Auf der legendären „International P.E.A.C.E. Benefit Compilation“ aus dem Jahr 1984 faszinierte seinerzeit eine japanische Band namens GISM mit dem Song „Endless blockade for pussyfooter“ weltweit Hardcore-Fans und entwickelte Kultcharakter. 2021 erschien auf Relapse Records die GISM-Werkschau „Detestation“ – und damit auf dem Label, auf dem auch DEVIL MASTER veröffentlichen. Die kommen aus Philadelphia, PA und wurden im Ox anlässlich ihres letzten Albums „Satan Spits On Children Of Light“ als „Black Punk“ beschrieben, also eine Kombination aus Black Metal und Punk, was es ziemlich exakt trifft, Man könnte auch einfach von heftigstem Geballer sprechen. Meine Fragen anlässlich des neuen Albums „Ecstasies Of Never Ending Light“ beantwortete Leadgitarre Darkest Prince of All Rebellion.
Kannst du uns bitte ein paar Infos über die Ursprünge der Band und die Ideen und das Konzept geben?
Die Band wurde ursprünglich von Rhythmusgitarrist Infernal Moonlight Apparition gegründet, um Bands wie ZOUO, MOBS und GISM zu huldigen. Allesamt japanische Hardcore-Punk-Bands der alten Schule, die eine Vorliebe für das Metallische und Dämonische hatten. Wir sind alle seit Jahren befreundet und waren enttäuscht darüber, dass es keine jungen Punkbands gab, die diesem Style huldigten, während sich alle einen auf D-Beat mit der gleichen Ästhetik, nur ohne wirklich eingängige Riffs runterholen. Die genannten Bands zeichnet ein gewisser Hang zum Theatralischen aus, und wir waren uns einig, dass wir das unbedingt übernehmen sollten .Also schlossen wir uns zu einer Band zusammen und trugen alle gleichberechtigt etwas zu den ersten Demos bei.
Ihr tragt alle einen „nom de guerre“, auch wenn eure richtigen Namen nicht schwer herauszufinden sind. Wer gehört nun 2022 zu der Band – gibt es Veränderungen?
Als die Band gegründet wurde, waren wir jahrelang nicht in sozialen Medien aktiv, bis wir bei Relapse Records unterschrieben haben. Und wir haben fast keine Interviews gegeben, so dass es keine Informationen über uns gab. Und als wir dann in das Label-PR-Geschäft involviert wurden, haben wir uns Künstlernamen zugelegt ... Wenn das hier veröffentlicht wird, werden die Leute merken, dass es Veränderungen gegeben hat. Disembody Through Unparalleled Pleasure, der ursprünglich nur unser Sänger war, hat nun zudem die Aufgabe übernommen, Bass zu spielen. Er war schon immer neben Infernal Moonlight Apparition und mir hauptsächlich für die Musik verantwortlich. Wir sind jetzt ein vierköpfiges Team zusammen mit unserem neuen Schlagzeuger, der auch die Keyboards zum Album beigesteuert hat: Festering Terror in Deepest Catacomb, den die Leute vielleicht als Chris Ulsh von POWER TRIP, MAMMOTH GRINDER, VAASKA, oder QUARANTINE kennen.
Was ist das Schöne daran, einen Künstlernamen zu haben?
Es hat etwas Befreiendes, wenn wir unsere alltägliche menschliche Haut ablegen und etwas anderes anziehen, wie in einem Theaterstück, um uns den üblichen Urteilen der Leute zu entziehen. Die Künstlernamen sind ein weiterer Ausdruck der gewünschten Theatralik. Und vergessen wir nicht, dass zu den traditionellen Anklagen gegen Hexen auch gehörte, dass sie während ihrer Initiation ihren christlichen Namen gegen einen satanischen eingetauscht hätten, was sich in magischen Schulen wie Golden Dawn oder OTO fortsetzte, wie Aleister Crowley mit seinem Pseudonym To Mega Therion oder Yeats als Daemon Est Deus Inversus.
Wurdest du christlich erzogen?
