Dave Smalley gehört zu den wenigen Musikern, die nicht bloß eine Randnotiz in der Musikgeschichte sind. Er sang bei DYS, den göttlichen DAG NASTY, ALL, DOWN BY LAW und den SHARPSHOOTERS und kann von sich behaupten, mehr als nur ein Klassikeralbum eingespielt zu haben. 2004 katapultierte er sich dann durch einen, wie er heute sagt, dämlichen Essay auf conservativepunk.com ins Aus. Vor dem DYS-Konzert im Kölner MTC nahm sich Dave ausgiebig Zeit für dieses Interview. Er entpuppte sich dabei als äußerst sympathischer Mensch, der eine Menge zu erzählen hat. Zudem erscheint dieser Tage mit „Champions At Heart“ ein neues DBL-Album.
Dave, wie waren bisher die Reaktionen auf DYS?
Sehr nett. Weißt du, was für mich total spannend ist? Es ist eine DYS-Tour. DYS existierten von 1981 bis 1985 und waren nie in Europa, weil es damals einfach nicht üblich war. Höchstens die Spitze der Hardcore-Bands wie BLACK FLAG oder die DEAD KENNEDYS gingen auf Europatour. Ich hatte Bedenken, ob sich überhaupt jemand für DYS interessieren würde, aber die Reaktionen waren durchweg positiv. Die Leute kennen die Texte, und das nach über 25 Jahren Bandpause! Die erste Show war im Conne Island in Leipzig auf einem Hardcore-Festival mit TERROR und DEATH BEFORE DISHONOR. DYS haben eine Menge Rock im Sound, so dass ich unsicher war, ob wir musikalisch auf solch ein Festival passen würden, aber es war toll. Dann haben wir in Fulda mit den 7 SECONDS gespielt, was einfach unglaublich war. Wir waren an diesem Abend wirklich gut. Das klappt leider nicht immer. Manche Bands sind an manchen Abenden einfach nur gut, an anderen sind sie großartig, und wir waren ehrlich großartig in Fulda. Es fühlte sich gut an.
Ich würde gerne einen kleinen Streifzug durch deine musikalische Karriere machen. Über DYS haben wir schon etwas gesprochen, aber was hat dich überhaupt bewogen, mit dem Singen zu beginnen?
Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber es gab zwei wichtige Dinge, die beide mit Erwachsenen zu tun haben, als ich noch ein Kind war. Ich bin heute ein starker Verfechter von musikalischer Erziehung in der Schule, was leider aktuell massiv zurück gefahren wird, weil das Geld fehlt, aber Kinder brauchen musikalische Erziehung. Es eröffnet ihnen neue Horizonte. Ich hatte in der fünften und sechsten Klasse eine Lehrerin, die bemerkte, dass ich singen konnte. Wir haben im Unterricht gesungen und sie sagte, dass ich eine schöne Stimme habe. Also gab sie mir bei Aufführungen immer eine tragende Rolle und ermutigte mich, mit dem Singen weiterzumachen. Sie war eine tolle alte Dame. Dann habe ich noch im Kirchenchor gesungen. Meine Eltern haben mich dazu gebracht und ich mochte es wirklich sehr.
Und wie alt warst du, als du zum ersten Mal in einer Punkband gesungen hast?
Meine erste Band hatte ich in der Highschool. Sie hieß NO SUCCESS und wir hatten folgerichtig auch keinen Erfolg, haha. Wir kamen nie aus dem Proberaum heraus. Das muss in der zehnten Klasse gewesen sein, als ich 15 Jahre alt war. Ein Freund von mir, Erik, dessen Mutter aus Deutschland kam, hatte einen älteren Bruder namens Fritz. Fritz hat uns zu THE CLASH und DEAD KENNEDYS mitgebracht. Das war in Virginia. Er kam immer an und meinte: „Hört euch das an – Plastic Bertrand! Oder das – THE UNDERTONES!“ Erik und ich saugten alles in uns auf, wie Verdurstende in der Wüste. Das hat mein Leben sehr beeinflusst.
