DOG PARK DISSIDENTS

Foto© by Dalton Spangler

Queerer Pelz-Punk

Aufgepasst! DOG PARK DISSIDENTS sind eine queere Anarchopunk-Band aus den USA und spielen lauten, profanen Punkrock mit äußerst radikaler politischer Ausrichtung. Und das tun sie so eingängig und mit so viel schrägem Humor, dass wir sie unbedingt hier im Interview haben müssen. Denn das Quintett mit den Hundemasken legt den Finger tief in die Wunden der Zeit und macht sich explizit für LGBTQ-Rechte stark. Mit Sänger Zac Xeper sprachen wir über das nagelneue „The Pink And Black Album“, BDSM-Partys im Weltall und die gegenwärtige soziopolitische Situation im Queer-Punk.

Zac, wer sind die DOG PARK DISSIDENTS?

Wir sind eine Punkband aus dem Süden und Nordosten der USA. Manchmal sind wir wütend, manchmal sind wir witzig, manchmal sind wir sarkastisch, manchmal sind wir all das auf einmal. Wir schreiben keine Kuschelmusik darüber, dass es okay ist, schwul zu sein, oder dass man sich selbst lieben sollte – obwohl viele unserer Fans diese Botschaft aus unseren Songs heraushören. Aber wir nehmen Queer-Positivität als selbstverständlich hin, so nach dem Motto: Offensichtlich ist es okay, so zu sein, wie wir sind, aber jetzt lasst uns darüber reden, wie scheiße der ganze Rest ist. Wir schreiben Songs über die Ablehnung des liberalen Narrativs, eine Checkliste von LGBTQ-Rechten zu erfüllen und dies als Fortschritt zu bezeichnen, während die tatsächlichen Lebensbedingungen von queeren Menschen auf der ganzen Welt immer noch so viel zu wünschen übrig lassen. Außerdem sind wir Hunde.

Aber warum gerade Hunde und keine Katzen?
Zum Hintergrund: Es gibt zwei große Queer-Communities, die sich mit der Idee „Lasst uns schwul sein und so tun, als wären wir Tiere“ beschäftigen. Da gibt es die Furries, die ihren Ursprung in der Anime- und SciFi-Fandom-Kultur haben. Sie veranstalten die Conventions mit den großen flauschigen Kostümen im Maskottchen-Stil und zeichnen alle Kunstwerke mit anthropomorphen Tierfiguren. Und dann gibt es noch die Pup-Play-Szene, die als Ableger der schwulen Lederkultur entstanden ist und Welpenmasken aus Leder oder Neopren trägt, sonst aber oft nicht viel. Die DOG PARK DISSIDENTS kamen 2016 zusammen, als diese beiden Communities gerade begannen, sich zu vermischen. Jon und ich waren die ersten beiden Mitglieder der Band – wir hatten uns über die Furry-Community kennen gelernt. Also war es nur konsequent, etwas von dieser Pelz-Kultur in unsere Band einfließen zu lassen. Auf den Namen sind wir gekommen, weil der Name von Jons früherer Band WEIRD AT LAST eine Anspielung auf Joseph Finks Buch „Welcome to Night Vale“ ist. Während wir also so darüber nachdachten, fiel uns der Hundepark in Night Vale ein, den eigentlich niemand betreten darf. Die Dissidenten, die die Regeln brechen und trotzdem in den Hundepark gehen, das schien ein guter Name für eine linksradikale Pelz-Punk-Band zu sein, die Welpenmasken trägt.

Eure neue Platte „Pink And Black“ wurde im Sommer 2023 auf Gunner Records veröffentlicht. Wie zufrieden bist du damit und wie war das Feedback bisher?
Es ist ziemlich fantastisch. Das Material auf „Pink And Black“ besteht aus neu gemasterten, neu abgemischten und teilweise neu aufgenommenen Versionen der Songs, die wir schon seit Jahren veröffentlicht und gespielt haben. Aber es scheint, dass jeder, der ein langjähriger Fan ist, die neuen Aufnahmen sehr gut angenommen hat. Die Songs klingen so gut wie nie zuvor und es war wirklich cool zu sehen, wie viele Leute die ganze Sammlung als ein komplettes, durchgehendes Album mit einer klaren Botschaft und einem roten Faden bewerten. Es fühlt sich so an, als ob die Musikkritiker anfangen, uns als Band ernst zu nehmen, und wir bekommen Anerkennung außerhalb der kleinen Nische der queeren Szene im Underground-Punkrock. Vor sieben Jahren dachten wir, dass diese Band nur ein Hobby sein würde, weil wir über Schwulsein und radikale Linke singen, was nicht gerade eine Cashcow im Mainstream ist. Aber jetzt sind wir in der Lage, auf Tour zu gehen und die Säle in kleinen Städten zu füllen. Das ist absolut surreal.