Ich bin als katholischer Messdiener im ländlichen Irland aufgewachsen, wo sogar Spielkarten verboten waren, weil sie vom Teufel selbst stammen, und auch Feen gab es an jeder Ecke. Die katholische Messe mit all ihrem heidnischen Erbe hat mir sicherlich eine Wertschätzung für Rituale und dergleichen vermittelt. Die Schulen in Nordirland sind auch nach Konfession getrennt – katholisch und protestantisch –, so dass ich meine ganze Jugend in einer katholischen Schule verbracht habe, abgesehen von einem kurzen Abstecher in eine öffentliche amerikanische Highschool. Obwohl es sicherlich ein Problem für sie war, hat meine Familie meinen Weg in den Okkultismus akzeptiert, da ich auch ihren Glauben respektiere.
Der Grund für meine Frage ist, dass eure Songtitel und -texte viele christliche Motive aufgreifen. So sehr viele von uns Religion im Allgemeinen verabscheuen, sind wir doch kulturell mit ihr verbunden, selbst wenn wir mit dem Satanismus liebäugeln.
Natürlich kann man sich dem Einfluss des jüdisch-christlichen Glaubens nicht entziehen, der der Grundstein der modernen westlichen Zivilisation ist, ganz zu schweigen von seiner heimtückischen Infiltration von Kulturen überall auf der Welt. Wir alle wurden in gewisser Weise christlich erzogen, und sei es nur als Lippenbekenntnis. Wenn ein Kind von einem Mann im Himmel mit der Verdammnis bedroht wird, ist das eine Art von Psychoterror, auch wenn es vielen vielleicht nicht bewusst ist. Und ja, natürlich ist der Satanismus eine Reaktion auf das Christentum, so sehr sich die Leute auch dagegen wehren mögen. Aber ich habe kein Problem mit dem, was ich als „kathartische Blasphemie“ betrachte, um meine christliche Erziehung zu überwinden und eine reifere spirituelle Richtung einschlagen zu können. Außerdem macht es einfach Spaß und liefert tolle Bilder!
Ihr wurdet bei verschiedenen Gelegenheiten als „Grenzgänger“ zwischen Black-Metal, Punk und Deathrock bezeichnet. Normalerweise scheinen es die meisten Bands und ein Großteil des Publikums vorzuziehen, bei einem Genre zu bleiben. Wie kam es in eurer musikalischen Sozialisation zu diesem vielfältigen Interesse?
Am Anfang haben wir japanische Hardcore-Bands wie ZOUO verehrt, die Make-up und Umhänge trugen und dämonische Motive in Songtiteln wie „Sons of Satan“ verwendeten. Das war es, was wir anstrebten, und natürlich warfen uns Black-Metal-Puristen und alle anderen vor, dass wir es wagten, Black Metal und Punk zu vermischen. Meinen Gitarrensound hatte ich schon bei CAPE OF BATS entwickelt, einer früheren Band von unserer Ex-Bassistin Spirit Mirror und mir, die bei BLANK SPELL etwas Ähnliches macht, also war es naheliegend, das in diesem Projekt aufzugreifen. Das führte auch dazu, dass wir versuchten, Deathrock-Elemente zu integrieren. Musikalisch war das erste Demo Punkrock und bei unseren Auftritten trugen wir nur etwas Make-up. Nachdem wir uns nach dem ersten Demo einig waren, dass wir diese Genres mischen wollen, beschlossen wir, aufs Ganze zu gehen. Denn diese Genres haben so viel gemeinsam, vor allem in ästhetischer Hinsicht. Nichts war erzwungen, es war ein organischer Prozess, was man schon am Stil unserer bisherigen Bands sehen kann.
Erst neulich habe ich mir die legendäre „International P.E.A.C.E. Benefit Compilation“ angehört, auf der auch GISM vertreten sind – die waren damals für viele Leute eine Offenbarung. Ihr habt mehrfach GISM als Referenz genannt und seid Labelkollegen.
Natürlich sind GISM eine der besten Bands überhaupt und einer unserer größten Einflüsse. Als ich in Irland lebte, hatte ich nie eine formale Gitarrenausbildung und brachte mir das Gitarrenspiel anhand von Alben bei, die ich liebte, indem ich sie mir anhörte und nach Gehör spielte. „Detestation“ und „M.A.N.“ von GISM waren meine beiden Lieblingsalben, mit denen ich das gemacht habe. Ja, es ist immer ein Kompliment, wenn man uns ernsthaft mit diesen Legenden vergleicht, aber ich bin eher überrascht, dass es so wenige Bands gibt, die sich von Leuten wie Randy Uchida inspirieren lassen. Wie bereits erwähnt, sind MOBS und ZOUO weitere Klassikerbands, aber es gibt so viele mehr: GHOUL, A.T. DET, LSD, METAL SKULL, SEX MESSIAH ...
