In einer Zeit, in der sich die halbe Welt an Clips von süßen, kleinen Kätzchen im Internet erfreut, was kann es Schlimmeres geben, als seine Band DEAD KITTENS zu nennen? Eine Provokation, die durchaus gewünscht ist, bei diesem Duo aus Berlin, das gerade bei Noisolution einen Plattenvertrag unterschrieben und Ende Februar sein Debütalbum „Pet Obituaries“ veröffentlicht hat. Eine Zusammenarbeit des holländischen Comic-Zeichners Dirk Verschure und des israelischen Produzenten Oded K.dar, die beide vor Jahren in Neukölln gestrandet sind und dort arbeiten. Im Interview erzählen sie, wie sie sich und ihren eigenen Stil gefunden haben.
Vor drei Jahren habt ihr DEAD KITTENS gegründet. Wie kam es dazu?
KD: Wir haben für die Vertonung von Zeichentrickfilmen zusammengearbeitet. 2015 hatte Dirk den Auftrag, den Trailer für ein Filmfestival zu produzieren, und dafür wollte er ein paar Soundeffekte bei mir im Studio aufnehmen. Wir sind schon seit vielen Jahren befreundet, deshalb ist er zu mir gekommen, und dann haben wir beschlossen, gemeinsam Musik zu machen, immer wenn wir Zeit haben.
Dirk: Wir haben uns dann einfach einmal in der Woche getroffen und Songs aufgenommen. Und daraus hat sich dann die Band entwickelt mit einem kompletten Album und inzwischen auch Live-Shows.
KD: Die Platte war anfangs gar nicht das Ziel, wir wollten einfach Spaß haben und Musik machen. Und erst nachdem die Platte fertig war, haben wir zum ersten Mal ein Konzert gegeben. Es war also anfangs ein reines Studioprojekt.
Habt ihr bereits Erfahrungen bei anderen Bands sammeln können?
Dirk: Ich habe früher in Holland als Bassist in Stoner-Rock- und Grindcore-Bands gespielt. HAKLUST hieß die eine Band und MARGARETH die andere.
KD: Ich habe bei THE KOLETZKIS, der Band von Oliver Koletzki, Gitarre gespielt. Meine alte Band hieß NÖRD, da war ich Keyboarder, und ich produziere auch jede Menge Künstler. Vor allem aus dem Mainstream-Bereich.
Dirk, du bist ja Comic-Zeichner. Wie und wo publizierst du deine Geschichten?
Dirk: Meine Comic-Reihe heißt „Shit And Death“. Der zweite Band kommt bald heraus und der dritte ist gerade in Arbeit. Und zusammen mit meinem Kumpel Joost Halbertsma aus Rotterdam gebe ich in Holland das Comic-Magazin „Kutlul“ heraus. Einen wirklichen Protagonisten gibt es nicht in meinen Geschichten, es geht eher um schlechten Humor und komische Bilder. Kurze Geschichten. Ich habe aber auch schon mal eine längere Story über ein elendes kleines Schweinchen gezeichnet. „Little Piggie“ heißt der Comic. Und ich habe einen Blog mit Hasen online, „Dirks Big Bunny Blog“, der läuft am besten von all meinen Comic-Sachen.
Es ist ganz schön schwierig, die Musik von DEAD KITTENS zu beschreiben. Ich höre Einflüsse von SLEAFORD MODS, PRIMUS, aber auch von den RAMONES. Wie würdet ihr selbst eure Musik beschreiben?
Dirk: Es gibt ganz viel Punk-Einflüsse. Mir sagen die Leute aber auch immer, es sei Neunziger-Jahre-Musik. PRIMUS stimmt natürlich auch, weil der Sound sehr bassorientiert ist.
KD: Ich komme überhaupt nicht aus der Punk-Ecke und bin eher Mainstream-Pop-Produzent. Ich habe also Dirks Attitüde auf eine Pop-Ebene projiziert. Dadurch sind jede Menge neue Ideen entstanden, die vielleicht frischer oder anders klingen.
Dirk: Es ist wirklich ein Gemeinschaftsprojekt. Ich würde sagen, DEAD KITTENS ist das verrückte Baby von uns beiden. Wir machen einfach alles, worauf wir Lust haben. Und das muss auch nicht immer laut sein, es kann auch mal leise sein.
Wie funktioniert die Band live auf der Bühne?
KD: Die Tatsache, dass wir nur zu zweit sind, überrascht alle. Das klingt immer viel größer und fetter als vermutet.
Dirk: Wir verwenden natürlich viele Samples und KD hat auch noch einen Synthesizer dabei. Mein Bass hat so einen fetten Overdrive drüber, dass es schön schmutzig klingt. Dazu gibt es jede Menge Geschrei.
