DIVINE SENTENCE

Foto© by Marvin Krampe

Female-fronted is not a genre

DIVINE SENTENCE sind eine beeindruckende junge Metalcore-Band aus Zürich, die permanent im Ausland unterwegs ist. Gerade erschien ihr Debüt „Demo“ als Tape. Vor einem Konzert in Nürnberg sprach ich mit Sängerin Sofia, unter anderem über den Krieg Russlands gegen die Ukraine, da sie wegen viel Verwandtschaft dort indirekt selbst betroffen ist.

Seit wann gibt eure Band?

Wir sind Ende 2021 zusammengekommen, richtig angefangen haben wir dann Anfang 2022.

Seid ihr in der Schweiz eine größere Nummer?
Rein zahlenmäßig gibt es außerhalb der Schweiz viel mehr Leute, die uns hören, zum Beispiel in Deutschland oder Frankreich. Wir sind da schon sehr gut connectet. Eine große Band sind wir nicht, aber wenn ich mir ansehe, was wir geliefert haben, sind wir auf einem guten Weg, eine gute Band zu werden.

Auf eurer Bandcamp-Seite steht „female-fronted is not a genre“. Ich kenne eine Hardcore-Band, die eine Sängerin haben und das ganz bewusst als Slogan einsetzen und beispielsweise auf Shirts drucken. Wie siehst du das?
Es macht einen Unterschied, ob man sagt, dass man eine Female-fronted Band ist oder dass es ein solches Genre gibt. Wenn die mit dem Image etwas erreichen wollen, ist es gut für die. Für mich ist es allerdings egal, da man ja sieht, dass ich eine Frau bin, wenn man dann ins Detail gehen will, kann man ja noch fragen. Vor einigen Jahren gab es zunehmend Frauen und non-binäre und Transpersonen, die in Bands gesungen haben, und daraus wurde ein Genre kreiert. Damals war ich noch in keiner Band, es hat mich aber schon da gestört. Es darf überhaupt keine Rolle spielen, denn die Art von Musik, die man macht, bezieht sich nicht auf die Art von Mensch, die jetzt singt. Wir machen Vegan-Metalcore oder was auch immer – und für uns spielt es keine Rolle, ob ich jetzt ein Mann, eine Cis-Frau, schwarz oder weiß bin. Ja, wir haben eine Frau, wir haben eine non-binäre Person und zwei Dudes – und es funktioniert einfach.

Du kommst ja viel rum, wie „mackerhaft“ ist die Szene aus deiner Sicht? Auf einem Hardcore-Konzert, auf dem ich war, war der Gitarrist der Band total überrascht, dass er sein T-Shirt wieder anziehen musste, und hat daraufhin gesagt, er habe ganz vergessen, dass er in Deutschland sei.
Es ist in der letzten Zeit etwas rumgegangen, dass „Macker“ ihre Plätze einnehmen, was aber doch immer schon der Fall war. Ein großer Teil der Szene ist halt von Männern dominiert. Ich denke, in der letzten Zeit ist es etwas weniger geworden, das Verhalten von Einzelnen, sei es in Bands oder von Leuten, die das Konzert ansehen wollen, ist immer noch da. Auf Konzerten, die ich mir zum Beispiel im UK angesehen habe, gab es immer noch Typen, die ihre Shirts ausgezogen haben und dann beim Moshen gegen andere Leute geklatscht sind, was ziemlich eklig ist. Außerdem ist es einfach ein bisschen unfair – als Frau kann ich nicht oben ohne rumlaufen, ohne sexualisiert zu werden. Solange das noch so ist, soll man es als Mann auch nicht tun, meiner Meinung nach.

Fast jede Band wird irgendwann softer oder zumindest eingängiger. Wo geht eure Reise hin?
Soft zu werden ist ja nicht der Sinn dahinter, weil wir eine vegane Band sind und da wird man ja militanter, was auch heißt, der Sound wird härter ... Wir machen einfach, was uns gefällt, ob das Metalcore ist oder nicht, darüber kann man sich streiten, es ist aber einfach ein geiler Sound – veganer geiler Sound, haha.

Wieso wird man aber militanter?
Wenn man unsere Texte übersetzt, sind sie schon sehr krass. Ich will aber meine Gedanken und Emotionen in Bezug auf Veganismus und Feminismus noch direkter äußern und ich glaube, das kommt dann noch etwas militanter rüber.

Weil du dich besser ausdrücken kannst oder weil dich selbst immer mehr ankotzt?
Als Straight-Edge-Person wird mich natürlich immer etwas ankotzen. Im Kreise von „Normalos“ werde ich wohl schon deshalb als militant gelten, weil ich vegan bin und dazu dann noch links und auch nichts trinke.