Apropos Deathrock: CHRISTIAN DEATH haben in ihren frühen Jahren einige Meisterwerke geschaffen und waren irgendwann mit der frühen L.A.-Punk-Szene verbunden. Was sind deine Deathpunk-Favoriten?
„Only Theater Of Pain“ von CHRISTIAN DEATH gehörte auch zu den Platten, mit denen ich Gitarre gelernt habe, indem ich dazu gespielt habe. Ebenso die Diskografie von THE GERMS, wo du gerade die L.A.-Punk-Szene erwähnst. Alles von Rikk Agnew ist über jede Kritik erhaben, was die Ästhetik, das Spiel und den Einfluss angeht, wobei ich auch alles liebe, wo Rozz zu hören ist. Sie hatten einen so sinnlichen und doch punkigen Sound, wie ich ihn sonst nirgendwo gehört habe. SIOUXSIE AND THE BANSHEES, insbesondere ihr Album „Juju“, ist das Einzige, das dem nahekommt. Es ist fast noch düsterer und sie haben nie wieder eine solche Tiefe erreicht. SAMHAIN sind meine Lieblingsband aller Zeiten, um deine nächste Frage zu beantworten. MIGHTY SPHINCTER sind die am meisten unterschätzte Band aus dem Deathrock-Bereich, sie haben so viele musikalische und ästhetische Grenzen überschritten. Das Video zu „Ghost walking“ ist der Höhepunkt des Gothic-Stils. Meine Band CAPE OF BATS hatte vor einigen Jahren die Ehre, beim echten Vampirgrafen himself, Doug Clark, zu Gast zu sein, als er sein Goth-Meisterwerk „Bloodstained In White Lace“ veröffentlichte. Meine Favoriten in Sachen Deathpunk und einer meiner größten Einflüsse überhaupt sind CINEMA STRANGE, die trotz ihrer fragwürdigen Ästhetik eine bemerkenswerte viktorianische Atmosphäre mit dieser dreckigen Rozz-typischen Art von Spaß kombinieren.
Und Metal? Deine erste musikalische Liebe?
Da ich als Kind in Irland als Satanist aufgewachsen bin, habe ich Metal zunächst ignoriert, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, denn jeder, der ein CRADLE OF FILTH- oder SLIPKNOT-Shirt trug, wurde beleidigt ... Aber als ich mit zwölf Jahren mit einem Freund unterwegs war, hatte ich Geld genug, um mir für drei Pfund bei HMV „Reign In Blood“ von SLAYER zu kaufen, und das veränderte mein Leben, denn ich fühlte mich von ihrem übertrieben satanistischen Image extrem angezogen. Im selben Laden kaufte ich ein Buch mit Metal-Albumcovern, in dem ich norwegischen Black Metal entdeckte und die Klassiker des Heavy und Thrash Metal übersprang, der Rest ist Geschichte ... Ungefähr zur gleichen Zeit begeisterte ich mich für die Platten von Glenn Danzig, von jeher meine Favoriten über alle Genres hinweg, von Punk über Gothic bis Metal.
Unter deinem „bürgerlichen“ Namen Francis bist du auch Mitglied von INTEGRITY. Wie ist der aktuelle Status dieser Band?
Ich bin vor fünf Jahren als Live-Bassist zu INTEGRITY gestoßen, nachdem ich mich vor etlichen Jahren mit Gründungsmitglied und Sänger Dwid Hellion angefreundet hatte, aufgrund unserer gemeinsamen Vorliebe für DANZIG, LES LÉGIONS NOIRES, einer berüchtigten französischen Black-Metal-Band, und japanischem Hardcore. INTEGRITY wird es immer geben, solange Dwid lebt, oder sogar ewig, nachdem die Band in den letzten dreißig Jahren ein Dutzend verschiedene Inkarnationen erlebt hat.
