David Thomas, 1953 in Moss Point, MS geboren, ist nicht nur ein Mann von stattlichem Körperumfang, auch die Fülle seiner musikalischen Ideen scheint seine physische Beschaffenheit deutlich wiederzuspiegeln – und das schon seit knapp 30 Jahren. Mit seiner Band PERE UBU, die seit der ersten Platte „The Modern Dance“ von 1978 etliche Line-Up-Wechsel durchlief – bitte dazu ein Rocklexikon zur Hand nehmen, das würde hier jetzt den Rahmen etwas sprengen, ebenso was seine anderen Begleitbands PEDESTRIANS, WOODEN BIRDS, HIS LEGS oder TWO PALE BOYS angeht – dürfte Thomas wie kein anderer die alternative Musikwelt geprägt haben. UBUs nicht immer leicht verdaulicher Cleveland-Art-Punk-Rock – schon alleine wegen Thomas‘ skurrilem Gesang – war ein wichtiger Impulsgeber für andere Künstler, und so fand mein erster richtiger hörbarer Kontakt mit UBU Mitte der 80er auch durch Coverversionen von Julian Cope und Ex-BAUHAUS-Sänger Peter Murphy statt, die mit „Non-Alignment Pact“ und dem Klassiker-Song „Final Solution“ PERE UBU alle Ehre machten. 1982, nach der fünften Studioplatte „Song of the Bailing Man“, wurde PERE UBU bis 1988 auf Eis gelegt, und Thomas widmete sich verstärkt seinen Solo-Aktivitäten. Mit „The Tenement Year“, „Cloudland“ und „Worlds In Collision“ entstanden dann von 1988-91 drei der besten und eingängigsten Platten PERE UBUs, wobei gerade der übermächtige Pop-Appeal von „Worlds In Collision“ (produziert von Gil Norton, der auch bei den späteren PIXIES-Platten und dem letzten DASHBOARD CONFESSIONAL-Album Hand anlegte) für viele frühere PERE UBU-Anhänger zu viel des Guten gewesen sein dürfte. Als kommerziell konnte man auch diese Platten nur schwerlich bezeichnen.
Seitdem ist Thomas nicht unbedingt berechenbarer geworden, aber sein avantgardistischer Umgang mit Rock und Folk ist im Alter scheinbar wesentlich relaxter geworden, wobei Platten wie „Pennsylvania“ (1999) und „St. Arkansas“ (2002) wieder mehr mit dem klaustrophobischen, komplexen und finster paranoiden Sound der frühen PERE UBU zu tun haben – wie schon gesagt, nur weniger wild. Wesentlich überraschender war da schon, als 2002 via Smog Veil (hierzulande Glitterhouse) mit „The Day The Earth Met The Rocket From The Tombs“ plötzlich sämtliches vorhandenes Material der Proto-Punk-Legende ROCKET FROM THE TOMBS erschien, die Band, die Thomas bzw. Crocus Behemoth (so sein damaliges Pseudonym) vor PERE UBU in seiner Zeit als Journalist in Cleveland zusammen mit Peter Laughner gegründet hatte, ergänzt durch Gitarrist Gene O‘Connor (der später als Cheetah Chrome mit Stiv Bators die DEAD BOYS ins Leben rief), Bassist Craig Bell und Drummer Johnny Madansky (ebenfalls später bei den DEAD BOYS). Eine Band, die niemals ein richtiges Studioalbum aufnahm, deren Songs aber bei den DEAD BOYS und PERE UBU weiterexistierten. Und letztes Jahr gab es dann auch ROCKET FROM THE TOMBS als Band wieder, in der Besetzung David Thomas, Craig Bell, Gene „Cheetah Chrome“ O‘Connor, Richard Lloyd (TELEVISION) und PERE UBU-Schlagzeuger Steve Mehlman – Peter Laughner war bereits 1977 an Leberversagen gestorben. Anfang diesen Jahres erschien dann auch das erste richtige RFTT-Studioalbum „Rocket Redux“, das souverän zeigte, dass das Ganze mehr war als nur eine dieser bekannten halbherzigen und überflüssigen Reunions. Thomas, der nicht gerade als Freund der schreibenden Zunft gilt, ließ sich dazu dann doch via Telefon in seiner Wahlheimat Brighton in England ein wenig befragen.
Wie sieht es denn momentan bei dir aus, dreht sich alles nur um ROCKET FROM THE TOMBS?
