Wir sind zu Besuch bei den Jungs von Dr. Dub! Was die so machen, was das mit Vinyl zu tun hat, und warum die eigentlich Dr. Dub heißen, diese Fragen versuchen wir nachfolgend zu beantworten.
Worum geht es bei Dr. Dub? Nehmen wir also zuerst mal den Namen. Dr. Dub. Keine Ahnung was eine Dubplate ist? Aber was Dub ist, das weiß man doch. Nein? Gut, also fangen wir ganz vorne an.
Irgendwann Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre, in der Karibik, genauer gesagt in Jamaika. Reggae wurde gerade erfunden, respektive Ska. Es gab noch keine professionelle Plattenindustrie auf der Insel. Musik existierte in den Hauptstädten und in den Bade- und Hotelorten. Tanzbands unterhielten das wohlhabende Publikum mit R&B, in den Ghettos sorgten so genannte Soundsystems - mobile DJs mit lautstarken Musikanlagen - für die Musik in den Dancehalls und auf den Straßen. Je erfolgreicher ein Soundsystem sein wollte, desto origineller, neuer, innovativer und vor allem exklusiver musste die Musik sein. In den um 1960 herum langsam entstehenden kleinen Platten- und Aufnahmestudios wurde in sessionartigen Zusammenkünften die Musik für die Soundsysteme eingespielt, im Hinterzimmer in Vinyl beziehungsweise Acetat geschnitten - fertig war die Dubplate, eine unikatartige Vorabpressung, und am Abend konnte man die Scheiben schon hören.
Dass dabei Exklusivität eine große Rolle spielte, man also daran interessiert war, dass von der Schallplatte so wenig wie möglich Exemplare auf dem „Markt“ waren, muss nicht besonders erwähnt werden. Erzielte die Dubplate Erfolge, konnte es durchaus passieren, dass der Soundman (DJ), der oft auch gleichzeitig Produzent war, noch ein paar weitere Versionen einspielte, auf die Wünsche des Publikums reagierte und dann gegebenenfalls sogar eine Veröffentlichung der Platte ins Auge fasste ... Aber da sind wir schon wieder ein paar Jahre weiter.
Ein weiterer Aspekt, der in die Begriffe Dub und Dubplate eingeflossen ist, sind die Experimente der Produzenten, Tontechniker und Musiker, die zuerst in den Studios von Kingston mit den von den Musikern eingespielten Aufnahmen im Tonstudio experimentierten. Normalerweise wurde ein neuer Titel auf einer Single, einer 7“, veröffentlicht. Auf die Rückseite presste - und presst man immer noch - die „Version“, eine Aufnahme des Musikstücks ohne die Tonspur für den Gesang oder mit nur einigen Hauptlinien des Songs. Hinzu kam bei einigen der kreativen Produzenten, wie etwa bei Lee Perry, das Verändern und Mixen von vorhandenen Bändern und Aufnahmen, das Unterlegen und Mischen von Delays und anderen Effekten in die eingespielten Songs. Dadurch entstanden neue Fassungen des Ausgangsmaterials, so genannte „Versions“, die auf die B-Seiten gepresst wurden.
Unter dem Begriff „Dub“ versteht man also eine remixte Version einer Schallplattenaufnahme, aus der die Gesangparts ganz oder teilweise entfernt wurden, um gleichzeitig die Bass- und Drumparts zu betonen. Seit ungefähr 1973 haben die meisten Reggae-Singles auf den B-Seiten solche Dubversionen. Im weiteren Sinne wird Dub außerhalb der Reggaeszene als ein Schlagwort verwendet, das die Musikaufnahmen bezeichnet, die in irgendeiner Form durch den (nachträglichen) Eingriff im Studio verändert wurden. Parallel dazu bezeichnen demnach Dubplates auf Vinyl gepresste Vorabversionen, um zum Beispiel die Reaktionen des Publikums in einem Club auf ein bestimmtes Musikstück zu testen, oder es sind Kleinauflagen von Songs, die für spezielle Zwecke - etwa im Bereich der Promotion oder beim DJing - Verwendung finden.