Als du damals bei DYS warst, gab es da Eifersüchteleien mit anderen Bands wie GANG GREEN oder NEGATIVE FX?
Nicht dass ich wüsste. Das Interessante an der Bostoner Szene der frühen Achtziger war, dass es gar nicht genug von uns gab, um auf irgendwen eifersüchtig zu sein. Wir mussten uns ständig prügeln, weil wir anders aussahen. Ich habe gelernt zu kämpfen. Wenn du aussahst wie ein Punk, standen die Chancen gut, dass du mit irgendeinem Spinner Ärger bekamst. Es gab nur so wenige von uns, dass wir zusammenhalten mussten. Eifersucht oder Neid habe ich nie gespürt.
Tony von den ADOLESCENTS erzählte in einem Interview, dass es nur so etwas wie freundschaftlichen Wettbewerb zwischen den Bands gab und wenn Außenstehende Stress machen wollten, hielten alle zusammen.
Ja, absolut! So war es in Boston auch. In Südkalifornien gab es mit den ADOLESCENTS, den GERMS, BLACK FLAG oder WASTED YOUTH Bands, die alle eigenständig klangen, so dass es gar keinen Wettbewerb geben musste. In Boston gab es DYS, GANG GREEN, JERRY’S KIDS, F.U.’s, SSD, und jede Band klang anders. Warum hätten wir uns bekämpfen sollen? Der Feind war die Welt, haha.
Warum hast du DYS damals verlassen?
Nun, das zweite DYS-Album ging mehr in Richtung Rock und Metal, was daran lag, dass wir an den Instrumenten besser wurden. Plötzlich konnten wir Soli spielen und taten das auch. Die Songs wurden länger. Wir liebten Rock und Metal. Meine Lieblingsbands sind bis heute MOTÖRHEAD, AC/DC, IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST. Auch die frühen METALLICA waren und sind fantastisch. Als METALLICA das erste Mal nach Boston kamen, spielten sie in einem total kleinen Club und die gesamte Boston-Crew stand in der ersten Reihe. Es war das Großartigste, was ich bis dahin in meinem Leben gesehen hatte. Das war direkt, nachdem „Kill ’em All“ veröffentlicht wurde. Sie waren einfach unglaublich gut. DYS wurden dann zu einer Metal-Band. Wir waren mit die erste Punkband, die diesen Weg ging. SSD taten dies zur gleichen Zeit aus den gleichen Gründen – sie wurden einfach besser an den Instrumenten. Vielleicht waren wir damals der Zeit voraus, denn heute ist es normal, Metal und Hardcore zu kombinieren, aber damals war es neu und viele Leute mochten es nicht. Ich kann mich erinnern, dass wir nach New York fuhren, um uns mit Elektra Records zu treffen, die daran interessiert waren, uns unter Vertrag zu nehmen. Sie wollten, dass wir uns entscheiden, ob wir eine Metal- oder eine Punkband sein wollten. Als Punkband wollten sie uns nicht haben. Wir haben viel diskutiert, ob wir nun lieber Punk oder Metal sein wollten, wobei ich es immer besser fand, beides zu vermischen. Nach einer Bandprobe gingen wir in ein Diner, wo wir immer hingingen, um etwas zu essen, wir unterhielten uns erneut darüber und kamen zu dem Entschluss uns aufzulösen. Da gab es kein böses Blut oder Streit. Wir saßen einfach da, aßen einen Hamburger und lösten DYS auf.
War das, bevor du mit DAG NASTY in Kontakt kamst?
Ja. Das heißt, ich kannte Brian bereits, denn DYS spielten mit MINOR THREAT einige Shows, und bevor ich nach Boston zog, bin ich in D.C. immer zu den Shows gegangen, um GOVERNMENT ISSUE und all die anderen tollen Bands dort zu sehen.
