Pünktlich zum einundzwanzigeinhalbkommafünften Dienstjubiläum melden sich die DIMPLE MINDS zurück mit dem neuen Album "Toleranz ist heilbar" auf dem Weserlabel. Ein Rezeptalbum um Krankengeschichten und kranke Geschichten. Das Interview mit Sänger Ladde fand gepflegt in der Kneipe Litfass in Bremen statt.
Ladde, glatte fünf Jahre nichts mehr von euch gehört, warum lagen DIMPLE MINDS so lange sprichwörtlich auf Eis? Obwohl, live wart ihr ab und an präsent.
Wir hatten 2002 das Album "Prollsport" ausführlich betourt, dann war dieser Werder-Auftritt - Meisterschaft und Pokalfeier Werder Bremen 2004 - und wir hatten an dem neuen Material für die neue Platte seitlich/nebenbei schon ziemlich lange an den Stücken gearbeitet. Dazwischen kam noch diese Jägermeister-Rockliga, wo wir leider und unrühmlicher Weise nur den dritten oder vierten Platz gemacht hatten. Obwohl wir noch zur Halbzeit führten ... Und auch das war noch im Jahre 2004, und da haben wir schon angefangen, wie bereits erzählt, die neuen Stücke fertig zu schreiben und sind alle ins Studio gegangen. Wir hatten noch nebenbei einen Schlagzeugerwechsel, also Olli spielt nicht mehr bei uns, dafür kam Steff. Mit dem haben wir auch die Platte aufgenommen, denn der hat auch ein ziemlich gutes Studio. Es hat sich einfach wirklich alles so ergeben.
Weshalb der Wechsel zum berühmt-berüchtigten Fabsi-Weserlabel?
Die letzte Platte "Prollsport" lief bei SPV nicht so richtig klasse, keine Werbung etc. Dann lief das alles über unseren Booker Gero Koopmann und irgendwie hat Gero alles erneut eingefädelt, dann lief das wieder über SPV, die wollten uns aber nicht mehr haben ... Unser Masterplan war es, diese Jägermeister-Tour zu gewinnen, um das gewonnene Geld direkt in Steffs Studio zu investieren; 15.000 Euro für den ersten Platz. Und wir waren eine Zeitlang auf dem ersten Platz ... Das Geld wäre "rückwirkend" für die Vorproduktion bei Steff gelandet. Und Steff wäre mit seinem Studio fein raus gewesen. Okay, mit der Liga hatten wir uns ein Scheißresultat eingefangen, wir sind da letztendlich abgerutscht. Letztendlich haben wir dann die letzten Konzertgagen in die Produktion reingeknallt und wollten uns dann mit dem fertigen Resultat bei Plattenfirmen bewerben, und sozusagen alles am Stück verkaufen. Sprich: mit Coverartwork, Musik, mit allem, was dazugehört. Und irgendwie ist das alles nicht gut gegangen, wir hatten keinen "Manager" und wir selbst sind mittlerweile alle ziemlich lahmarschig geworden. Es ist alles nicht richtig in die Gänge gekommen, und letztendlich haben wir dem Nächstmöglichen ins Auge geguckt: Fabsi und das Weserlabel. Wir wohnen nur ein paar Kilometer auseinander, Fabsi hat über 20 Jahre Erfahrung und ja noch ein paar andere Sachen am Start. Er weiß, wovon er spricht. Dann gab es noch Diskussionen, wie alles vergütet wird, Kleinigkeiten, und ich kenne mich da auch nicht aus, ich bin in der Band auch nicht dafür zuständig. Auf jedem Fall ging es um vertragliche Geschichten. Wir konnten uns mit Fabsi beim ersten Gespräch nicht einigen, aber dann hat Gero auf den Tisch gehauen: "Hey Leute, macht euch nicht alle gegenseitig zum Affen!" Und dann ging alles ziemlich schnell, mit der Lösung waren wir zusammen einverstanden, und sind bis heute drüber sehr glücklich beim Weserlabel zu sein. Na klar, wenn man sich so jahrelang kennt, ist es vielleicht irgendwie doch noch eine ganz andere Sache, gerade mit Verträgen unter Freunden. Jedoch genießt Fabsi das vollste Vertrauen und es gibt bis jetzt keinen Grund zur Beschwerde.
