor zwanzig Jahren noch wegen ihrer Frisuren, Kleidung, Tattoos etc. ständig Gefahr liefen, verprügelt zu werden, stört das heute ja kaum noch jemanden. Was mich ärgert, ist diese Phantasie- bzw. Auswegslosigkeit, wie Punkrock ‚a threat‘ und provokant sein könnte, ohne dass uns jede gute Idee ein halbes Jahr später in abgeschwächter Form als Marketingstrategie von irgendwelchen Mainstreamproduzenten entgegen gedonnert wird. Um noch mal auf die Frage zurückzukommen: An einigen Punkrock/Hardcore-Kids stört mich schon, wenn nicht mal so Punkstandards wie ‚Bullen, Soldaten, Deutschland sind böse‘ gelten. Das ist schon zahm und langweilig!

Ihr wart ja zuletzt zumindest ein paar Tage mit AS FRIENDS RUST und STRIKE ANYWHERE unterwegs, und die Shows waren wohl ziemlich gut besucht. Wie habt ihr das wahrgenommen?

Chris: Die Tour war super, immer gut besucht, und die Amis waren erstaunlich nett für Amis.
Matthias: Es war logischerweise schon klar, dass die Leute wegen der Amis kommen und wir die Vorband sind, die mal Krach macht, um gut rein zu kommen. Es ist halt cool, in vollen Läden zu spielen, und von daher war’s auch in Ordnung. Trotzdem sind Konzerte mit 30 Leuten, die wegen DURANGO 95 da sind, oft genau so gut oder besser. Persönlich habe ich fast immer Spaß, überhaupt zu spielen. Ein Patentrezept für ein gutes Konzert gibt’s nicht, außer natürlich rocken, rocken, rocken...

Ist es immer noch so, dass Amibands in deutschen Konzertsälen mehr zählen? Wie sind eure Erfahrungen in dieser Hinsicht?

Matthias: Amibands, insbesondere wenn sie auf den großen Amilabels sind, ziehen einfach mehr Leute. So Sachen wie Reihenfolge, Gage, Pennplätze usw. sind – besonders im Hardcore – meistens ‚unhinterfragbare‘ Standards. Aber wenigstens scheinen immer mehr Bands aus Europa auch mal in den USA zu touren. Außerdem denke ich oft, dass es ein ähnliches Gefälle gibt, wenn es z.B. um west- und osteuropäische Bands geht. Die Frage ist doch dann: Ist die ‚westeuropäische‘ Szene wirklich bereit, einen Unterschied zu machen oder will sie nur den Status der Amis?