DEATH RAY VISION

Foto© by Jason Zucco

Das Crossover-Ding

Vieles ist neu, doch der Basis-Sound zwischen Metal und Hardcore bleibt. DEATH RAY VISION treten auf ihrem dritten Werk mit einem neuen Frontmann an und sind eine Kooperation mit Metal Blade eingegangen. „No Mercy From Electric Eyes“ präsentiert eine bauchgesteuert und zielgerichtet agierende Gruppe, die in sich ruht und klasse Crossover-Songs abliefert.

Auf das neue Line-up mit Frontmann Keith Bennett (RAMALLAH, WRECKING CREW, PANZERBASTARD) angesprochen, reagiert Colin Conway entspannt, weil der Wechsel für die Gruppe aus Massachusetts keine große Sache ist: „Es ging ja nicht darum, unseren Sound neu zu erfinden, zumal viele der Songs schon geschrieben waren, als Keith an Bord kam“, so der Schlagzeuger, der auch bei CANNAE aktiv ist. „Keith ins Boot zu holen, verlief problemlos, denn er ist jemand, den wir schon lange kennen. Wenn wir durch seinen Einstieg etwas gelernt haben, dann, dass wir auf Kurs bleiben und uns situativ anpassen können.“ Die neue Platte ist für das Quintett dann auch kein zweites Debüt: „Es ist unser drittes Album“, stellt Colin klar. „Jede unserer Veröffentlichungen markiert eine bestimmte Zeit und einen eigenen Ort und zeigt auf, wo wir uns mental befunden haben. Keith bringt dabei ein aufregendes Element in die Band – sowohl mit seiner Persönlichkeit als auch mit seinem Gesang, der mehr Härte und Aggression besitzt.“

Im Abgleich mit den Vorgängern ist ein rauher Straßenkötercharme festzustellen, der den ohnehin breiten Wirkungsraum zwischen Metal und Hardcore nochmals erweitert: „Wir sind ein Produkt dessen, wo wir herkommen, und können uns an eine Zeit erinnern, in der die Szene in unserer Gegend so klein war, dass es nicht ungewöhnlich war, dass die Leute, die sich für Underground-Musik begeisterten, zusammen abhingen, zu den gleichen Shows und in die gleichen Plattenläden gingen. Egal, ob es sich um Metal, Hardcore oder Punk handelte“, erinnert sich der Schlagzeuger, auf die lange Zeit angesprochen, in der sich die beteiligten Musiker nun schon mit verschiedenen Bands im Underground tummeln. „DEATH RAY VISION agiert auf unserer gemeinsamen Basis, die hauptsächlich aus Hardcore, Rock und frühem Death Metal der alten Schule besteht. Wir denken gerne, dass wir auf unsere eigene Art und Weise etwas dazu beitragen. Die Leute können es definieren, wie sie wollen.“ Colin bestätigt gleichwohl, dass sich die US-Gruppe zwischen den Szenen und Stilen bewegt und es deshalb länger braucht, das „richtige“ Publikum zu finden: „Manchmal ist es seltsam, wenn das Hardcore-Publikum uns für eine Metalband hält, während uns das Metal-Publikum als Hardcore-Band definiert. Beide Lager haben ihre eigenen Vorurteile. Wir sehen das jedoch nicht so eng und versuchen auch nicht, uns auf einen bestimmten Stil festzulegen. Die Grenzen zwischen den Genres sind in dieser Band fließend. Jeder von uns zieht wahrscheinlich ein Genre dem anderen vor, was den Einfluss angeht, aber das funktioniert für uns gut. Jetzt, da wir bei Metal Blade untergekommen sind, werden wir eine größere Reichweite haben, was uns bessere Möglichkeiten eröffnet.“
Die persönliche Motivationslage des Schlagzeugers bleibt bescheiden: „Im Laufe meines Musikerdaseins fühlte ich mich mehrfach ausgebrannt und habe mich oft gefragt, warum ich die Zeit überhaupt dafür investiere, wenn ich anderswo ein größeres Glück und mehr Zufriedenheit finden könnte. Doch ich habe ein unauslöschliches Feuer in mir, genau dies zu tun, und vielleicht ist das am Ende ja doch das größere Glück. Es ist eine Lebenseinstellung.“ Dazu muss man wissen, dass Colin erst verspätet zum Schlagzeug fand: „Musik ist schon immer ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens, sowohl als Fan als auch als Musiker“, verrät der US-Amerikaner. „Soweit ich mich zurückerinnern kann, habe ich immer an irgendeinem Instrument herumgebastelt und geübt. Ich habe mit der Gitarre angefangen, um dann zum Schlagzeug überzugehen. Irgendwann wollte ich unbedingt das nächste, härtere, dunklere und schnellere Instrument spielen. Dabei habe ich mit den Jahren auch verschiedene Stile ausprobiert und Musiker kennen gelernt, was sich zu dem zusammengefügt hat, das ich heute bei DEATH RAY VISION einbringe.“ Colin sieht die Band im aktuellen Wettbewerbsumfeld gut positioniert: „Ich sehe das Crossover-Ding zurückkommen und wenn ich DEATH RAY VISION zwangsweise kategorisieren müsste, wäre das eine sichere Annäherung“, zeigt sich der Schlagzeuger überzeugt. „Obwohl wir in vielerlei Hinsicht anderen Gruppen ähneln, denke ich, dass wir einen anderen melodischen Ansatz einbringen, weshalb man uns nicht direkt mit anderen in Verbindung bringen kann. Im Songwriting geht es uns darum, ein Gleichgewicht zwischen dem zu finden, was notwendig ist, und dem, was nicht nötig ist. Zurückhaltung ist eine Kunstform. Unsere Formel ist es, die Songs auf den Punkt zu bringen, indem wir sie kürzer und mit minimalen Parts gestalten. Manchmal gönnen wir uns den Raum, um unsere persönliche Note einzubringen und zu zeigen, was wir draufhaben. Oftmals ist das aber nicht im besten Sinne der Songs.“

DEATH RAY VISION haben eine klare Vorstellung davon, was sie als Band erreichen wollen, und das hört man „No Mercy From Electric Eyes“ an: „Es gibt so etwas wie eine erprobte Formel, doch wir lehnen es nicht ab, innerhalb eines vernünftigen Rahmens neue Dinge auszuprobieren“, erklärt der Schlagzeuger. „Auf jeder Platte führen wir neue Dinge ein, aber im Kern sollen unsere Songs zusammenhängend sein. Manche Bands fühlen sich mit einem höheren Maß an Experimentierfreude wohl, obwohl es eine enorm große Herausforderung ist, seinen Stil erfolgreich zu ändern, ohne dabei unecht zu klingen oder die Fanbasis zu verlieren. Ich persönlich liebe Bands, die die Fähigkeit besitzen, wirklich einzigartig zu klingen und sich ohne Zwang weiterzuentwickeln. Für das Gros der Bands ist es sicherlich besser, sich an eine Formel zu halten, die für sie funktioniert, weil ein Abweichen davon ihre Fähigkeiten übersteigen würde. Viele sind daran gescheitert und verbrannt. Und DEATH RAY VISION treten auf ihrem dritten Album mit dem dritten Sänger an.“