Was ich bis heute nicht nachvollziehen kann, ist, dass viele euch in eine Spaßecke stecken, die meines Erachtens nicht berechtigt ist. Ihr hattet ja nicht nur Fun-Texte, sondern auch heftige sozialkritische Songs wie "Hausfrau". Es gibt so viele deutschsprachige Bandgrößen, die textlich und technisch rein gar nichts auf der Pfanne haben, und sie werden trotzdem in den Medien und überall hochgejubelt. Ist das Intoleranz, Neid?
Eigentlich möchte ich mich nicht über andere Bands äußern. In der allgemeinen Wahrnehmung werden wir immer noch an Sachen wie "Blau aufn Bau" gemessen. Abgesehen davon ist "Hausfrau" alles andere als sozialkritisch, sondern übelster Chauvinismus, haha ... Wir haben uns früher über alles und jeden, besonders über uns selbst lustig gemacht, wir haben uns nie so für voll genommen, wie manche Leute es gerne hätten. Es war Fun, es ging bestimmt auch oft unter die Gürtellinie. Zugegebenermaßen ist es auch auf der neuen Platte so und wir wollen auch nicht von weg. Und 1996 hatten wir das Album "Maximum Debilum" gemacht, das dann eher pessimistisch und persönlich war, aber auch nicht sozialkritisch. Und ich weiß, dass viele Fans da überhaupt nicht drauf klargekommen sind. Dann haben wir mit "Prollsport" 2002 versucht, einen halben Schritt zurückzugehen, um einen vorwärts zu kommen. Und jetzt ist es halt eine gesunde Mischung, wir sind keine gesellschaftskritische Band, sondern betrachten nach wie vor die Gesellschaft und das Leben an sich mit viel Zynismus. Eine Hälfte der Texte befasst sich wieder einmal mit den Bitterkeiten des alltäglichen Daseins, und die andere ist, worauf man Lust hat; äääh, Fußball, Frauen, Bier, Musik und so weiter.
Eine bestimmte Zielgruppe an Hörern habt ihr irgendwie nicht, oder?
Auf jeden Fall sind wir sehr zielgruppenorientiert, wir arbeiten auf tanzende Rechtsanwälte hin, das ist ganz klar unsere favorisierte Zielgruppe. Und wenn dann auch noch ein paar Punker und ein paar Rocker kommen, dann ist das auch in Ordnung.
Was meint ihr mit dem Albumtitel "Toleranz ist heilbar", was ist der Hintergrund?
Wir hatten lange diskutiert, wie die Platte heißen soll. Wir hatten zum Beispiel auch die Idee, sie "Der Planet der Affen" zu nennen. Dann hätte es auch ein hervorragendes Titelstück gegeben, auf der anderen Seite waren nicht alle dafür und wir hatten uns selber die Köpfe heiß geredet. "Toleranz ist heilbar" war schon seit Jahren ein privater Lieblingsspruch von mir, den ich immer gebracht hab, wenn irgendwer was nicht wirklich verstanden hat und sich dann ganz mies über Sachen äußerte, die er nicht verstand, aber meinte, er müsse trotzdem seine Meinung dazu abzugeben. Dann hab ich denn immer gesagt: "Ja, labere du mal, hast eh keine Ahnung und Toleranz ist heilbar, aber sieh bloß zu!" Das war mein Spruch, ich hatte den vorgeschlagen. Und wenn man sagt "Toleranz ist heilbar", dann impliziert es ja, dass Toleranz mehr oder weniger eine Krankheit ist. Das ist das Zynische an der Sache, Toleranz sollte eigentlich selbstverständlich sein und man könnte nun auch sagen: Nun, eure Texte früher mit den teilweise schmutzigen Sachen, die ihr verbreitet habt, waren ja alles andere als tolerant. Aber egal, wir sehen alles erneut zynisch, bitter und verarschen uns damit selbst: Der Titel "Toleranz ist heilbar" fasst die ganzen Texte auf dem neuen Album ganz gut zusammen.