Und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Say-10 und Gunner Records?
In dem vielleicht einzigen Fall, in dem Spotify tatsächlich etwas Gutes für unabhängige Musiker tut, haben wir eine andere queere Band namens SARAH AND THE SAFE WORD kennen gelernt, weil wir auf der „Fans also like“-Liste des jeweils anderen standen. Wir tourten zusammen, und dann brachten sie uns mit Say-10 für die Queer-Punk-Compilation „Never Erased“ zusammen, die 2022 erschien. Wir schrieben und nahmen einen neuen Originaltitel für diese Platte auf, „S*xual“, der nicht auf „Pink And Black“ zu finden ist, und verstanden uns so gut mit Adam Gecking von Say-10, dass er uns unter Vertrag nahm, um eine remasterte Version aller unserer zuvor veröffentlichten EPs auf Vinyl herauszubringen.

Lass uns über eure Texte sprechen. Was inspiriert euch thematisch am meisten und inwieweit hat die gegenwärtige politische und soziale Situation in den USA einen Einfluss auf eure Songs?
Wir haben so gut wie alle Texte während der Trump-Ära verfasst und es gibt ein paar Songs, die Zac sogar noch früher in den Obama-Jahren geschrieben hat. Insofern handelt „Pink And Black“ definitiv von viel längerfristigen politischen und sozialen Trends. Einige unserer Songs wie „Queer as in fuck you“, „Rainbow drones“ und „Class struggle“ befassen sich ganz offen mit Pinkwashing, Kapitalismus, Militarismus und der Polizei. „Bad dog“ und „Rev your motor“ sind eher metaphorische Revolutionshymnen. Natürlich ist „Host“ ein politisches Liebeslied, aber wir würden sogar sagen, dass „Someone else“ und „Good boy“ politische Statements sind, weil es Pop-Punk-Songs über sehr, sehr untypische queere Beziehungen sind. Es ist ein politisches Statement, eine polyamore Beziehung oder eine gesunde queere Dom/Sub-Beziehung als etwas Selbstverständliches darzustellen, über das man ein poppiges Liebeslied schreiben kann, ohne sich dafür zu entschuldigen. „Refugees“ ist wahrscheinlich der aktuellste Track, weil er viele ganz akute Bedrohungen der queeren Existenz anspricht, insbesondere die Trump-Regierung, die versuchte, die Existenz von Trans-Personen in der Politik buchstäblich zu leugnen. Aber leider ist das auch nichts wirklich Neues. Der offenkundige Faschismus, den wir mit Trump erlebten, hatte sich bereits in dem Versagen des liberalen Milieus zusammengebraut, die Befreiung von Menschen wirklich zu Ende zu führen. Deshalb haben wir diesen Track ganz ans Ende des Albums gesetzt, weil alles davor – der politische Kampf, der trotzige Ausdruck von Liebe – genau dahin führt.

Nun sind Weltraum-Themen ja definitiv ein Ding im Punkrock, aber ich habe noch nie einen Song über kosmische BDSM-Kreuzfahrten gehört. Was verbirgt sich dahinter und wo können wir Tickets dafür bekommen?
Im Jahr 2014 gab es eine kurze Ära des Tumblr-Diskurses darüber, ob der Begriff „trans“ inklusiv genug sei und ob wir vielleicht, um nicht-binäre Menschen oder andere geschlechtsuntypische Menschen einzuschließen, „trans*“ sagen sollten, was als „trans star“ ausgesprochen wurde. Anstatt also einen sinnvollen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten, habe ich einfach angefangen, frei zu assoziieren und da lag das Thema Weltraum förmlich auf der Hand. Und jetzt haben wir einen Song darüber. Die Tickets werden automatisch als Trostpreise an jeden ausgegeben, der das gesetzliche Geschlecht in seinem Pass auf X ändert und dann unweigerlich an der ersten Grenze, die er zu überqueren versucht, aufgehalten wird.

