David Yow & QUI

Foto

Die Rückkehr der Jesus-Eidechse

Beinahe wäre David Yow ein Fall für unsere "Was macht eigentlich ...?"-Rubrik geworden, aber dann kam letztes Jahr erst der Auftritt seiner 1982 in Austin, Texas gegründeten, legendären Noisecore-Formation SCRATCH ACID beim Festival anlässlich des 25. Geburtstages ihres Labels Touch & Go, und dann erschien jüngst auch noch das Album von QUI. Dieses Instrumental-Duo aus Los Angeles existiert zwar schon eine Weile, aber erst Yows Einstieg als Sänger Ende 2006 sowie das neue Album auf Ipecac dürften dazu beitragen, die Band etwas bekannter zu machen, schließlich verfügt QUI mit Yow nun über einen der charismatischsten Frontmänner überhaupt. Yow, der mittlerweile 47 ist, war seit der Auflösung der 1987 gegründeten THE JESUS LIZARD im Jahre 1999 musikalisch nicht mehr aktiv gewesen, doch nach jahrelanger Arbeit als Photoshop-Zauberer in verschiedenen Agenturen juckten ihm dann doch wieder die Stimmbänder ... Ich klingelte David vormittags um 11 Uhr aus dem Bett.


David, wie geht's dir?

Ah, ich bin etwas verkatert ... Aber fit genug, das Interview zu machen.


Wenn man in deinem Alter auch noch Alkohol trinkt.

Hahaha ... Es war einfach mal wieder nötig. Ich habe bis gestern fünf Tage richtig hart durchgearbeitet, und da ich wusste, dass heute außer dem Interview mit dir nichts ansteht, ging ich aus und habe mir ein paar Bier genehmigt.


Ich war ja schon überrascht, dass du letztes Jahr mit SCRATCH ACID wieder aufgetreten bist, und bin jetzt noch überraschter, dass du mit QUI wieder eine richtige Band hast. Wie kam es dazu?

Paul und Matt und ich haben gemeinsame Freunde, sie sind große Fans von JESUS LIZARD, und wir tranken dann hier und da mal zusammen ein Bier. Und dann wollten sie einen Zappa-Song covern und fragten mich, ob ich den nicht singen könne. Ich hatte Lust drauf, es klappte gut, und dann sang ich bei einem anderen Song, und irgendwie fand ich wieder Gefallen daran, in einer Band zu singen. Die waren nicht wirklich auf der Suche nach einem Sänger, ich wollte nicht wieder in einer Band sein, und doch fanden wir zusammen. Das hat sich also alles so nach und nach ergeben, es war sehr, äh, organisch.


Was hat dich all die Jahre davor davon abgehalten, in einer Band zu spielen?

Ich hatte einfach keine Lust, ich war einfach durch damit. Ich verspürte absolut keine Lust mehr auf diesen Scheiß.


Waren denn THE JESUS LIZARD zum Schluss hin so eine traumatisierende Erfahrung?

Hahaha, schon ein bisschen. Auf jeden Fall machte es nicht mehr so viel Spaß, wie es eigentlich hätte machen müssen. Ich war eben immer der Meinung, dass es richtig Spaß machen muss, wenn man in einer Band ist. Und wenn es keinen Spaß macht, sollte man es bleiben lassen.


Na ja, wenn man Henry Rollins auf einer Bühne sieht, denkt man da anders darüber. Das erweckt den Eindruck, als ginge es um Schmerz, Wut und so weiter.

Deshalb kann man ja über Henry auch so leicht Witze machen.


Hast du denn wahrgenommen, welch Wertschätzung man deiner Band posthum entgegenbringt?

Ich habe keine Ahnung, wie viele solcher Leute da draußen wirklich sind, aber ich begegnete schon hin und wieder Menschen, die sich mir gegenüber sehr freundlich über meine früheren Bands geäußert haben. Ich war und bin mir dessen also durchaus bewusst, aber es konnte mich auch nicht dazu bewegen, wieder aktiv zu werden.