Apropos DAG NASTY: Ist es nicht an der Zeit für ein neues DAG NASTY-Album?„Four On The Floor“ kam 1992, „Minority Of One“ 2002 und jetzt haben wir 2012 ...
Haha, ja, ich denke auch, dass es langsam Zeit wird. Ich spreche regelmäßig mit Brian darüber, aber er ist so stark bei BAD RELIGION eingebunden. Ich hoffe wirklich sehr, dass wir noch ein Album machen.
Als ich mich auf dieses Interview vorbereitet habe, las ich noch einmal das Interview, welches wir vor zehn Jahren für Ox #48 gemacht hatten. Damals mochte ich das gerade erschienene „Minority Of One“-Album gar nicht, weil ich dachte, es klänge zu sehr nach BAD RELIGION, aber inzwischen ist es mein DAG NASTY-Lieblingsalbum.
Das höre ich gerne. Es ist auch mein Lieblingsalbum. Das Album hat Kraft und Leidenschaft und eine Menge Emotionen. Mit Brian haben wir einen der besten Gitarristen weltweit dabei und Colin und Roger bilden eine einmalige Rhythmussektion. Ich denke, dass Brian und ich beim jeweils anderen das Beste hervorbringen, auch wenn wir in vielen Dingen sehr verschieden sind. Brian ist mein Freund. Wenn wir zusammenarbeiten, machen wir uns gegenseitig besser. Seine Art, Musik zu machen, bringt bei mir Seiten hervor, die sonst eher verborgen bleiben.
Ich mag den Titelsong sehr. Er hat den vielleicht besten Text, den ich je gelesen habe.
Danke. Es ist nie leicht, eine Minderheit von nur einer Person zu sein. Die Welt ist voller Angepasstheit und Gleichförmigkeit – auch oder gerade im Punkrock! Ich denke nicht, dass man um jeden Preis versuchen sollte, anders zu sein, aber man sollte keine Angst davor haben, sein Leben auf seine Weise zu leben. Es ist oft hart, denn jeder will, dass du zu seiner Sicht der Dinge passt. Ob das nun die Gesellschaft ist, dein Freund oder deine Freundin, Ehefrau oder -mann, Lehrer, Polizei, wer auch immer. Immer heißt es: tu dies nicht, tu das nicht, das kannst du nicht tun. Doch! Und die Menschen, die sagen, dass sie es doch tun können, bewundere ich. Thomas Edison ist wer weiß wie oft gescheitert, als er die Glühbirne erfinden wollte, aber er hat einfach nicht aufgegeben.
Lass uns über diese Conservative-Punk-Sache reden. Die Seite ist mittlerweile offline, also worum ging es da?
Das war 2004, und das war einfach nur dämlich von mir. Was ich machen wollte, hat nicht funktioniert und ich bereue es wirklich sehr. Weißt du, ich bin in vielerlei Hinsicht ein sehr liberaler Mensch. Damals hatte ich Angst, Punkrock könnte zu gleichgeschaltet werden. Jeder dachte dasselbe, sagte dasselbe und tat dasselbe und das ist für mich das genaue Gegenteil von dem, was Punk sein sollte. Ich mag es, wenn ich bei einem Konzert Menschen treffe, die normal aussehen, die fünf Iros haben, Skater, Hardcore-Typen – ich mag diese ganzen Unterschiede und genieße es, dass es sie gibt. Ich habe dann einen dummen Essay geschrieben, über den ich gar nicht groß nachgedacht habe. Ich habe den Text sehr schnell geschrieben und wollte eigentlich darauf hinweisen, dass Punkrock facettenreich sein sollte, auch politisch gesehen. Du denkst anders als ich denke, und das ist gut so, solange jemand nicht verrückt ist. Ich meine, ich will keine Nazis oder einen, der es gutheißt, Menschen zu töten, das ist krank. Paul Weller von THE JAM hat irgendwann mal geäußert, dass er die Torys, also die britischen Konservativen wählen würde, und alle sind ausgeflippt. Dabei wollte er die Leute nur wachrütteln. Ich fand seine Aussage damals auch schrecklich. Heute verstehe ich, warum er das damals gemacht hat. Er hat sein Ziel auch nicht erreicht. Ich habe etwas Blödes geschrieben, ich bedaure das heute sehr. Ich habe es auf dieser Website gepostet, was eine blöde Idee war. Ich würde es nicht wieder tun.