Nach der Einführung der Compact Disk auf dem Musikmarkt und einer systematischen Demontage der Produktionsstätten für Vinyltonträger gibt es seit einigen Jahren wieder kontinuierliche Zuwachsraten beim Absatz von Vinyltonträgern. Stillgelegte Presswerke können ihre Tätigkeit wieder aufnehmen und die existenten Presswerke systematisch ihre Produktionskapazitäten erweitern. Das freut natürlich den Liebhaber von Vinyl. Neben den Presswerken, die die Vinylproduktionen für die Musikindustrie abwickeln, gibt es einige Idealisten und Vinylfreaks, die sich der Produktion von den oben beschriebenen Einzelstücken verschrieben haben. Sie fertigen mit hohem Aufwand, meistens auch in hoher Qualität und mit einem extremen Sinn für die analogen Aspekte der Musik, die beschriebenen Dubplates.
Seit der analoge Tonträger seit einigen Jahren bei DJs, Sammlern und Audiophilen immer mehr Freunde und Käufer findet, entschließen sich auch viele internationale Musiker außerhalb der DJ-Szene dazu, ihre aktuellen Releases neben der Veröffentlichung auf dem obligatorischen Silberling auch wieder als Vinyl-Release herauszubringen.
Natürlich gibt es noch kleine Label, die sich seit Jahren überhaupt nicht um Produktionen auf CD kümmern und konsequent ihre Neuerscheinungen nur auf analogen Tonträgern veröffentlichen, aber diese sind die Ausnahme. Bis noch vor wenigen Jahren befanden sich solche „Oasen der Analogtechnik“ auf dem Abstellgleis. In den letzten 20 Jahren hat sich die Situation geändert.
Viele Labels setzten - vor allem auch aus Kostengründen - ausschließlich auf die CD und die meisten Presswerke für Vinyl verkauften ihr Equipment zu Schleuderpreisen oder wurden gänzlich verschrottet. Der Vinylschallplatte hatte Ende der 80er Jahre keine Zukunft mehr. In den Clubs rotierte sie aber weiterhin auf den Plattentellern und der Bedarf an Vinyltonträgern war in dieser Szene kontinuierlich hoch. Denn nicht ohne Grund ist die analoge Schallplatte in diesem Bereich immer noch der bevorzugte Tonträger. Es sind die haptischen Qualitäten, die dem Medium innewohnen, die Unmittelbarkeit des Materials, die sichtbaren Vertiefungen in der Oberfläche, die die Töne, Geräusche, die die Musik und den Sound bergen. Man kann Schallplatten gut handhaben und die meisten Techniken der DJs lassen sich sowieso mit keinem anderen Medium praktizieren - und das trotz der unglaublichen technischen Entwicklung des Marktes für elektronische DJ-Tools. Die direkte Arbeit mit dem Vinyl auf den Plattentellern ist jedem digitalen und computergesteuerten Set überlegen und bleibt unerreicht von anderem Equipment.
Hinzu kommt, dass es nicht nur in der High-End-Audiophilie nach wie vor eine beständig wachsende „Gemeinde“ gibt, für die die Gewichtsangaben auf den schwarzen Scheiben wesentliche Hinweise auf die Qualität der Pressung und Ausstattung der Schallplatte sind. Gerade im High-End-Bereich sind Plattenfirmen und Label dazu übergegangen, von besonderen Alben - ob nun besonders erfolgreich, besonders wichtig in historischer Hinsicht oder vielleicht auch besonders gut - qualitativ hochwertige Pressungen zu veröffentlichen. Pressungen auf 180 oder 250 Gramm schwerem Vinyl sind dabei keine Seltenheit. Dass diese hochwertige Verarbeitung sich natürlich auch im Preis niederschlägt, wird jeder wissen, der sich schon das eine oder andere High-Quality-Release gekauft hat.
Besonders die klangtechnischen Eigenschaften von Vinyl werden hoch geschätzt und mancher schwört auf den weichen Sound von Schallplatten. Fakt ist, dass bei der Produktion keine digitalen Artefakte bei der Aufrasterung von kontinuierlichen Werten in ein digitales Medium entstehen - die „Wärme“ des kontinuierlichen Abtastvorgangs einer Vinylschallplatte ist vor allem auch hörbar!
Außerdem gibt es noch einige Vorteile, die bei Einführung der CD der klassischen Schallplatte als Nachteil ausgelegt wurden und die auch auf den ersten Blick nicht ganz so offensichtlich sind. Ein Tonträger aus Vinyl weist einen recht langen Haltbarkeitsfaktor auf. Immer noch werden Vinyls aus den 60er und 70er Jahren aufgelegt und sind über den Handel erhältlich. Aufgrund ihrer Größe und physischen Materialität sind sie leichter zu handhaben als digitale Musik, als MP3-Dateien auf einem Notebook oder einem PC. Jeder wird dies bestätigen, der nach längerer Zeit alte MP3-Dateien sucht, geschweige denn, dass seit dem Herstellungsdatum der Datei fünf oder zehn Jahre vergangen sind. Die „Aufbewahrung“ der Musik-„Daten“ auf Vinyl scheint kein so großes Problem zu sein ...