„Nein, nein, ich habe gerade ein neues DAVID THOMAS & TWO PALE BOYS-Album fertig. Dann habe ich noch einige andere Projekte für dieses Jahr geplant wie ein Theater-Projekt in LA und in London, und von PERE UBU soll es auch ein neues Album geben. Ich habe also einen recht vollen Terminkalender.“
Mir war gar nicht bewusst, dass du schon so lange in England lebst. Wie lange eigentlich schon konkret?
„Schon seit 1984, aber das hat nur familiäre Gründe gehabt und hatte nichts mit meiner Musik zu tun. Meine Frau ist Engländerin, lebte aber einige Jahre in den Staaten, ging dann aber zurück nach England, als ihr Vater starb, um sich um ihre Mutter zu kümmern.“
War es jemals ein Problem für dich als Musiker, dass du so weit von Amerika entfernt bist?
„England ist sicher die bei weitem schlechteste Gegend für mich, haha. Aber das hängt immer ganz davon ab, was man als gut oder schlecht ansieht, denn hier habe ich einen stärkeren Kontakt zur Kunstszene, als das in Amerika der Fall wäre. Und ich weiß nicht, ob das mit den PALE BOYS in Amerika zustande gekommen wäre, eines der besten Projekte für mich in den letzten Jahren. Insofern ist es okay, ich habe bestimmte Sachen verloren und andere hinzugewonnen. Außerdem bin ich so oft drüben, dass ich nicht wirklich den Kontakt dazu verloren habe. Die wenigsten Leute, mit denen ich zu tun habe, sehe ich ja auch täglich, es sei denn, wir arbeiten zusammen. E-Mail und Ferngespräche kosten kaum noch etwas. Wir leben in einer modernen Welt und ich ziehe daraus meine Vorteile.“
Hat denn England einen anderen Einfluss auf deine Musik, als es in Amerika der Fall war?
„Wenn ich es erlauben würde, schon. Die am meisten englisch beeinflusste Sache, die ich mache, sind die PALE BOYS. Andy und Keith haben sehr ‚englische‘ Vorstellungen von Sound und sind sehr an digitaler Technologie interessiert, Samples und all so was ... Alleine schon der Name, die meisten englischen Musiker sehen halt etwas blass und ungesund aus, haha. Aber all die Sachen, die ich über Amerika schreibe, die Themen, die Emotionen, die Perspektive und die Wahrnehmung sind durch und durch amerikanisch. Selbst bei den PALE BOYS ist alles sehr amerikanisch. Es ist eine interessante Symbiose von Ideen. Ich habe auch eine dänische Band, auch da ist alles sehr amerikanisch.“
Die Frage kam auch deshalb, weil sich in deiner Arbeit ja ein großes Interesse an Geographie widerspiegelt, alleine schon durch Plattentitel wie „St. Arkansas“ und „Pennsylvania“ ...
„In der gesamten Bandgeschichte von PERE UBU gab immer es einen starken Bezug zur Geographie. Wir haben immer versucht, eine bestimmte geographische Beschaffenheit zu reflektieren, ebenso wie wir daran interessiert waren, wie klangliche Beschaffenheiten geographische Beschaffenheiten beeinflussen – das findet man in fast jedem unserer Songs. In den 90ern habe ich mich damit befasst, diesen Aspekt mehr zu betonen und zu nutzen. Der Titel ‚Pennsylvania‘ war aber mehr als Witz gemeint. Denn wenn du aus Ohio kommst und an die Ostküste willst, dann ist Pennsylvania nur eine riesige Wildnis, wo man durch muss, um an den Ort zu kommen, wo man eigentlich hin will. Und die Songs auf dem Album handelten davon, wie man durch etwas hindurch muss, um an einen bestimmten Ort zu kommen. Für jemanden aus Cleveland war das ein Insider-Witz. Aber ich bin wirklich sehr an Geographie interessiert. Ich habe auch 1996 mal an der Clark University in Worcester, MA einen Vortrag zu dem Thema gehalten, vielleicht weißt du das. Es ist eines meiner wichtigsten Themen und Obsessionen. So ist es ganz natürlich, dass das in meiner Musik zum Ausdruck kommt.“
Die siehst Musik ja als universell verständliche Sprache an, allerdings bin ich mir bei einem Album wie zum Beispiel „Art Of Walking“ von 1980 nicht ganz so sicher, ob das bei deiner Musik wirklich immer der Fall war.
