Kein anderes Label wird so mit dem definitorisch schwer zu fassenden Post-Rock/Hardcore-Genre oft instrumentaler Art assoziert wie Denovali Records aus Bochum. Wer sich für düstere bis ätherische Klänge interessiert, ist schon auf die meist in aufwendigen Vinyleditionen veröffentlichten Releases gestoßen, die auch über den hauseigenen Mailorder vertrieben werden. Zudem hat Denovali mit dem immer Anfang Oktober stattfindenden Swingfest ein eigenes Festival etabliert, das jedes Jahr mehr Leute nach Essen zieht. Wir befragten Timo zu all dem.
Wer sind die Menschen hinter Denovali Records?
Die beiden Labelgründer Thomas und ich, Timo, plus diverse Freunde, die hier und da helfen, gewisse Dinge zu realisieren, die wir aufgrund des Aufwands alleine nicht schaffen würden. Dazu gehört Magnus, der sich für uns um die Pressearbeit kümmert, genauso wie alle Freunde, die alljährlich beim Denovali Swingfest viele verschiedene große und kleine Aufgaben übernehmen.
Was waren die Beweggründe zur Labelgründung?
Reines Interesse an Kunst im Allgemeinen und Musik im Speziellen. Anfangs sind wir auch eher etwas unbeholfen an die Sache herangegangen. Wir haben jeder 500 Euro in die Hand genommen, Cover selbst geschnitten, geklebt und bedruckt, 500 7“s geordert und losgelegt. Alles, was in den Folgejahren entstanden ist, könnte man bezeichnen als Resultat, sich ergebend aus viel Zeitaufwand, Arbeit, Risiko und in gewissem Maße Glück.
Wie würdest ihr euren Wandel in der Auswahl der Bands vom Beginn des Labels bis heute beschreiben?
Ein großer Unterschied zu vielen anderen Labels dürfte sein, dass wir nicht in Genregrenzen denken. Unser Musikgeschmack war auch vor der Gründung des Labels schon sehr breit gefächert, dementsprechend veröffentlichen wir heute ein Streichquartett plus Piano – LES FRAGMENTS DE LA NUIT – genauso wie eine instrumentale Metal-Band wie OMEGA MASSIF. In den Anfangszeiten sind wir, glaube ich, etwas herumgestolpert. Nach einem Jahr wussten wir dann schon eher, was uns wichtig ist, wo unsere Grenzen liegen und wie wir unseren subjektiven qualitativen Anspruch definieren.
Wie sind eure Strukturen aufgebaut, gibt es Verträge mit Bands?
Die Strukturen sind äußerst simpel. Thomas und ich machen im Arbeitsalltag alles bis auf die Pressearbeit, das macht, wie erwähnt, Magnus. Alles, was darüber hinaus geht, Ausarbeitung der Artworks mit den Künstlern, Kommunikation mit Presswerken und Vertrieben etc., wird von uns beiden erledigt. Auch den Versand übernehmen wir überwiegend selbst. Es gibt keinerlei Verträge mit den Künstlern. Wir sehen keinen Sinn darin, jemanden, der kein Interesse daran hat, mit uns zu arbeiten, langfristig an uns zu binden.
Was muss passieren, damit ihr eine Band unter Vertrag nehmt, wie sieht eure Labelpolitik aus?
Auswahlkriterium war bislang und wird auch immer der subjektive Geschmack von Thomas und mir sein. Elemente wie „verkaufbar oder nicht“, „ins Gesamtprogramm passend“, „schon Fans vorhanden“ und all der Quatsch interessiert uns nicht. Gerade in Zeiten des Internets gibt es für jedwede Art von Kunst auch Leute mit Interesse, die man irgendwie erreichen kann. Falls das nur 50 Leute weltweit sind, teilen eben nur die unser Interesse an dem jeweiligen Künstler. Zeitlosigkeit wäre immer ein Kompliment.
Trotz hochqualitativem Coverartwork und 180 g-Vinyl sind die Platten von Denovali im Plattenladen nicht überteuert. Könnt ihr vom Label leben?