Haben dich die heftigen Reaktionen darauf überrascht?
Ein wenig schon. Aber ich habe diesen Fehler nur einmal gemacht und bedaure ihn wirklich. Niemand ist perfekt, auch ich nicht. Menschen bauen Scheiße. Und ich habe Scheiße gebaut. Eigentlich lohnt es sich auch nicht mehr, darüber zu sprechen. Ich meine, ich bin für die Homo-Ehe, unterstütze die Frauenbewegung, all diese Dinge, die selbstverständlich sein sollten. Aber in diesem Artikel habe ich ein sehr schlechtes Bild von mir vermittelt.
Und was genau ist „konservativ“ für dich? Oder muss ich unbedingt einen Iro und Bondagehosen tragen, um Punk sein zu dürfen?
Gleichförmigkeit ist nie gut, egal, wo sie auftaucht. Liberal, konservativ oder links – wir heften uns alle immer selber irgendwelche Label an. Weißt du, ich spiele für mein Leben gern Poker, was eine sehr amerikanische Tradition ist. Ich treffe mich mit ein paar Freunden und dann spielen wir bis drei Uhr morgens. Diese Freunde, mit denen ich mich treffe, unterscheiden sich in ihrem jeweiligen Lebensstil völlig. Einige haben Kinder, andere nicht. Einige arbeiten für die Regierung, andere sind selbständig. Einige sind Liberale, andere Konservative, wobei konservativ in Amerika etwas anderes bedeutet als in Europa. Wir sind zu acht und ich mag sie alle. Punkrock bedeutet für mich, sein Leben zu leben und es gut zu leben. Man muss versuchen, die Welt zu verbessern. Wir haben vielleicht 70 oder 80 Jahre, wenn wir Glück haben, was nicht viel Zeit ist. In den ersten 18 Jahren ist man verwirrt und sucht seinen Platz im Leben. Zwischen dem 18. und sagen wir 70. Lebensjahr hat man dann die Möglichkeit, etwas zu bewegen, danach geht die Gesundheit den Bach runter. Man hat nur ein verdammt kleines Zeitfenster, etwas zu bewegen, und ich versuche Menschen zu ermutigen, diese Zeit zu nutzen. Warum sollte man nicht wenigstens versucht haben, die Welt zu verbessern, bevor man abtritt?!
Über deine Zeit bei ALL findet man seltsamerweise keine Informationen im Internet. Wie war das damals?
Als ich bei DAG NASTY war, spielten wir auch einige Shows mit den DESCENDENTS, und als ich davor noch bei DYS war, spielten wir auch mit BLACK FLAG. Bei diesen Gelegenheiten lernte ich Bill Stevenson kennen, der immer schon ein toller Drummer und Musiker war und heute noch ist. Irgendwie hat Bill gehört, dass ich es bedauerte, keine Band mehr zu haben und rief mich damals in Israel an.
Was hast denn damals in Israel gemacht?