Du hast die letzten Jahre angeblich im Bereich Grafik-Design gearbeitet.

Das ist nicht ganz korrekt: Es geht um Foto-Retusche, nicht um Design.


Das heißt, du sitzt den ganzen Tag vor deinem Mac und arbeitest mit Photoshop.

Genau so ist es. Manche Jobs sind langweilig, ganz normale Farbkorrekturarbeiten etwa, während andere echt Spaß machen. Mit Photoshop kann man eben die erstaunlichsten Dinge anstellen, und ich habe ein paar Sachen gemacht, auf die ich echt verdammt stolz bin und bei denen Leute, die sich das angeschaut haben, kaum glauben konnten, dass das Bild nicht echt ist.


Bei Foto-Retusche kommen mir immer die Bilder der sowjetischen Herrschaftsclique unter Stalin in den Sinn, auf denen die in Ungnade Gefallenen einfach rausgeschnitten wurden. Was für Retuschearbeiten machst du?

Vor allem Jobs für Russland. Nein, also für Werbeagenturen, für Anzeigenkampagnen. Zu Beginn habe ich sehr viel für Absolut-Wodka gemacht, und als ich dann nach Los Angeles gezogen war, fing ich an, auch Filmposter und -plakate zu machen.


Bist du in deinem Job eher technisch Ausführender oder eher Künstler?

Eine Mischung aus beidem. Als ich damals mit diesem Job begann, hatte ich Schiss, damit niemals meinen Lebensunterhalt verdienen zu können, denn es gibt eine Armee von Kids, die frisch von der Uni kommen und Photoshop besser kennen als ich. Aber, und das ist mein Vorteil: Die Kids haben keine Lebenserfahrung, oder sie können nicht gut zeichnen, ihnen fehlt das Verständnis für Licht und Reflektion in Fotos - und ich habe das alles. Das technische Verständnis hilft also bei meinem Job, aber man braucht auch künstlerische Fähigkeiten.


Siehst du auch die Gefahren, die dein Job, die die digitale Foto-Retusche mit sich bringt? Man wundert sich ja sowieso, dass Bush zur Begründung des Irak-Krieges nicht mit perfekt gefälschten Fotos irakischer Massenvernichtungswaffen aufgewartet hat.

Ich bin mir dieser Gefahren sehr bewusst. Die digitale Fotografie als Beweismittel vor Gericht hat sicher schon an Beweiskraft eingebüßt, denn heute kann man am Computer zusammenbasteln, was immer man will. Und ich bin wie du sehr erstaunt darüber, dass unsere Regierung nicht irgendwelche Beweisfotos lanciert. Aber um Himmels Willen, lass uns nicht über diesen Scheiß reden ...


Wie kamst du überhaupt zu diesem Job? Musstest du nach dem Ende von JESUS LIZARD irgendwas machen und bist da hängen geblieben, oder hast du das schon vorher gemacht?

Ich war auf einer Kunsthochschule, noch bevor ich in einer Band war. 1992 kaufte ich mir meinen ersten Apple Macintosh, einen Quadra 610 mit 16 MB Arbeitsspeicher, nachdem ich etwas über Photoshop gelesen hatte. Da hieß es, man könne mit dieser Software Menschen aus Fotos herausretuschieren, und das faszinierte mich. Und all die Jahre war Bildbearbeitung dann so eine Art Hobby von mir, ich machte mal ein Plattencover, ein Poster oder T-Shirt-Designs.


Hast du denn auch mal in Erwägung gezogen, dich in Richtung Fine Art-Poster zu entwickeln, wie es ja viele Leute aus dem Musikbereich machen?

Ich habe da mal drüber nachgedacht, aber das nicht weiter verfolgt.


Sprechen wir über QUI: Ehrlich gesagt waren mir die bislang unbekannt, und ich schätze mal, durch deinen Einstieg hat die Band erheblich an Bekanntheit gewonnen.