„Es wird dich vielleicht schockieren, aber das war eines der bestverkauftesten PERE UBU-Alben. Es ist eine Platte, die einen Sound definieren sollte, indem sie Dinge zeigt, die nicht da sind – wie eine Silhouette. Man sollte selbst rekonstruieren können, was den Schatten erzeugt hat, und wir haben dabei nur den Schatten vorgegeben. Es ist eine andere Art, so etwas anzugehen. Wir machen nicht immer dieselbe Platte und mögen es nicht, Dinge zu wiederholen. Und vielleicht sind die Leute auch froh, dass wir dieses Album nicht noch mal gemacht haben.“
Und wie verhält sich dazu die Zeit von 1988-91, wo mit „The Tenement Year“, „Cloudland“ und „Worlds In Collision“ dann eine eigenartige Annäherung an die Welt der Popmusik stattfand?
„Da war unser Standpunkt vielleicht ein anderer, weil wir auf einem großen Label waren und tatsächlich dachten, wir würden jetzt Popmusik machen. Aber ‚The Tenement Year‘ ist auch keine wirkliche Popplatte, ‚Cloudland‘ ist da schon eher Pop, weil wir das einfach machen wollten. Unser Produzent war Stephen Hague, ein sehr einflussreicher Produzent zu dieser Zeit, der auch die PET SHOP BOYS produziert hat, und ein großer Fan von uns. Er ging zu Phonogram und fragte sie, ob er mit uns ein paar Songs aufnehmen könnte, und sie ließen ihn das machen. Wir gingen in ein sehr teures Studio und gaben extrem viel von ihrem Geld aus. Wie wollten Songs, die schicker als sonst klangen, denn bisher hatten wir nie absichtlich schick geklungen. Danach wollten wir dann sehen, wie wir mit dieser Idee eine Stufe weitergehen könnten, und das Ergebnis war ‚Worlds In Collision‘, keine besonders erfolgreiche Platte. Ich finde sie zwar nach wie vor gut, aber es gab viele Probleme mit dem Produzenten Gil Norton. Danach waren wir dann fertig mit diesem Experiment und wollten wieder das machen, was wir gewohnt waren. Aber es war ähnlich wie im Fall von ‚Art Of Walking‘, wir wollten es einfach versuchen. Und für uns war es aufregend und anders, schicke Popmusik zu machen, das taten wir normalerweise nicht.“
Deine Hauptmaxime lautet ja, sich niemals zu wiederholen, da verwundert es, dass du dich nochmals auf eine Rockband-Geschichte wie ROCKET FROM THE TOMBS eingelassen hast.
„Alles, was ich seit 1975 gemacht habe, ist eine Reaktion auf das, was ich davor gemacht habe. Und alles basiert auf ROCKET FROM THE TOMBS. Ich weiß, dass ich Rockmusik genauso gut spielen kann wie jeder andere auf diesem Planeten. Wenn ich ein hartes Rockalbum machen will, kann ich das auch. Alles basiert auf diesem Rockmusik-Fundament und der Fähigkeit, Rockmusik in einer bestimmten Weise zu spielen. Aber nur, weil man es so machen kann, heißt das noch lange nicht, dass man es immer so machen muss. Man will ja schließlich andere Sachen entdecken. Ich hasse dieses Wort zwar, aber für mich war RFTT in erster Linie einfach Spaß. Wir haben diese Songs ja höchstens achtmal in der Öffentlichkeit gespielt. Und als wir letztes Jahr im Februar auf dem Disastodrome-Festival in Los Angeles spielten, war es zwar rau, aber es war eine großartige Band, es war sehr kraftvoll und schien das Potential für mehr zu beinhalten. Vor allem Richard fühlte, dass es feige wäre, davor wegzulaufen. Man hat nicht so viele tolle Bands in seiner Karriere, und wir hatten das Gefühl, dass wir es einfach probieren mussten. Das Problem war, dass es ein sehr zerbrechliches Konstrukt war, wie eine Boyband, die man zusammengewürfelt hat, um eine bestimmte Sache zu machen. Wir fühlten uns sehr unwohl dabei, bevor wir nicht wirklich wieder eine Band waren. Deshalb haben wir die Tour gemacht und die Platte aufgenommen, die eigentlich gar nicht offiziell erscheinen sollte. Es war ein Prozess, um zu sehen, ob sich daraus wirklich etwas entwickeln würde. Und ich liebe es, richtig harten Rock zu spielen. Ich war seit RFTT damals nicht mehr in so einer Band. PERE UBU waren zwar auch eine Rockband, aber es ist eine andere Art von Rockmusik – die Intention war eine völlig andere. Ich mag ROCKET, weil es nicht so kompliziert ist, haha. Es ist einfach nur Kraft und Energie, und das macht Spaß. Und ich kann dir versichern, ich habe jede Menge Geld durch ROCKET verloren, ich hätte in dieser Zeit mit anderen Sachen mehr Geld machen können. Richard und ich haben viel Zeit damit verbracht, wo wir eigentlich etwas anderes hätten machen sollen. Aber ich bin kein Nostalgiker, und wir haben das nicht aus diesem Grund gemacht. Es ist meine verdammte Karriere, und ich kann machen, was ich will, haha. And it delivers the goods! Und es ist etwas anderes als in den 70ern, denn diese Band gibt es hier und heute.”