Nachdem ich DAG NASTY schweren Herzens verließ, weil ich weiter zur Schule gehen wollte, war ich für ein Jahr in Israel, um danach aufs College zu gehen, da war ich 20 oder 21. Meine Eltern konnten sich einen weiteren Schulbesuch von mir nicht leisten und Förderprogramme gab es nicht. Ich hätte ein Darlehen aufnehmen können, aber das zahlt man ewig zurück. Da bot sich mir die Möglichkeit, durch ein Jahr in Israel doch weiter lernen zu können, also musste ich mich entscheiden. Bill rief mich also aus Los Angeles in Jerusalem an – mehrfach – und seine Telefonrechnung lag bei weit über 1.000 Dollar, haha. Wir unterhielten uns einfach. Wir sprachen über Musik, das Leben, und über ALL. Bill ist ein toller Mensch, sehr smart und sehr lustig. Er meinte damals, dass Milo auch wieder zur Schule gehen wollte und ich der einzige Sänger wäre, den er an Milos Stelle in seiner Band haben wolle. Er wollte diese neue Band, ALL sollte sie heißen, und ich sollte der Sänger sein. Wir waren uns einig, es zu versuchen und auch, dass wir nicht die DESCENDENTS fortführen wollten, die ohne Milo nicht die DESCENDENTS wären. Es ist wie bei DOWN BY LAW. Ohne Sam und mich funktioniert die Band nicht. Oder nimm DYS. Ohne Jonathan und meine Wenigkeit kann es DYS. nicht geben. Es gibt viele Bands, die ohne den Originalsänger nicht funktionieren. Okay, BLACK FLAG sind ein Gegenbeispiel, denn sie hatten Keith Morris, Dez Cadena, Henry Rollins, Chavo, und es funktionierte, aber das ist die Ausnahme. Wir wollten nicht die DESCENDENTS II sein, höchstens mal einen DESCENDENTS-Song als Zugabe spielen. Und das taten wir dann.
Warum haben sich eure Wege nach nur zwei Alben wieder getrennt?
In meinem ersten Jahr bei ALL waren wir neun Monate am Stück auf Tour. Damals war es anders als heute, wo wir in einem Hotel übernachten – nichts Besonderes, einfach nur zwei Mann pro Zimmer, aber immerhin ein ordentliches Bett. Damals schliefen wir bei irgendwem auf dem Fußboden, auf einem Sofa, das vielleicht nach Katzenpisse stank, oder direkt im Van. Das war ein hartes Leben. Die ALL-Jungs waren das gewohnt und wollten weiter touren, aber ich war nach den neun Monaten absolut am Ende. Ich sagte ihnen dann, dass ich so nicht weitermachen wollte und konnte.
Und dann hast du DOWN BY LAW gegründet. War das 1992?
Das muss schon früher gewesen sein. Wegen ALL lebte ich in Los Angeles. Ich zog in eine eigene Wohnung und begann Songs zu schreiben. ALL und CHEMICAL PEOPLE, eine tolle Band, waren gut befreundet und ich rief Dave Naz an und erzählte, dass ich ein paar Songs geschrieben hätte und mit ihm aus Spaß etwas jammen wollte. Wir trafen uns und so entstanden „Right or wrong“, „Dreams away“ und einige andere Songs, die später auf dem ersten Album landeten. Wir holten die anderen CHEMICAL PEOPLE mit ins Boot und es klang gut. Also spielten wir irgendwann aus Spaß ein Konzert. Beim zweiten Konzert, das fand im Anti-Club statt, waren alle neugierig. Klingt die Band nach DYS? Oder ALL? Oder DAG NASTY? Aber wir klangen ganz eigenständig und die Leute mochten uns. Also spielten wir noch eine Show im Coconut Teaser zusammen mit GREEN DAY, die damals noch völlig unbekannt waren. Sie kamen extra aus Berkeley, um dieses Konzert zu spielen. Eigentlich war es nur eine Geburtstagsparty, bei der die Geburtstagskinder ihre Lieblingsbands buchten. Meine Frau, die Grafikerin ist, suchte uns aus, Joy Aoki, die fürs Flipside Fanzine schrieb, suchte GREEN DAY aus. Der Coconut Teaser ist ein ganz kleiner Laden. Auf der Party war zufällig auch Brett Gurewitz. An diesem Abend waren DOWN BY LAW perfekt. Kennst du diese Momente, in denen einfach alles perfekt läuft? Das ist besser als alles andere. Besser als jede Droge und sogar besser als Sex, haha. Du fühlst, wie die Euphorie durch deinen Körper strömt. So was passiert einfach und du kannst es nicht steuern. An diesem Abend ist uns das passiert. Und dann kam Brett zu mir, stellte sich vor mit: „Hi, ich bin Brett Gurewitz, ich finde euch toll und ich will euch unter Vertrag nehmen. Kommt mit raus zu meinem Volvo.“ Das machten wir dann, unterhielten uns ein wenig und – zack – hatten wir einen Plattenvertrag bei Epitaph.
