DEAR DIARY

Tourtagebuch des Grauens

Wie viel Pech kann man auf einer zweiwöchigen Tour haben? Die Gießener Emo-Truppe DEAR DIARY haben dies in einem Tour-Tagebuch festgehalten – worin auch sonst. Und das gab es zu berichten: Es ist mit Sicherheit kein gutes Omen, wenn sich ein Gitarrist eine Woche vor Tourantritt den Finger bricht, doch genau das ist DEAR DIARYs Martin passiert – und das sollte erst die Spitze des Pechbergs sein. Vom 20.02. bis zum 04.03.02 begab sich die Band nämlich auf eine kleine Odyssee durch Italien, Österreich und Deutschland. Mit dabei waren zur chaotischen Verstärkung die Hanauer MAN AT ARMS. Was folgte war ein Strafzettel, grundsätzlich kaltes Wasser zum Duschen, Schlafplätze in bitterkalten Fabrikhallen, ein kaputter Kilometerzähler, geringe Besucherzahlen, unvereinbarterweise keine Gage, Umwege, um vergessenes Merchandise wieder aufzutreiben, kein Einreisevisum nach Polen, eine Schmiergeldzahlung an Zollbeamte, eine Bänderdehnung am Schlagzeugerfuß, eine zerbrochene Heckscheibe des gemieteten Ford Transit, kaputte, jedoch vor Tourantritt für teures Geld reparierte Topteile und das Glück, beinahe in Dessau von Neonazis zu Kleinholz verarbeitet worden zu sein. Doch das Beste ist, diese zwei Wochen sind die besten der Bandgeschichte! Und wer DEAR DIARY sind, soll im Gespräch mit Sänger und Gitarrist Dennis Kühn
geklärt werden.

Seit wann existiert die Band und was habt ihr vorher gemacht?


Alles begann im Jahre 1989 als Schlagzeuger Matthias und ich an Mikro und Gitarre unsere erste Band gründeten. Wir waren damals gerade zehn Jahre alt und hörten ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN, DIE ÄRZTE, DIMPLE MINDS, TOTEN HOSEN, LUSTFINGER usw. Doch das war natürlich nur Kinderkram und erst 1994 machten wir mit Martin Fritsch an der zweiten Gitarre und einem weiteren Matthias am Bass weiter. Wir nannten uns HATE WAS SISTA und hatten recht viele Auftritte. Dann verabschiedete sich Bassmann Matthias zum Studium nach Kassel und Kai Zipse kam dazu – seitdem heißen wir DEAR DIARY. Beeinflusst sind wir aber mittlerweile eher von Bands wie SUNNY DAY REAL ESTATE oder den alten STARMARKET, doch wir hören viel Musik aus dieser Richtung und da lassen sich gewisse Einflüsse nicht vermeiden. Aber gerade unser Bassist und ich mögen auch HipHop, unser Schlagzeuger liebt IRON MAIDEN, MÖTLEY CRÜE und BLINK 182.

Nervt es euch nicht, mit dem relativ klischeehaften Namen sofort in die Emo-Ecke gedrängt zu werden?


Nö. Das ist nur ein Name – nicht jedem ist es vergönnt, sich den vielleicht beschissensten Emo-Namen auszudenken, oder? Und die Leute, die sich über das Three-Letter-Word beschweren, sind dann die Idioten, die damit rumprollen, dass sie sich schon vor 15 Jahren RITES OF SPRING anhörten und deshalb sowieso mehr Emo sind als alle anderen. Da scheiß ich einen dicken Haufen drauf. Mir ist das egal, ob uns jemand Emo schimpft oder nicht. Die Bezeichnung ‚schweres Metall‘ ist doch auch nicht viel besser, oder? Hat jemand die ersten Metaller gefragt, ob es okay ist, dass ihre Musikrichtung als Heavy Metal bezeichnet wird? Außerdem könnte ich jetzt als 1000ster davon zu erzählen anfangen, dass ja in allen Musikrichtungen Emotion drinsteckt, aber das wird einfach irgendwann langweilig!

Was und wo habt ihr bereits veröffentlicht?

Mit DEAR DIARY haben wir zwei CDs aufgenommen, alles selbst produziert und auf Konzerten verkauft. Ein paar Exemplare unserer aktuellen ‚No.5 EP‘ wurden über Blue Noise und den Rocky Beach Mailorder verkauft. Wir hatten Songs auf einem Blue Noise-Sampler namens ‚And They Could Be Heroes‘ und auf der Emo Diaries No. 6-Compilation auf Deep Elm.

Was ist mit deinem Sideproject?

Das Projekt hieß SPRITZBESTECK und heißt jetzt BUD SPENCER. Mit dabei sind ein Metal-Schlagzeuger und ein paar Freunde anderer Bands. Kürzlich haben wir 25 Lieder in drei Stunden komponiert, geschrieben und auf ein 12-Spur-Gerät aufgenommen. Mit dabei ist viel Double-Bass, Metal-Riffs, Gegrunze und Geschreie und politisch unkorrekte Texte.

Wie soll die Zukunft aussehen?
Im Moment warten wir auf die Veröffentlichung unserer Split-EP mit STUART aus Schweden. Sie soll auf Deep Elm erscheinen, aber die haben wohl Probleme, was die Veröffentlichung neuer Produkte angeht. Wir hoffen auf eine Veröffentlichung im Sommer. Außerdem hat ein kleines deutsches Label Interesse angemeldet. Im August wollen wir auf Deutschland-Tour gehen.

[b]Dann wünsche ich euch mehr Glück als beim letzten Mal, vielen Dank für das Interview.