Wenn es einen Moment gibt, der mein Verständnis von Country wesentlich geprägt hat, so ist das wohl der Filmauftritt der Blues Brothers in diesem Redneck-Schuppen, wo sie auch prompt mit Flaschen beworfen werden. Und irgendwie war Punk für mich erst recht die Antithese zur Country-Musik. Doch dann kamen DRAG THE RIVER. Chad Price, bekannt durch ALL, John Snodgrass von ARMCHAIR MARTIAN, J.J. von den NOBODYS und Paul Rucker taten sich zusammen, um diesem verpönten Stil zu huldigen. So spielen sie sich durch Songs von Billy Joe Shaver und verbreiten Lagerfeuer-Romantik, bleiben aber dabei doch stets die aufmüpfigen Punks, die sogar Glenn Danzig Ratschläge im Umgang mit Haus und Hof geben wollen.
Gleich zu Beginn die grundsätzliche Frage: Ist Punk denn nicht geradezu die Antithese zu Country?
Zach: „Das ist Unsinn. Na ja, wenn Kenny Chesney Country-Musik definiert und Mike Watt Punk, dann hat man vielleicht so etwas wie eine Antithese. Wobei Kenny Chesney eigentlich nicht die Verkörperung von Country ist. Ich bin mir sogar sicher, dass er einen großartigen Schwulen abgeben würde, wenn er diese kleine Nuance noch ausbauen würde.“
Was bedeutet Country euch?
John: „Es bedeutet eine gewisse Entfernung vom städtischen Umfeld. Ich bin zwar gerne in großen Städten, aber irgendwann verlasse ich sie auch wieder recht gerne.“
Was ist denn eure früheste Kindheitserinnerung, die mit Country zu tun hatte?
Zach: „Mein Vater ist ein jüdischer Pelzjäger und war eine Weile lang auch Pelz-Händler. Er war Gründungsmitglied der Fallenstellervereinigung, man traf sich da immer am Ende des Sommers, hatte Wettbewerbe und so weiter. Es gab auch immer einen Tanzabend in einem Lokal, und dort spielte eine Country-Band. Ich war kaum vier Jahre alt, da bekam ich bei so einem Tanzabend auch schon meine erste Country-Gruppe zu sehen. So ein alter Bastard hat mir mit seiner Zigarette dort auch den Arm verbrannt. Ich musste heulen und damit ich mich beruhigte, gab mir meine Mom einen Schluck Bier. Jetzt weine ich nicht mehr, meine Mutter bleibt zu Hause, aber der Rest wurde zu meinem Leben, so scheint es zumindest.“
John: „Lange Fahrten im Auto meines Vaters, während eine hässliche Scheidung ablief.“
Stellt euch mal Glenn Danzig vor, wie er eure Version von „Hybrid Moments“ hört. Was würde er sagen, und was wäre eure Antwort?
Zach: „Als wir in Hollywood waren und gerade zu einem 7-11 gehen wollten, sind wir an seinem Haus vorbeigekommen. Er hat einen riesigen Haufen Ziegelsteine im Hof und seinen Rasen mäht er auch nicht. Vielleicht war da sogar ein alter Ford Mustang aufgebockt hinter seiner Garage, das war eine ziemlich stereotype Redneck-Einfahrt. Ich glaube nicht, dass Glenn sich um unsere Version seines Songs scheren würde. Ich würde von ihm auch nicht erwarten, dass er etwas sagt, ich erwarte von ihm, dass er das Chaos in seinem Hof beseitigt.“
John: „Das Dach muss auch repariert werden.“
Das Release von „Live At The Starlight“ ist schon wieder eine ganze Weile her, wann gibt‘s neue Songs?
John: „Wir haben vier Tage später noch mal eine Liveshow aufgenommen, die gibt es exklusiv auf Vinyl. Unsere zweite Rarität ist ‚Chicken Demo‘s‘, das Gegenstück zu ‚Hobo‘s Demo‘s‘, die kommt im Mai raus. Wir haben aber auch noch 17 Songs für den Spätsommer in der Hinterhand, wenn die Hühnchen-Euphorie sich gelegt hat.“
Gibt es bei euren Shows auch Pogo oder nur Squaredance?
Zach: „Manche von den alten Hasen und die coolsten Retro-Country- und Rockabilly-Leute tanzen Two-Step mit gelegentlicher Drehung. Die meisten stehen aber rum und trinken Bier und glotzen JJs weit geschnittene Bluejeans an.“
Jon: „Hat man dir etwa erzählt, dass bei unseren Shows Squaredance getanzt wird?“
Immer mehr Künstler lassen sich von Country beeinflussen, woran liegt‘s?
Zach: „Der Alan Jackson-Song ‚Gone Country‘ ist wohl ein guter Ausgangspunkt, um diese Frage zu beantworten. Für manche ist es wirtschaftliche Notwendigkeit, für andere Altersweisheit. Niemand hat je aufgehört, aus der Country-Musik zu schöpfen, denn sie gab es schon vor Rock bzw. Punkrock und wird auch diese beiden Genres überleben. Falls Phil Lynott nicht von den Toten aufersteht ...“
Würdet ihr eine Platte auf einem Country-Label rausbringen?
Zach: „Das würde davon abhängen, wie der Vertrag aussehen würde. Falls uns keine Image-Berater rundumüberholen wollen, dann vielleicht. Obwohl ich schon gerne sehen würde, wie J.J. zum Metrosexuellen umgemodelt wird.“
Jon: „Das würden wir schon machen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Label was mit uns anfangen könnte.“
Welche Country-Platten empfehlt ihr denn wärmstens?
Zach: „Es gibt ein Livealbum von Billie Joe Shaver, das ist meine Lieblingsplatte. Wahrscheinlich höre ich mir die letzten Aufnahmen von Lefty Frizzel öfter als alles andere an.“
John: „Willie Nelsons ‚Shotgun Willie‘ oder ‚Phases & Stages‘. Und für den Anfang ist Hank Williams immer gut. Ich mag auch die Platte von seinem Sohn.“
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