Ein weiterer Solokünstler aus den USA, der seine Band verlassen hat, um schnell berühmt zu werden, denken jetzt wohl einige. Doch Denison Witmer ist anders. Er hatte nie wirklich eine Band. In Wirklichkeit ist er auch kein Singer/Songwriter, sondern nimmt das, was er zu sagen hat, anstatt es in sein Tagebuch zu schreiben, eben einfach auf Platte auf. Hörbücher sozusagen.Denn die Songtexte sind laut Denison bei weitem der wichtigste Teil seiner Musik. Natürlich ist auch die Musik sehr wichtig, doch können schlechte Lyrics gute Musik kaputt machen. Und da seine Musik sehr einfach und simpel geschrieben ist, sind die Texte der Teil, von dem sich die Menschen anscheinend am meisten angesprochen fühlen.
„Sie sind die eine Sache, mit der ich die Zuhörer erreichen kann“, erzählt er.
„Und da ich das weiß, ist es am schwierigsten, die Texte fertig zu stellen. Wenn ich an die Zeit, in der ich anfing, Musik zu schreiben, zurückdenke, merke ich, dass ich niemals viel Zeit darauf verwendet habe.“
Er schrieb einfach über Dinge, die ihn beschäftigten, und dachte niemals zweimal über das nach, was er da schrieb: „Es ist etwas sehr Befreiendes und Einfaches an dieser Art zu schreiben. Doch habe ich mit jeder weiteren Platte immer mehr herausgefunden, dass es mir mental unmöglich ist, dies weiterhin zu tun. Je älter ich werde, desto mehr habe ich das Gefühl, dass ich immer mehr Entscheidungen in meinem Leben bedachter treffe. Und dies zeigt sich in meinem Songwriting dadurch, dass ich alles, was ich tue, in Frage stelle, und dass ich immer höhere Ansprüche an mich selber habe. Jedes Mal will ich etwas besser ausdrücken oder anders als zuvor. Ich will mich selbst herausfordern, um mich als Mensch weiterzuentwickeln“, erklärt er den Prozess des Lyrics-Schreibens.
Gerade arbeitet er an den Songtexten für seine neueste Platte: Zuerst schreibt er auf, was ihm gerade in den Sinn kommt, ohne darüber nachzudenken, wie es sich anhören wird oder ob es gut ist. Und dann kommt er wieder und wieder darauf zurück. Er ändert Wörter, schreibt Textzeilen um, und findet Wege, Dinge aussagekräftiger auszudrücken.
„Dies ist eine Mischung aus meiner früheren Weise zu schreiben und meiner heutigen selbstkritischen Art. Ich denke, dass es wichtig ist, sich etwas von der Unschuld zu erhalten, die man hatte, als man anfing. Damit man nicht zu verbissen wird oder sich zu gewollt anhört.“
Dass er so viel Wert auf seine Lyrics legt, liegt wohl auch daran, dass er selber gerne liest, obwohl er nie auf ein College ging.
„Manchmal bemerke ich, dass mir Wissen fehlt, das meine Freunde haben. Dann lese ich Biographien oder Geschichtsbücher. Wenn ich unterhalten werden will oder mir ein Autor empfohlen wurde, dann lese ich Fiktion.“
Er selber sei nicht gut darin, Fiktion zu schreiben, meint er. Deshalb hat er sich seine Inspiration schon immer aus persönlichen Erfahrungen mit echten Menschen geholt.
„Manchmal ändere ich aber eine Situation etwas ab, oder bringe verschiedene Menschen in einen Song ein. Aber im Endeffekt ist meine Musik immer mehr Fakt als Fiktion“, beschreibt er es.
„Ich würde allerdings niemals direkt etwas über jemanden sagen, das diese Person beleidigen könnte. Manchmal erkennen meine Freunde, dass ein Song über sie ist und fragen mich danach. Aber solange wir die einzigen Menschen sind, die wissen, über wen der Song geschrieben ist, haben sie nichts dagegen.“
Also erzählt er wahre Begebenheiten, auch wenn er dadurch sehr viel von sich selbst in seinen Songs preisgeben muss.
„All meine Lieblings-Songs sind sehr ehrlich und persönlich. Ich finde, dass es am besten ist, auf andere zuzugehen, wie es einem selbst am liebsten wäre. Ich habe zwar einige Songs, die ich nicht mehr spiele, da sie von Dingen handeln, über die ich schon längst hinweg bin oder über die ich nicht mehr nachdenken möchte. Und wenn ich sie spielen würde, würde ich mich fühlen, als wäre ich nie darüber hinweg gekommen, als würde ich die Vergangenheit nicht ruhen lassen.“
So hat er auch einige Songs, die für ihn eine Bedeutung hatten, als er sie schrieb, nun aber eine ganz andere haben.