Wie hat sich deiner Meinung nach die Queer-Punk-Szene in den USA im Laufe der letzten Jahre verändert? Und was sind deine Lieblingsbands?
Ich habe das Gefühl, dass der Queer-Punk in den letzten Jahren immer größer wurde. In den Neunzigern gab es eine große Welle von Queercore-Bands, allen voran PANSY DIVISION, aber dazwischen gab es nicht viel. Mitte der Nuller war Emo absolut queer kodiert – MY CHEMICAL ROMANCE, FALL OUT BOY, PANIC! AT THE DISCO sind im Grunde für die Schwulen der Millennials das, was Showtunes in Musicals für die Boomer und die Gen X waren. Was explizit queere Bands angeht, gab es zu dieser Zeit vor allem THE CLIKS aus Toronto. Aber jetzt explodiert es definitiv. Es ist erstaunlich zu sehen, dass sich verschlossene Punk-Veteranen immer mehr trauen, sich zu outen. Das gilt natürlich für Laura Jane Grace, aber auch für THE IRON ROSES, deren Frontmann Nathan Gray ja ebenfalls bei BOYSETSFIRE singt. Es ist nicht schwer, neue Bands zu finden, die nie das Bedürfnis hatten, etwas anderes als queer und offen zu sein: THE MUSLIMS sind unnachgiebig und treten absolut in den Arsch; MEET ME AT THE ALTAR sind wie lesbische BLINK-182 und liefern eine unglaubliche Live-Show; Jhariah ist dieses unglaubliche Kraftwerk des Pop-Punk, gefiltert durch die zweite Ankunft von Freddie Mercury. Wir haben unsere Gitarristin Skylar rekrutiert, nachdem wir gehört hatten, dass sie bei einer anderen Queer-Punk-Band namens ATOMIC BROAD spielt. Das ist eine unglaubliche, von AGAINST ME! beeinflusste Blues-Punk-Band, die dringend mehr Aufmerksamkeit braucht, und wir würden sofort mit ihnen auf Tour gehen, nur dass wir Skylar nicht am Ende jeder Nacht völlig erschöpft sehen wollen. Aber die Tatsache, dass wir es geschafft haben, mit 15 anderen unglaublichen Queer-Punk-Bands auf eine Compilation zu kommen, zeigt, wie lebendig die Szene geworden ist. MIDDLE-AGED QUEERS waren besonders cool zu uns und sie sind definitiv ein Highlight auf dieser Platte. Wir müssen auch Dog Weekend , ehemals Trent Rush, erwähnen, unseren Kollegen mit dem Hundenamen, mit dem wir im letzten Sommer auf Tour waren. Klanglich ist er eher dem Indierock-Genre zuzuordnen als dem, was man normalerweise als Punk bezeichnen würde, aber er ist verdammt talentiert, also müssen wir ihn auch erwähnen. Bitte hört ihn euch an. Er ist schwul wie Hölle.

Punk steht ja einerseits für Offenheit und Akzeptanz, andererseits findet sich aber auch noch viel toxische Männlichkeit und Ignoranz in der Szene. Wie erlebt ihr das es als queere Punkband?
Wir haben zum Glück noch keine ernsthaften homophoben Reaktionen aus der Punk-Community mitbekommen, abgesehen von ein oder zwei blutarmen YouTube-Kommentaren. Wir haben schon viele Konzerte mit Bands gespielt, die nicht so offenkundig queer sind und haben nichts als Unterstützung und Respekt bekommen. Diese toxischen männlichen und bigotten Unterströmungen existieren offensichtlich immer noch in der Punk-Szene, aber zumindest in den USA scheinen sie gelernt zu haben, die Klappe zu halten.

Zu guter Letzt: Wie sehen eure Zukunftspläne aus und kommt ihr auch nach Europa auf Tour?
Wir sind gerade dabei, unser zweites Album fertigzustellen – ein ambitioniertes Konzeptalbum, das wir mit einem begleitenden Comicbuch herausbringen. Wir experimentieren auf dieser neuen Platte mit Ska, Metal und einigem seltsamen progressiven Zeugs. Es ist ein bisschen wie eine wilde Variation von dem, was wir auf „The Pink And Black Album“ gemacht haben, aber wir denken, jeder wird es lieben. Wir buchen für 2024 eine große Nordamerikatour zusammen, um die Veröffentlichung des Albums zu feiern und haben auch Europa im Blick. Es ist eher eine Frage des Budgets und der richtigen Booking-Agentur. Aber wir wissen, dass die Leute in Europa und insbesondere in Deutschland nach uns lechzen, also wollen wir so bald wie möglich zu euch kommen.