KD: Wir spielen aber ohne Playback. Ich füge die Samples immer live ein, um den Sound noch breiter zu machen.
Wie entstehen die Songs bei DEAD KITTENS. Arbeitet ihr eher im Proberaum oder zu Hause am Rechner?
Dirk: Gerade schreiben wir neue Songs, die entstehen alle im Proberaum. Wir arbeiten sehr schnell, viele Ideen zu „Pet Obituaries“ sind entstanden, als ich mit dem Fahrrad zu KD gefahren bin.
KD: Am Anfang haben wir alles am Rechner gemacht, bis das Album fertig war. Bis dahin hatten wir kein einziges Konzert gespielt. Nachdem die Platte im Kasten war, haben wir angefangen, regelmäßig zu proben. Und jetzt entstehen die Songs im Proberaum. Weil wir nur zu zweit sind, geht alles sehr schnell und unkompliziert. Das macht echt Spaß.
Wann und wo war euer erster Auftritt?
Dirk: Das erste Konzert war im September 2016 in den Niederlanden bei einem Trash-Filmfest in Breda namens BUT Film Festival. Die zeigen nur B-Movies und Horrorfilme und so.
KD: Dirk hat dort studiert, deshalb kennt er dort noch viele Leute. So ist der Kontakt entstanden.
Warum habt ihr eigentlich ein Problem mit Reggae? Der erste Song auf dem Album, der mir aufgefallen ist, heißt „Fuck reggae“ ...
Dirk: Wir haben gar kein Problem mit Reggae. Das ist so eine Nonsens-Idee, die mir beim Fahrradfahren gekommen ist.
KD: Eigentlich geht es im Text darum: Alle mögen es, aber ich nicht. Ich bin wohl falsch hier. Was stimmt nicht mit mir?
Auf dem Album ist auch ein Song, der sehr traurig klingt: „In remembrance“. Worum geht es in diesem Stück?
Dirk: Das sind „pet obituaries“, also Nachrufe auf Haustiere. Viele Leute haben online Nachrufe gepostet, wenn ihr liebster Hund oder ihre Katze gestorben ist. Das finden wir einfach so absurd. Wenn ein Hund stirbt, schreiben Menschen: „What a special day to enter the kingdom!“ Das finde ich völlig verrückt. Wir haben uns diese Texte genommen, ein bisschen angepasst und einfach vorgelesen. Darunter liegt ein bisschen traurige Klaviermusik.
KD: Das Lustige ist, ich kann sehr gut Klavier spielen, aber bei diesem Song spielt Dirk.
Dirk: Und ich kann gar nicht Klavier spielen, wie du hörst. Haha!
Zum Song „Happy“ gibt es ein tolles Splatter-Comic-Video im Netz, gezeichnet natürlich von dir, Dirk. Worum geht es in diesem Song?
Dirk: Wir haben diesen Song geschrieben, als der gleichnamige Hit von Pharrell Williams überall rauf und runter lief. Und sogar die depressivsten Leute haben damals diesen Song gesungen. Und ich dachte nur: What the fuck? Es ist natürlich okay, dass Leute glücklich sind, aber ich glaube, das war kommerziell verordnetes Glück. Unser Song ist daher eher ironisch und wir schreien einfach nur herum. Und der Videoclip endet auch mit einem Suizid. Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der in der „Pointless Advertisement Company“ arbeitet und dabei verrückt wird, weil alle um ihn herum so glücklich sind. Ich habe auch mit Facebook aufgehört, weil es mich fast depressiv gemacht hat, dass alle Menschen dort so perfekte Leben haben. Deshalb ist unsere Musik und sind meine Comics auch eine Art Katharsis. Es hat etwas Befreiendes, laut zu schreien oder diese Bilder zu zeichnen.
Ein anderer Song behandelt das Thema Schweineschweiß. Wie seid ihr darauf gekommen?
Dirk: Keine Ahnung. Ich kann mich nicht erinnern. „Pig sweat“. Klingt doch ganz okay, oder?
Wie geht dieses Jahr weiter für euch? Im Februar wart ihr ja mit ELECTRIC SIX unterwegs. Was passiert jetzt?
KD: Jetzt haben wir einen Booker, der uns auch schon die Support-Tour organisiert hat. Wir sind selbst gespannt, was nun passiert. Wir wollen so viel wie möglich spielen. Die nächsten Songs stehen auch schon. Die nächste EP oder Platte ist also schon in Planung. Im Sommer kommen hoffentlich ein paar Festivals dazu.
Dirk: Und im Oktober möchten wir gerne wieder eine Tour spielen. Am besten durch die Niederlande und zwar zusammen mit den Jungs von BETONFRAKTION, das sind Freunde von uns. Außerdem bastle ich gerade an Zeichentrickfilmen, die während der Live-Shows laufen sollen.
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