„Ich mag es, wenn Songs nach einiger Zeit ihre Bedeutung ändern“, erklärt er weiter, „ein Song sagt für mich vielleicht etwas ganz anderes aus als für einen Zuhörer. Deshalb sage ich auch nichts, wenn mich jemand fragt, wovon ein bestimmter Text handelt, da das jeder selber für sich herausfinden muss. Ich will keinem seine persönliche Verbindung zur Musik nehmen.“
Als Schriftsteller oder Singer/Songwriter hat sich Denison trotzdem nie gesehen. Zu seinem sechzehnten Geburtstag bekam er seine erste Gitarre, sein älterer Bruder zeigte ihm einige Akkorde. Also spielte er etwas damit herum und brachte sich den Rest im Laufe der Zeit selbst bei. Bis dato hatte er schon immer Tagebuch geführt. Nachdem er dann gelernt hatte, Gitarre zu spielen, hatte er das Gefühl, seine Tagebucheinträge wären Lyrics und die Gitarre die Seiten in seinem Tagebuch. Für ihn war es nur ein anderes Medium, um seine Gedanken auszudrücken. Als er dann achtzehn Jahre alt war, ermutigte ihn ein Freund, seine Songs aufzunehmen. Zuerst wollte er nicht, dachte dann aber, wie nett es doch wäre, etwas zu haben, das er seinen Eltern und Freunden schenken könnte. Nachdem die Aufnahmen abgeschlossen waren, riefen er und sein Freund einen CD-Hersteller an, der ihnen sagte, sie müssten eine Mindestmenge von 1.000 CDs herstellen lassen.
„Ich dachte, dass 1.000 viel zu viel wären, aber meine Freunde überredeten mich“, meint Denison dazu.
Kurz darauf hatten seine Eltern das ganze Haus voller Kartons mit CDs. Sie standen im Wohnzimmer, im Flur, in der Garage.
„Also entschied ich mich, ein paar Shows zu spielen, so dass meine Eltern ihr Wohnzimmer zurück haben könnten. Und nach ein paar Shows hatte ich komischerweise die ganzen 1.000 CDs verkauft. Eigentlich plante ich keine weiteren Aufnahmen. Doch dann kontaktierte mich ein Plattenlabel und fragte, ob sie nicht die nächste Platte herausbringen könnten. Und so wurde ich aus Zufall zu einem Singer/Songwriter.“
Im Moment scheint man ja als Solokünstler auch ganz gut über die Runden zu kommen, wie man an Menschen wie BRIGHT EYES sehen kann. Denison dazu: „Leider schnappt die Musikindustrie immer gerne neue Trends auf. Große Labels kopieren alles, was Erfolg hat. Also bringt sie derzeit aufgrund von BRIGHT EYES eine Menge schlechter Solokünstler hervor. Und vielleicht ist es somit im Moment auf eine kommerzielle Art und Weise einfacher für Leute wie mich, erfolgreich zu sein. Allerdings ist es deprimierend darüber nachzudenken. Denn die meisten Leute machen nicht aus diesem Grund Musik. Und wenn ich in dieser Welt Erfolg haben wollte, dann wäre der letzte Ort, an dem ich danach suchen würde, die Musikindustrie. Wer wann berühmt wird, ist in diesem Business vollkommen willkürlich. Also ist es am besten, gar nicht darüber nachzudenken. Und deswegen ist möglicher Erfolg bestimmt auch kein Grund, Musik zu machen. Kreativität muss außerhalb des Geschäftlichen liegen und das Geschäftliche muss sich von selbst ergeben.“
Denn im Endeffekt geht es nur um die Musik an sich. Und besagte Lyrics. Was Musik ihm bedeutet, weiß Denison allerdings nicht genau: „Ich kann nur sagen, dass sie mich emotional berührt“, versucht er seine Beziehung zur Musik zu erklären. „Und der Fakt, dass ich dies nicht logisch erklären kann, fasziniert mich irgendwie. Ich bin gerne Teil von etwas, das ich selbst nicht fassen kann.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #59 April/Mai 2005 und Julia Gudzent
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Christian Meiners
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #108 Juni/Juli 2013 und Anke Kalau
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #103 August/September 2012 und Anke Kalau
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Michael Streitberger