Wo siehst du musikalische Parallelen zwischen DEVIL MASTER und INTEGRITY, was ist grundlegend anders?
INTEGRITY wurden bei ihren Anfängen dafür beschimpft, dass sie Metal mit Hardcore-Punk vermischten, womit sie weit über das hinausgingen, was die Basis von Bands wie CRO-MAGS darstellte. Ihre satanische Ästhetik sprengte in stilistischer Hinsicht die Norm und sie haben Hunderte von Bands beeinflusst, ganz zu schweigen von unverhohlenen Kopien respektive Hommagen. Natürlich war Dwid auch mit dafür verantwortlich, dass das Evangelium von GISM und Co. einem breiteren westlichen Publikum zugänglich gemacht wurde, zusammen mit anderen okkulten und kultischen Motiven und Ideen.
Ihr habt „Ecstasies Of Never Ending Night“ mit dem Produzenten Pete DeBoer aufgenommen. Warum habt ihr euch für ihn entschieden und was hat er aus euch herausgekitzelt, das sonst vielleicht verborgen oder unentdeckt geblieben wäre?
Wir waren gerade auf Tour als Support von OBITUARY, ABBATH und MIDNIGHT unterwegs, da sprach uns Pete an und erklärte, er sei interessiert, unsere nächste LP aufzunehmen, wann auch immer das sein würde. Einen Monat später waren wir mit HIGH ON FIRE, POWER TRIP und CREEPING DEATH in seiner Heimatstadt Denver, Colorado, wo er dies wiederholte, und wir hingen am nächsten Abend bei einer geheimen Punk-Show ab. Wir waren begeistert von seinem Enthusiasmus und zu der Zeit war gerade die „Hidden History“-LP von BLOOD INCANTATION erschienen, die überall zum Album des Jahres gekürt wurde ... da lag es auf der Hand! Es gab sonst niemanden, der uns so ein Angebot unterbreitete, und wir sind sowieso heiß darauf, neue Erfahrungen zu machen, also war das aufregend. Er nimmt hauptsächlich live und analog auf, und das wollten wir unbedingt ausprobieren, weil das unseren ohnehin archaischen Sound zur Vollendung bringen könnte. Das allein ist schon eine intime Erfahrung, bei der alle auf der gleichen Wellenlänge sein müssen, um einen Take gemeinsam live einzuspielen. So haben wir das unseren Demos im heimischen Keller gemacht, aber das jetzt passierte in einem Studio in bei uns in Philadelphia, in dem normalerweise Mariah Carey, Justin Timberlake und Lil Uzi Vert aufnehmen. Schon aufgrund der neuen Besetzung war es ein erfüllender Prozess für uns, und Pete hat, wie ich glaube, das Beste aus allen Beteiligten herausgeholt, um diese hypnotische Platte zu machen, die hoffentlich jeder hören wird.
Bei eurem Albumtitel muss ich irgendwie an die Pandemie denken und die letzten zwei Jahre, die sich für viele von uns wie eine endlose Nacht angefühlt haben.
Haha, ich würde sagen, sie haben sich wie ein „nie endender Tag“ angefühlt, die Zeit, in der geistlose Sterbliche aufblühen und uns allen, die sich lieber in der Nacht ergehen, ihren dumpfen Willen aufzwingen. Es stimmt, es war für alle ein zermürbender Prozess und es war ein apokalyptischer Moment für uns als Band, als sich einige Mitglieder von uns trennten, woraufhin wir auf die verzweifelte Idee kamen, zu Beginn der Pandemie ein Album aufzunehmen, was sich als zu überstürzt erwies. Wir haben uns durch alles durchgebissen und das Endprodukt kam schließlich unter viel besseren Umständen auf die Welt. Der Titel steht für die Freiheit und Schönheit der Nacht im Gegensatz zur Sterblichkeit des Tages, und ich bin froh, dass es zu einem Zeitpunkt erscheint, den viele als das Ende der Pandemie betrachten, so dass wir uns bald alle wieder in nächtlichen Gelagen austoben können!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #161 April/Mai 2022 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #161 April/Mai 2022 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Ollie Fröhlich
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #143 April/Mai 2019 und Jens Kirsch