DISTØT

Foto

Die Vorsilbenband

Diese recht neue Band aus Braunschweig bezeichnet ihre Musik als „Female-fronted Krachpunk“. Aber wenn schon ein „Dis“ im Bandnamen steht, dann kriegt man das auch zu hören. Als das D-Beat-Hardcore-Punk-Gewitter über mich hereinbrach, brachte es alles, was sich an Weichteilen zwischen meinen beiden Ohren befindet, heftigst in Wallung! So liebe ich Hardcore-Punk! Die dazugehörigen Texte von Songs wie „Pflicht“, „Ziel Mensch“, „Freier Fall“ oder „Paradox“ zeigen, was die Band vom Leben in unserer aktuellen Gesellschaft hält: nämlich nichts! Die Band ist total DIY und lebt das auch. Auf der Bühne als auch sonst treten sie als Einheit auf, daher gibt es die Antworten nur von der gesamten Band. DISTØT sind Wörn, Kramer, Kruse und Sängerin Em-Jott.

Wie kam es dazu, dass sich DISTØT gegründet haben? Gab es da irgendwelche Vorgängerbands, wo ihr aktiv wart?

Eigentlich ist DISTØT aus einem Zwei-Mann-Nebenprojekt von Wörn und Kramer entstanden, die hauptamtlich bei DUEKER spielen. Irgendwann ist noch Kruse, ebenfalls von DUEKER, besoffen auf einer Party kurzerhand dazugestoßen. Mit Gitarre klingt es eben einfach immer besser. Und Em-Jott haben wir im Zustand gesteigerter Lebensfreude auf dem Refuse Open Air in Peine gezwungen, bei uns mitzumachen. Es gab auch schon noch einige weitere Bands, in denen wir zuvor gespielt haben, aber das sind alles auch uralte Geschichten. Kruse war auch „die verdiente Gitarre des Volkes“ bei VODKA AND THE BLACKOUTS, deren Name natürlich Programm war.

Was muss man sich vorstellen, wenn es um die Bedeutung eures Bandnamens DISTØT geht?
Nichts. Es ging darum, das „Dis“ der Dis-Bands sowie Rockdöts, den Heavy-Metal-Umlaut, in einem Bandnamen unterzukriegen. Aus den Rockdöts wurde dann eben ein Schrägstrich. Sonderlich positiv sollte der Name natürlich auch nicht klingen.

Passend zum „Dis“ im Bandnamen weist eure Musik eine deutliche D-Beat-Kante auf. Wie seht ihr eure Musik selbst?
D-Beat fetzt! Wir machen stilistisch aber das, was wir wollen, und das, was wir hören – und beschränken uns nicht auf eine Stilrichtung. Wir spielen das, was wir irgendwie hinkriegen.

Was bei DISTØT auffällig ist, ist der klare Gesang von Sängerin Em-Jott, während andere bei Bands eures musikalischen Schweregrads vermutlich eher schreien oder gar einen Stimmverzerrer nutzen würden. Dadurch sind eure Texte aber wie bei Deutschpunk-Bands klar und deutlich verständlich. War das so beabsichtigt oder wie hat sich das entwickelt?
Em-Jott sammelt bei uns ihre erste Gesangserfahrung. Sie kann es einfach noch nicht anders. Anfangs hatte Kruse schon noch die leise Hoffnung auf derbes Gekreische, weil nun ja ... das muss halt so. Und er hört so was ganz besonders gerne. Vor der eigentlichen Aufnahmesession hat er mal testweise einen Song mit Em-Jotts Gesang auf Festplatte eingefangen und es klang einfach sexy. Ey, Punk kann und muss auch mal sexy sein, nicht immer so kauzig und miesepetrig. Und verständliche Texte ersparen Textblätter – „nachhaltig“ wäre jetzt so ein passendes Modewort dafür. Textblätter liest doch sowieso niemand. Also hinhören und mitgrölen!

Was stimmt bei uns in der Gesellschaft und Politik nicht? Wie könnt ihr eure Wut so kanalisieren, um sie passend auf das Textblatt zu bringen? Was ist euch bei euren Texten wichtig?
Jede Generation hat ihre Probleme, Konflikte und Auseinandersetzungen ... und es ist wichtig, seinen Unmut zu verlautbaren und herauszuschreien. Wir versuchen, die uns bewegenden Probleme aus einer übergeordneten Position zu sichten, sie zu formulieren und in Liedform zu verarbeiten. Natürlich ist vieles von dem, was man besingt und anprangert, schon vielfach zuvor gesagt worden, denn es sind leider immer wieder die gleichen Probleme, die der Faktor Mensch mit sich bringt.