Macht dir das Angst, wenn du Sachen liest wie „größte Platte, die nie aufgenommen wurde“ oder so was in der Art?
„Haha, also mir steigt das nicht zu Kopf, falls du das meinst ... Es ist halt der übliche Hype. Ich meine, es ist ein tolles Album, und wenn wir es schon damals aufgenommen hätten, wäre es sicher auch eine tolle Platte geworden, aber das haben wir halt nicht. Und der Grund dafür war, dass die Band nicht wirklich zusammengehört hat. Wir haben ein paar tolle Songs geschrieben, aber nichts davon hielt uns wirklich zusammen.“
Glaubst du, die Platte hätte wesentlich anders geklungen, wenn ihr sie damals aufgenommen hättet?
„Ja, denn sie ist jetzt viel stärker produziert und hat einen deutlichen New York-Sound. Wenn wir die Platte in den 70ern aufgenommen hätten, würde sie wie ‚The Day The Earth Met The Rocket From The Tombs‘ klingen. Womit ich nicht sagen will, dass das eine besser oder schlechter ist. Richards Sound-Ideen sind halt sehr von New York geprägt, weil er da herkommt. Er hört Musik auf eine New York-Art. Ich höre Musik mehr auf eine Cleveland-Weise, was wesentlich verworrener, lärmiger und unordentlicher ist. Vergleich mal PERE UBU-Platten mit TELEVISION. PERE UBU-Alben waren ungeordnet, die Frequenzen kollidierten ständig miteinander, und auch der rhythmische Aspekt war ein ganz anderer. Wenn du dir die klassischen Rockbands des Mittelwestens anschaust, haben alle einen spezifischen Hardrock-Rhythmus wie die STOOGES oder MC5. Alle haben diese simple, überladene Gitarren-Groove-Basis, und Bands aus New York sind mehr von Blues und normalem Rock beeinflusst. Ich schätze, Richard wäre ziemlich schockiert von meinen Ideen, haha.“
Hast du mit Richard Lloyd zuvor schon mal zu tun gehabt?
„Nein, ich habe ihn das erste Mal letzten Februar getroffen. Ich treffe nicht allzu viele Menschen, aber Richard scheint wirklich jeden zu kennen. Richard erinnert sich noch sehr gut an ROCKET und erzählte mir, dass wir ihnen damals ziemlich Angst gemacht haben, haha. Wir waren wohl recht seltsam. Peter hatte TELEVISION damals ihren ersten Gig außerhalb New Yorks verschafft, aber Peter war auch von New York besessen. Mich hat New York damals nicht interessiert, mir gefiel die Herangehensweise der Bands da einfach nicht.“
Was war denn damals das Besondere an der Szene in Cleveland und ihren Bands?