Über Europa verteilt gibt es seit einiger Zeit wieder einige Vinylfreaks, die sich dem schwarzen - und manchmal auch farbigen oder transparenten - Kunststoff verschrieben haben. Und es ist kein Zufall, dass wir bei Dr. Dub gelandet sind und die Compañeros vorstellen, gehören sie doch zu denen, die es sogar beim Vinylschneiden schaffen, schnellen Service mit extrem hoher Qualität zu verbinden - was nicht immer so sein muss, wie auch schon an anderer Stelle in Erfahrung zu bringen war ... Also, eine dieser kleinen Firmen, die sich dem Schneiden von Vinyl in Einzelexemplaren oder der Erstellung von Mastern für die Vinylproduktion in höheren Auflagen verschrieben haben, ist die Dr. Dub-Crew. Als einzige Firma in Österreich bietet Dr. Dub seinen Service seit ungefähr drei Jahren an. Drei Mitarbeiter kümmern sich um die professionelle Erstellung der Dubplates und Master - wie man auch auf der Website via Webcam feststellen kann.
Der gesamte Vorgang beim Erstellen der Dubplates erfolgt auf analogem Equipment, welches von der Dr. Dub-Crew aus mehreren Studios in Europa zusammengetragen wurde. Damit ist über den gesamten Herstellungsprozess ein vollständig analoger Signalfluss gewährleistet.
Auf die Frage „Wie entsteht nun eigentlich eine Schallplatte?“ beschrieb Mex von Dr. Dub noch einmal genau die einzelnen Schritte beim Vinylschnitt: „Nach dem die Tracks in unseren Audio-Sequenzer geladen werden - er ist das einzige Zugeständnis an die Vorteile der digitalen Welt - durchläuft das Signal je nach Bedarf mehrere Kompressoren und Equalizer, bis es zum so genannten Vinyl-Optimizer gelangt. Hier werden nicht aufzunehmende Frequenzen gefiltert beziehungsweise korrigiert und weitere Probleme, welche zum größten Teil ihren Grund in der digitalen Quelle vieler Aufnahmen haben, beseitigt. Über zwei Spulen, welche ihrerseits von zwei Röhrenamps angetrieben werden, gelangt das Signal schließlich zum Diamantstichel, welcher einmal in Schwingung gebracht, die Rillen in die speziellen Vinylrohlinge fräst. So wird jede Platte einzeln und in „Echtzeit“ hergestellt, wobei in Handarbeit das Schneiden der Ein- und Auslaufrillen, sowie der Rillen zwischen den einzelnen Songs erfolgt. Nach einem Testdurchlauf und der Endkontrolle wird jede Platte noch von Schneiderückständen gereinigt und für den Versand verpackt.“
Dabei ist ein Umstand selbstverständlich: Jede Dubplate ist ein Einzelstück, an das jeweils ganz besondere Anforderungen gestellt werden. An eine Vinyl-Platte für den Clubeinsatz werden andere Ansprüche gestellt, als an einen Longplayer für eine High-End-Anlage oder an eine 7“ für eine Jukebox. Man kann allen Wünschen gerecht werden, selbst der Eingriff in die Musikdaten ist möglich: Sei es die Anhebung der Bässe oder das Herausfiltern von Frequenzbereichen, oder anders formuliert: „Unsere aufwändige Herstellungsweise garantiert eine optimale Qualität jeder Platte und ermöglicht es auf verschiedene Kundenwünsche einzugehen, um so für jeden Einsatzbereich das optimale Vinyl liefern zu können.“ Ob es nun selbst abgemischte Stücke, Special Versions oder ansonsten nicht auf Vinyl erhältliche Tracks aus der historischen Kiste sind, die Qualität ist überwältigend, der Tonträger von exzellenter Qualität und man hat auf Vinyl, was man immer schon auf Vinyl haben wollte - in kürzester Zeit. Aber aufgepasst, wer Vinyl mag, ist hier suchtgefährdet!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Thomas Neumann