In das Album konnte ich bereits ausführlich reinhören. Ganz ehrlich, so ein geiles Ding hätte ich euch niemals mehr zugetraut. Sehr gut der Knaller "Klare Sicht", auch der Hit "Scheiß Tag, scheiß Staat, scheiß Welt", und natürlich "Der Planet der Affen" oder "Küsse im Film". Du bist ein echter Poet ...
Ich höre überhaupt keine deutschsprachige Musik, weiß auch nicht warum. Letztendlich möchte ich mich damit frei machen, um meine eigenen Texte zu schreiben, zum anderen stört mich häufig die deutsche Sprache. Hoffentlich machen wir das besser, obwohl ich viele Bands aus Hamburg sehr schätze, die mit Sprache umgehen können. Ich bin mittlerweile davon abgerückt zu sagen: deutsche Texte und Rockmusik lassen sich nicht gut vereinbaren. Meine einzigen Einflüsse an deutschsprachiger Musik, die bei mir zu Hause laufen, sind zum Beispiel HANSAPLAST, FEHLFARBEN oder der KFC. Ich versuche eins zu eins darzustellen, was mich bewegt. Mein Leben dreht sich nun auch mal um Alkohol, Bier und Blubb, Frauen und Fußball.
Alk und Co. - hattet ihr dadurch Klinikaufenthalte?
Dazu muss ich sagen, ich bin bekennender Soziopath, haha. Von uns war noch keiner deswegen in der Klinik; vielleicht wäre es für den einen oder so mal doch ganz gut gewesen ... Aber entgiften tue ich selbst. Ich fahre da ein zweischneidiges Programm mit tagelangem Saufen, den Kopf kaputt machen und danach eine Regenerationsphase mit Gegenmitteln, wie Baldrian und Fencheltee, Entschlackungstee. Aber nicht mit Tabletten, die es in der Klinik gibt. Ich kenne Freunde, die diesen Klinikweg gemacht hatten, es war für sie vielleicht auch notwendig. Wir bisher nicht ... äh, wie war jetzt noch die Frage?
Das neue Coverartwork finde ich richtig gut. War da wieder der Zeichner am Werke, der auch für "Erwin", euer Maskottchen, verantwortlich war?
Nee, das war diesmal nicht Andre Bolzen, der den Erwin gemalt hat. Durch unseren Schlagzeuger Steff sind wir dann an eine Grafikagentur mit Max Jähling und Eckhard Jan Sextron aus Bremen-Walle gekommen. Als "Toleranz ist heilbar" als Titel feststand, hatten wir uns gleichzeitig dazu entschieden, dass es gut wäre, vorne eine Krankenschwester drauf zu haben, und das Ganze dann so im Comic-Horror-Stil der 50er Jahre gestalten zu lassen. Nach Eingabe unseres groben Themenentwurfs hat er das dann zur vollsten Zufriedenheit umgesetzt. Und nicht nur du findest das gut, sondern es ist wohl bisher unser schönstes Cover.
Mit Erscheinen dieser Ausgabe begeben sich die DIMPLE MINDS auch auf Tour ...
Genau. Jedoch machen wir es, wie in der Vergangenheit. Wir werden keine große Tour am Stück fahren, weil unsere Erfahrungen waren, dass es irgendwie nichts bringt, zum Beispiel an einem Montagabend irgendwo aufzulaufen ... das ist Quatsch. Das bedeutet, wir werden ab Dezember und weit ins nächstes Jahr hinein unterwegs sein und verlängerte Wochenenden spielen. Und möglichst auch geografisch geschickt gesteckt.
Christoph Wenke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #75 Dezember 2007/Januar 2008 und
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #28 III 1997 und Olli Willms
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #34 I 1999 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #117 Dezember 2014/Januar 2015 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #50 März/April/Mai 2003 und Klaus N. Frick