„Es gab eine handvoll wirklich erstaunlicher Bands. Es gab ROCKET, die ELECTRIC EELS, dann später PERE UBU. Es gab TIN HUEY, THE NUMBERS BAND bzw. 15 60 75 aus Kent und jede Menge sehr experimentelle Bands, von denen noch nie jemand gehört hat und die auch nie eine Platte aufgenommen haben, und wo teilweise Allen Ravenstine involviert war. Es war eine sehr ergiebige Szene, ein Art Treibhaus-Umgebung mit 100 bis 200 Leuten, von denen praktisch jeder in einem Plattenladen arbeitete. Es gab viele konkurrierende Plattenläden und wenn man nicht das aktuelle NEU!-Album einen Tag, nachdem es in Deutschland veröffentlicht worden war, im Laden hatte, war man schon scheiße. Als Band konnte man kaum Gigs spielen und wenn man etwas Gewöhnliches und Normales tat, war das ziemlich beschämend, weil jeder andere etwas Bemerkenswertes tat. Wenn man mit den ELECTRIC EELS oder den MIRRORS mithalten wollte, musste man schon gut sein. Es gab ein paar Dinge, die für diese Szene verantwortlich waren. Einmal der schon erwähnte starke Wettbewerb zwischen den Plattenläden, die immer nach den neusten Sounds Ausschau hielten. Dann der Auftritt von VELVET UNDERGROUND 1968, durch den ein paar Kids wie Peter Laughner, Jamie Klimek und noch einige andere Leute völlig ausflippten. Dann gibt es noch einige Spekulationen über eine weitere Sache, die man als die ‚Ghoulardi-Generation‘ bezeichnet: Kids, die mit einem lokalen Fernseh-Monsterfilm-Ansager namens Ghoulardi aufgewachsen sind, das war zwischen 1963 und ‘66, der sehr radikal und fortschrittlich hinsichtlich seines Umgangs mit den Medien war. Er weckte unsere Aufmerksamkeit, was die Medien betraf und versaute uns, was unseren Umgang mit Technik, Sound und Präsentation anging. Es war eine Post-Hippie-Generation und es gab auch eine Menge Isolation innerhalb dieser Treibhaus-Umgebung, denn wir wussten, dass uns nie jemand mögen würde und wir nie irgendwelche Shows spielen würden. Warum machten wir also nicht einfach das, was wir wollten?! Es gab keinen Grund, unser Verhalten anzupassen, um eine Show zu bekommen, weil wir es auch nicht konnten. Die normalen Rockbands spielten das, was populär war, und hatten ihre Auftrittsorte – der normale Rockkram war überall. Und da wir nicht dahin konnten und weder Lust noch Talent hatten, das zu tun, war das eine Ermutigung, sich anders Gehör zu verschaffen.“
Über Peter Laughner hat jemand geschrieben, „Laughner was an important, and still overlooked, figure in the birth of American punk and new wave“, was denkst du darüber?
„Ob das wahr ist oder nicht, kann ich nicht wirklich sagen. Peters Rolle und Einfluss hatte jedenfalls eine größere Bandbreite, als die meisten Kritiker sehen. Wenn man über Peter redet, kommt oft heraus, dass er so eine Art Märtyrer des Rock‘n‘Roll sein soll, und das ist dieselbe Philosophie, die ihn umgebracht hat, denn er hat an diesen Unsinn geglaubt. Insofern habe ich kein wirkliches Interesse daran, diesen Mythos aufrecht zu erhalten, für irgendeinen anderen armen Idioten irgendwo auf dieser Welt, der dann dieselben Fehler macht. Peter war ein sehr talentierter Mensch, der sein Talent aber weggeworfen hat. Er war aber auch sehr unsicher und viele seiner Songs waren nur eine Kopie – selbst seine Frau hat ihn mal ‚Underground Jukebox‘ genannt. Seine Unsicherheit war auch einer der Gründe, warum er mich mochte, weil ich nicht unsicher und voller Selbstzweifel war. Das ist diese rückschrittliche Denkweise, die Leute wollen, dass Rockmusiker viel trinken, Drogen nehmen und dann auf dem Boden herumkriechen, kotzen und dumme Sachen machen. Deshalb war Punk auch so ein Erfolg, es war ein Entschuldigung dafür, Dinge zu tun, die nicht besonders klug waren. Und Peter hatte Probleme, sich klug zu verhalten. Er steckte voll in diesem Lou Reed-Ding drin, mit dem Unterschied, dass Lou Reed immer noch am Leben ist. Ich weiß nicht, ob ich das gut erklärt habe, deshalb rede ich meistens auch nicht darüber. Er war jemand, der sich aus eigener Dummheit umgebracht hat. Es war sehr niederschmetternd für jeden, der ihn kannte. Die Musik kann man sicher nicht dafür verantwortlich machen ...“
Wie sieht eigentlich dein momentanes Verhältnis zu Cheetah Chrome aus?
„Gene und ich, oh sorry, Cheetah, Mr. Chrome, wir mögen uns durchaus, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir weiter zusammen arbeiten können. Als Menschen und als Freund schätze ich ihn, deshalb sind wir auch zusammen geblieben nach den ganzen Kämpfen im letzten Jahr. Wir haben weitergemacht, weil wir uns mögen. So weit, so gut ... Ein weiteres Album könnte diese Frage sicher besser beantworten.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Thomas Kerpen