Im Song „Armed conflict“ behandelst du den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Du singst, dass bis jetzt kein Krieg Frieden gebracht hätte und er stoppen muss. In Deutschland gibt es Menschen mit der Idee, keine Waffen an die Ukraine zu liefern, denn dann würde der Krieg aufhören. Ist das für dich eine Option?
Für das alles gibt es keine einfache Antwort. Ginge so etwas generell? Nein, es werden immer Waffen irgendwohin geliefert werden. Wenn man es durchziehen könnte, Russland Waffen wegzunehmen und dementsprechend die Ukraine auch keine hätte, wäre es eine Option. Dann gäbe es dann statt der Panzer schlicht die Fäuste. Nur mache ich mir diese Gedanken nicht, weil so etwas niemals passieren wird. Was ja auch die Schweiz gezeigt hat, die im Zweiten Weltkrieg neutral war – und einfach allen Waffen geliefert hat.

Und jetzt generell auf die Ukraine bezogen?
Nein, die Ukraine hat ja gar keine andere Möglichkeit, als sich Waffen liefern zu lassen, da Russland einfach so wahnsinnig groß ist und so viele Waffen hat – und so ein viel größeres Problem darstellt. Ich bin nicht groß im Politik-Game. Ich kenne es einfach nur, weil ich in dieser Zeit aufgewachsen bin zwischen Russland und der Ukraine, wo immer so ein Fight war, ob er jetzt eskaliert ist oder nicht. Er war immer da und immer unangenehm.

Inwiefern?
Ich wurde im Jahr 2000 geboren. Als ich aufgewachsen bin, war das Thema immer da. Generell war der uralte Krieg ja beendet, eigentlich aber nicht, weil es immer indirekt weiterging. Es wurde dauernd im russischen Fernsehen gezeigt – als Russland die Krim „wieder zu sich genommen“ hat, wurde das total abgefeiert. Nur gab es ja Gründe, warum das nicht zu Russland gehört hat, und man sollte sich nie nehmen, was einem nicht gehört, und besonders, wenn es Menschen, Länder, Häuser und all das sind. Russland denkt das aber, weil es so groß ist. Und das verfolgt mich, seit ich klein bin.

Warum?
Ich habe auf allen Seiten ein bisschen Familie, meine Mutter ist in Kasachstan geboren, sie hat einen russischen Pass, ich auch. Wir haben in der Ukraine Verwandte, in Weißrussland, haben in Polen Familie, in Deutschland und vielen Gebieten Russlands, auch in Sibirien. Deshalb ist es für mich so komisch, dass solche Kriege überhaupt stattfinden. Als das alles mal ein Land war, war da ja auch nicht alles gut – die Menschen, die in den ganzen Ländern leben, haben nicht alle Beef miteinander. Es ist einfach traurig, weil ich überall Familie habe und es mir generell egal ist, woher die kommen oder wo sie wohnen. Wir reden alle russisch, wir haben eine gute Zeit, wenn wir uns sehen, und das ist doch das Einzige, was zählt. Es sind Menschen in verschiedenen Ländern – die können miteinander leben und auskommen und dieser Krieg wird geführt wegen gar nichts. Putin macht einen auf „Ich kann mir jetzt alles einnehmen, was ich will, und ob dabei Leute sterben, ist mir egal“. Viele Russen sind halt blind und folgen dem. Meine Mutter ist total Putin-begeistert. Ich war es mal beziehungsweise fand diese ganzen Memes mit ihm immer witzig und habe dann gemerkt, dass das eigentlich gar nicht witzig ist. Jetzt kursieren auf TikTok und Instagram Videos, wo er ein Hündchen hält – außerdem habe er ja Kinder und da müsse er ein guter Mensch sein. Nein danke – das Praising von Putin ist wirklich ein Problem. Außerdem dürfen die Menschen in Russland nichts gegen den Krieg sagen. Die, die es dennoch machen, kommen dann vielleicht in den Knast oder werden getötet. Ich weiß nicht, wie meine ganze Familie so tickt, ob sie alle Putin abfeiern oder nicht, und ich habe momentan echt Angst, weil ich nicht weiß, ob sie etwas sagen. Ich habe momentan überhaupt keinen Kontakt zu niemandem dort, weil es nicht mehr funktioniert.

Wie geht es bei DIVINE SENTENCE weiter? Kommt ein Album oder wird es bei euch eher so ein „Spotify-Singles“-Ding?
Es ist keines geplant, es wäre aber bestimmt mal cool, wer will das nicht? Wir haben konkret einen Split-Release in Planung, das „Demo“-Tape ist gerade rausgekommen und wir können dann eine EP machen. Weiter haben wir noch nicht gedacht.

Warum habt ihr die jetzige Veröffentlichung „Demo“ genannt? Die ist viel zu gut und zu professionell für das, was man von einem „Demo“ erwartet.
Ja, das verstehe ich schon, das liegt aber wahrscheinlich daran, dass wir keine Punk- oder Hardcore-Band sind, vielleicht klingt es im Metalcore einfach professioneller. Das ist basically alles DIY. Ich nehme das jetzt als Kompliment, das Feedback bekommen wir öfter. Wir wollten einfach was rausbringen und die Möglichkeit mit den MCs kam aus heiterem Himmel. Dadurch haben wir total viele Kontakte bekommen.