Mit diesem Line-up haben DOWN BY LAW nur zwei Alben eingespielt, „Down By Law“ und „Blue“. Warum kam dann die Trennung?
Gute Frage. Ich kann nicht für jeden von uns sprechen, aber ich glaube, der Hauptgrund war, dass DOWN BY LAW als Projekt gedacht war. Wir wollten ein paar Songs zusammen schreiben und hatten nie geplant, Konzerte zu geben. Dann spielten wir doch live, bekamen einen Plattenvertrag, gingen plötzlich auf Tour, auch in Europa. Es wurde immer zeitaufwändiger. Das hatte keiner von uns geplant. Es wurde immer schwieriger für die Bandmitglieder, die Jobs oder eine Freundin hatten. Ein normales Leben ist nicht mehr möglich, wenn man ständig unterwegs ist. Ich wollte mehr davon, die anderen aber nicht, was absolut verständlich ist. So etwas passiert ständig. BLINK-182 hatten das gleiche Problem, weil Tom nicht so oft touren wollte wie Marc und Travis. Oder nimm PENNYWISE. Jim Lindberg verließ die Band, weil er nicht mehr touren wollte.
CHEMICAL PEOPLE haben danach mit „Arpeggio Motorcade“ nur noch ein Album gemacht.
Ja, es ist ein ungewöhnliches, aber tolles Album mit Querflöten und so. Dave Naz arbeitet inzwischen als ziemlich erfolgreicher Fotograf.
Das letzte DOWN BY LAW-Album „Windwardtidesandwaywardsails“ erschien 2003. Was ist danach mit der Band passiert?
Wir haben uns nie aufgelöst. Es gab zwar Zeiten, in denen einige Monate nichts passiert ist, aber hin und wieder haben wir Konzerte gegeben oder irgendetwas aufgenommen. Aktuell haben wir ja ein neues Album aufgenommen. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich es richtig gut finde. Ich würde es neben „Punkrockacademyfightsong“ und „All Scratched Up!“ einordnen. Jeder, der es bislang gehört hat, ist gleicher Meinung. Bill Stevenson hat es in seinen Blasting Room Studios gemixt. Es heißt „Champions At Heart“, was soviel bedeuten soll, dass wir im Leben vielleicht nicht die Gewinner sein können, aber in unseren Herzen schon, indem man ein guter Mensch ist. Es ist auf DC Jam Records erschienen, die auch T.S.O.L., FISHBONE, THE ADICTS oder JFA unter Vertrag haben.
Warum habt ihr Epitaph damals verlassen? War das ihre oder eure Entscheidung?