Ja, das stimmt. Paul und Matt machen die Band schon seit sieben Jahren und haben bereits ein Album namens "Baby Kisses" veröffentlicht, das echt großartig ist. Aber klar, mehr Leute kennen meinen Namen als den von QUI, und hat das die Band schon ganz schön vorangebracht. Mir ist allerdings nicht so ganz wohl bei dem Gedanken, dass die Leute von QUI als "David Yows neue Band" sprechen, aber ich verstehe, woher das kommt, ebenso Paul und Matt. Und sie sagen, es gebe größere Probleme in der Welt. Und ich schätze, sobald die Platte eine Weile raus ist, wird sich das auch allmählich geben.


Wirst du denn mit QUI wieder so richtig auf Tour gehen, wie einst mit JESUS LIZARD, oder ist es eher eine Hobby-Band?

Anfangs sagte ich zu Paul und Matt, ich sei alt und wolle nicht mehr touren, höchstens mal eine Woche hier und da. Aber die Zeit verging und irgendwann sagte ich: "Fuck it, wir machen das besser richtig", und so sind wir ab dem 11. September bis Weihnachten auf Tour - auch in Deutschland.


Inwiefern sind QUI denn anders als JESUS LIZARD? Ich frage das, weil der Gesang einer Band ja oft das prägende Element ist und Leute entsprechende Vergleiche ziehen.

Mit ein Grund dafür, dass ich nicht mehr in einer Band sein wollte, war die Tatsache, dass ich nicht gut bin als Sänger im gewöhnlichen Sinne. Ich wollte nicht in einer neuen Band machen, was ich zuvor 25 Jahre lang gemacht habe. Die beiden Jungs von QUI allerdings haben mir eine Menge neuer Sachen beigebracht, etwa richtig zu singen, Harmonien und so, und so habe ich das Gefühl, mich bei QUI nicht zu wiederholen. Klar, ich bin die gleiche Person wie früher, aber es gibt Unterschiede, und die machen das Ganze für mich interessant. Vielleicht rede ich mir da aber auch nur was ein.


Bist du seit den Tagen von JESUS LIZARD ruhiger geworden? Du warst ja für dein oft aggressives Auftreten bekannt.

So wild wie damals bin ich heute nicht mehr. Ich war ja damals unter anderem dafür bekannt, mich meiner Kleidung zu entledigen, und das mache ich heute nicht mehr. Und ich war auch bekannt für Crowdsurfing, und auch das mache ich heute nicht mehr. Aber die Auftritte sind für mich immer noch eine sehr emotionale, kathartische Erfahrung, und sie sind sicher alles andere als langweilig.


Wie kam der Kontakt zu Ipecac zustande?

Hinter Ipecac stecken ja Mike Patton und Greg Werckman, und ich kenne Greg schon seit Anfang der Neunziger, als er noch bei Alternative Tentacles war und der Babysitter von Jello Biafra. Und als die Platte dann fertig war, schickten wir ein Exemplar an Touch & Go, und eines an Ipecac, und beide waren verrückt nach dem Album, was uns natürlich glücklich machte. Ich schätze Touch & Go sehr für das, was sie in der Vergangenheit geleistet haben, aber was sie heute als Label machen, ist nicht gerade riskant oder herausfordernd, und so denke ich, dass Ipecac eine bessere Heimat für QUI ist.


Du meinst, du bevorzugst TOMAHAWK gegenüber COCO ROSIE?

Hm ... sagen wir, ich bevorzuge die MELVINS gegenüber COCO ROSIE, hahaha.


Was hörst du denn heute für Musik?

Mann, ich lebe leider in einem musikalischen Vakuum. Wenn ich Musik höre, dann alte Bands wie AC/DC oder LED ZEPPELIN, oder auch Klassik. Ich suche heute im Gegensatz zu früher einfach nicht mehr aktiv nach neuer Musik.