Na ja, das werden andere Leute sicherlich nicht so sehen. Gerade in den Anfangsjahren – als wir vielleicht noch stärker in der D.I.Y.-Struktur verhaftet waren – gab’s hinsichtlich des Preisniveaus auch kritische Stimmen. Diese Leute haben teilweise vielleicht aber auch nicht so wirklich verstanden, was wir in Sachen Verpackung und Design so machen, und sind generell der Meinung, dass eine LP niemals mehr als 10 Euro kosten darf. Viele haben vielleicht auch einfach nicht den Einblick in die Kostenstrukturen eines Labels, um das vernünftig bewerten zu können. Nichtsdestotrotz ist unser Anspruch immer, den Hörern etwas für ihr Interesse an den Künstlern zu bieten. Und ich denke, sehr viele wissen diesen Ansatz zu schätzen. Alle anderen können sich ja gerne die Musik für wenig Geld bei uns auf der Seite oder illegal irgendwo anders herunterladen. Wir möchten niemanden belehren oder bekehren. Ob wir von dem Label leben? Laut Maik von KODIAK fahren wir beide Jaguar, haha.
Ah so, und was macht ihr sonst so?
Jaguar fahren, forschen und uns über den Zustand der Welt aufregen.
Welche Platten aus eurem Programm haben für euch einen besonderen Stellenwert – und warum?
Da muss keine herausgestellt werden. Da sie gerade aktuell sind beziehungsweise bald erscheinen werden: Das neue Album vom DALE COOPER QUARTET wird meiner Meinung nach eine der besten Platten sein, die wir je veröffentlichen werden. Auch das im Januar erscheinende PETRELS-Album fällt in die Kategorie. Hinsichtlich des Fortkommens des Labels waren sicherlich CELESTE ein elementarer Faktor.
Wo seht ihr euer Label in fünf Jahren?
Solange wir immer noch spannende neue Musik entdecken, machen wir weiter wie bisher. Die Verbindung von Musik/Sounds und Visuellem interessiert uns immer sehr – vielleicht werden wir auf dem Gebiet zukünftig noch mehr ausloten.
Mit dem Denovali Swingfest gebt ihr euren Bands die Möglichkeit, gemeinsam an einem Wochenende auf einem Festival zu spielen. Wie entstand die Idee?
Wir hatten das Swingest 2006 aus einer Laune heraus einmalig in Köln veranstaltet – mit nur 60 zahlenden Zuschauern. Mittlerweile ist die Grundidee, eine solide Anzahl an Labelkünstlern mit diversen ausgewählten Gästen an einem Wochenende im Jahr zusammenzubringen. Zum einen ist es also eine Art Familientreffen, zum anderen versuchen wir, durch die Ergänzung durch labelexterne Künstler ein für die Leute spannendes, einmaliges Programm zusammenzustellen, um vielleicht auch eine Alternative zu all den gängigen größeren Festivals zu bieten, deren Programm größtenteils aus irgendwelchem schmierigen, hippen Indie-Kram besteht.
War das diesjährige Festival ein Erfolg?
Wir sind vollkommen zufrieden. Der neue Laden in Essen, den wir hoffentlich jetzt konstant nutzen können, ist perfekt. Das Feedback der Leute war – soweit wir es ermessen können – durchgehend positiv. Aus den 60 Gästen sind mittlerweile verrückte 600 geworden. Wir sind weiterhin erstaunt, dass so viele Leute aus den verschiedensten Ländern der Welt den weiten Weg nach Essen auf sich nehmen, um sich ein doch etwas sperriges Line-up anzusehen.
Gibt es schon Pläne für das nächste Jahr?
Ja, ich denke, wir werden das Festival 2012 wieder Anfang Oktober veranstalten. Über das Line-up machen wir uns in den nächsten Wochen Gedanken.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #99 Dezember 2011/Januar 2012 und Matthias Lehrack & Joachim Hiller