Das kommt darauf an, wen du fragst, haha. So um 1997 herum haben wir nicht mehr soviel getourt, wie Epitaph es gerne gesehen hätte. Ich würde sagen, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich hege da keinerlei Groll, Epitaph ist immer noch ein tolles Label. Sie haben viel für die Musik getan, gerade in der Zeit von 1990 bis 1997. BAD RELIGION, NOFX, PENNYWISE, RANCID – alles fantastische Bands. Es war wie in den frühen Dischord-Jahren: ein Label hatte all die verdammt guten Bands. MINOR THREAT, GOVERNMENT ISSUE, S.O.A., TEEN IDLES, MARGINAL MAN, DAG NASTY. Was? All diese Bands sind auf diesem kleinen Label, das dieser Typ da, Ian, von zu Hause aus betreibt? Unglaublich! Brett hat in Los Angeles eigentlich das Gleiche getan, nur eben zehn Jahre später. In den späten Achtzigern waren es dann Cruz Records, die ALL, CHEMICAL PEOPLE oder BIG DRILL CAR hatten. DC Jam machen das eben heute. FISHBONE – klasse! T.S.O.L. – megaklasse! DOWN BY LAW – hoffentlich klasse, haha! Darren, der das Label betreibt, rief uns an und fragte nach Aufnahmen. Wir schickten ihm ein paar Demos und er schickte uns umgehend ins Studio. Es war, als würde lange unterdrückte Energie endlich frei gesetzt.
Dann gab es noch THE SHARPSHOOTERS.
Die waren nur ein Projekt und sind es auch geblieben. Ich mag Mod-Musik sehr gerne. In einer perfekten Welt würde ich eine Vespa und eine Lambretta besitzen und überall diese Target-Sticker hinkleben. THE KINKS, THE HIGH NUMBERS, die frühen THE WHO, THE JAM – ich liebe diesen Sound einfach. Mit den SHARPSHOOTERS haben wir versucht, Mod-Musik zu machen.
Du hast auf vielen Platten gesungen, die heute als Klassiker angesehen werden. Ist das eine Belastung für dich?
Es ist ein Segen. Wenn du mir 1982, als „Brotherhood“ von DYS erschien, gesagt hättest, dass 2012 noch über das Album gesprochen werden würde, hätte ich dich für verrückt erklärt. Wir hätten doch 1982 niemals gedacht, dass wir 2012 mit DYS auf Europatour gehen würden. Und dann kamen DAG NASTY und wir nahmen „Can I Say“ auf. Meine liebste Erinnerung an diese Zeit ist die, wie ich den Gesang aufnahm. Das war im Keller von Don Zientaras Haus, gleich neben der Waschküche, und da sah ich, wie Ian MacKaye den Kopf schüttelte. Ich ging zu ihm, weil ich dachte, er fände meinen Gesang nicht gut. Aber er meinte nur: „Mann, ich denke, das wird eines der besten Dischord-Alben überhaupt.“ Ich dachte mir: „Heilige Scheiße! Ian findet es gut.“ Dieser Moment hat mir viel bedeutet und ich werde immer noch sehr emotional, wenn ich daran zurückdenke. Bei DOWN BY LAW war es so mit „Punkrockacademyfightsong“. Die Platte war überall. „500 miles“ habe ich neulich erst in Tampa, Florida gehört, als ich an einer Bar vorbeiging.
Gehst du selbst noch als Fan zu Konzerten?
Ja, natürlich. Wenn ich kein Musikfan mehr wäre, könnte ich mich auch von einer Brücke stürzen. Leider kann ich es nicht so oft tun, wie ich gerne wollte. Ich habe vier Kinder, bin mit DOWN BY LAW viel unterwegs. Neulich habe ich CAKE gesehen. Ist zwar keine Punkband, sie sind aber sehr witzig. Auf Tour sehe ich aber auch eine Menge Bands, wie 7 SECONDS neulich. Kevin und ich haben rumgealbert und meinten nur, ob wir 1984 hätten? DYS und 7 SECONDS, und die Leute kommen immer noch zu unseren Konzerten.
Konntest du je von der Musik alleine leben?
Ja. DOWN BY LAW haben eigentlich die ganzen Neunziger hindurch soviel eingebracht, dass wir davon leben konnten. Mal sehen, ob das neue Album uns wieder dahin bringen kann.
Dave, danke für deine Zeit.
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