Ihr habt ein Album voller Songs aufgenommen, die mich absolut begeistern. Sollte das nicht ursprünglich auf Vinyl erscheinen?
Das war tatsächlich mal im Gespräch. Es wäre auch ziemlich toll gewesen, aber am Ende wurde leider doch nichts draus. Zu Beginn der Aufnahmen war das aber noch kein Thema. Wir wollten einfach alles, was wir hatten, mal schick aufnehmen. Und kosten soll so was ja auch möglichst nichts. Deshalb wurde Kruse auch nur mit dem Spaß an der Sache entlohnt, haha. Gerade wenn eine Band noch frisch und unverbraucht an den Start geht, will sie auch möglichst bald mal hören, wie sie selbst so klingt und schnell mal was einspielen.

Sind die Songs bereits woanders erschienen? Habt ihr was in Eigenregie unternommen?
Das ganze Album ist in Eigenregie bei uns im Übungsraum entstanden und aufgenommen worden. Kruse hat sich über die Jahre das Aufnehmen beigebogen. Aber selbst in der Band zu spielen, die man gerade aufnimmt, ist schon eine Herausforderung. Schon ätzend, wenn man beim späteren Abmischen Fehler in seinen eigenen Gitarrenspuren hört. Aber super, um genau diese Stellen auszubessern oder anzufetten. Und hinterher zu sagen: Alles live in einem Rutsch aufgenommen! Was wir bis auf den Gesang aber tatsächlich auch gemacht haben. Das Schifferklavier im letzten Song wurde freundlicherweise von Wörns Freundin Biene eingespielt, die die einzige echte Künstlerin bei dieser Produktion war. Abmischen und Mastern passierte natürlich auch DIY. Gerade für Leute wie uns, die ein richtiges Tonstudio noch nie von innen gesehen haben, ist im eigenen Space zu arbeiten das Allerbeste. Da kann auch mal ’ne Pulle Bier durch den Raum fliegen, ohne dass der Tonmann ausflippt. Das Digipak „Paradox“ kann man bei uns für einen schmalen Pfennig erstehen oder sich gratis auf Bandcamp anhören.

Corona hat bei den meisten Bands tiefe Spuren hinterlassen. Was hat das mit euch gemacht, wie sieht es bei euch aus?
Babypausen- und Corona-bedingt haben wir es leider bisher noch immer nicht wirklich geschafft, wieder in unseren gewohnten Proberhythmus zurückzufinden. Aber wir sind alle optimistisch. Fuck you, Corona!

Em-Jott, als Sängerin von DISTØT stehst du auf der Bühne immer ganz vorne. Im Rahmen der aktuellen #PunkToo-Bewegung wurde eine notwendige Diskussion zur Klärung der Position der Frauen als auch zum Umgang mit Frauen beziehungsweise deren Gleichstellung in vielen Bereichen der Punkrock-Szene eingeleitet. Was hältst du in dieser Diskussion für wichtig? Worauf ist zu achten, damit es vorangeht?
Als Band stehen wir immer als Einheit auf der Bühne. Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst, den Umgang miteinander, und sind immer versucht, alle Menschen so zu behandeln, wie wir behandelt werden wollen. Gleichberechtigung ist medial omnipräsent, und das ist auch gut so. Es tut sich was. Und natürlich muss man auch seine eigene Szene reflektieren und gegebenenfalls bereit sein, etwas zu ändern.

Wie sieht es in eurer Heimatstadt aus? Was hat Braunschweig zu bieten, wenn es um Bands und den Untergrund geht?
Braunschweig hat tatsächlich sehr viel zu bieten. Es gibt eine Vielzahl toller Bands, die nicht müde werden, laut gegen das anzugehen, was sie stört. Dazu haben wir neben altbekannten Institutionen, um nur ein Beispiel zu nennen, die Klaue. Eine kleine Kaschemme, die sich klar positioniert und in der vor Corona immer wieder tolle Bands gespielt haben. Auch vom Plattenteller kommt da nur der heißeste Scheiß! Die Klaue hat durch Corona hart gelitten, falls jemand helfen will: save-the-klaue.de – lohnt sich!

Wie sieht eure Planung für die Zukunft aus?
Erst mal gucken, dann sehen wir weiter!