Drummer bei DISCHARGE, THE INSANE, THE PARASITES, FLUX OF PINK INDIANS und BLITZKRIEG, Gitarrist bei DISGUST – der 1962 im englischen Southport geborene Dave Ellesmere hat eine beachtliche Karriere hinter sich. Mittlerweile ist er von Punk auf Elektro umgestiegen und lebt in Berlin.
Wie bist du einst zum Punk gekommen?
Damals, also 1977, waren die Ressourcen für den Zugang zu Musik viel geringer als heute. Ich erinnere mich daran, dass ich eines Abends die John Peel-Show hörte – ich hörte sie mir immer an, weil er gelegentlich Songs von BLACK SABBATH oder LED ZEPPELIN spielte, und vor Punk war das meine Musik. An dem Abend sagte er also zwischen den Titeln: „Hier ist etwas von dem Punkrock, von dem ihr vielleicht schon mal gehört habt.“ Dann spielte er „Sick of you“ von THE USERS und ich hüpfte mit einem Tennisschläger als Luftgitarre durch das Zimmer. Am Tag danach spielte er RADIATORS FROM OUTER SPACE und ALBERTO Y LOST TRIOS PARANOIAS. Diese Melodien hatten die Kraft und Energie von Metal, allerdings verdichtet auf zwei, drei Minuten. Im Gegensatz zu den längeren Metal-Titeln waren sie wie ein kurzer heftiger Schock. Aber einer, der mir wütendem Teenager Welten eröffnete. Jedenfalls war ich bereits süchtig, als ich die USERS gehört hatte, und mit jedem weiteren Punkrock-Song wurde mir bewusster, dass das genau meine Musik war!
Wie hast du Schlagzeugspielen gelernt?
Ich habe einige Zeit in den USA verbracht, und als ich zurückkam, hatten THE INSANE bereits einen anderen Gitarristen gefunden, also hieß es Schlagzeug oder gar nichts. Ich würde sagen, ich habe es durch Nachahmung gelernt. Ich hatte nie Musikunterricht, also habe ich mir immer alles selbst beigebracht. Zwei wichtige frühe Einflüsse für das Schlagzeugspielen waren das Beherrschen der präzisen Viertelrhythmen beim VIBRATORS-Song „Flying duck theory“ sowie der Schlagzeuger Rab Fae Beith von THE WALL. Die Band live im Trucks in Wigan zu sehen, sorgte für einen Wendepunkt in meinem Kompetenzniveau. Rabs Beispiel verdeutlichte mir, was meinem Schlagzeugspiel noch fehlte. Mir wurde bewusst, dass das Betätigen des Fußpedals bei gleichzeitigem Anschlagen des Beckens entscheidend für meine Entwicklung sein würde.
Deine Zeit bei DISCHARGE war von eher kurzer Dauer. Was waren die Gründe dafür?
Als ich bei DISCHARGE anfing, lebte ich noch zu Hause bei meiner Mutter. Inzwischen ist es ja gut dokumentiert, dass sie mir das Vorspielen verschafft hat, nachdem sie eine Anzeige im Sounds Magazine gesehen hatte. Ich habe damals eigentlich erst seit sechs Monaten Schlagzeug gespielt und war bestimmt vier Jahre jünger als der Rest der Band. Sie hatten ja bereits seit 1977 Demos zusammen eingespielt. Ich fühlte ich mich nie so richtig in ihrem Kreis aufgenommen. So dass ich ungefähr nach der Hälfte der „Apocalypse Now“-Tour von 1981 schon beschlossen hatte, dass ich DISCHARGE direkt im Anschluss wieder verlassen würde. So sehr ich es auch versuchte, ich fühlte mich nie wirklich dazugehörig. Ich glaube, ein Teil des Problems war, dass ich immer noch alles aus der Fan-Perspektive sah, da ich bereits ein großer Anhänger der Band gewesen war, bevor ich bei ihnen einstieg.
Gibt es irgendwelche Anekdoten von dieser legendären Tour 1981 mit THE EXPLOITED, ANTI-NOWHERE LEAGUE, ANTI-PASTI und CHRON GEN?
Nein, nicht wirklich, wir waren ein Haufen ruchloser Gestalten, die zusammen auf Tour waren.
Hattest du beim DISCHARGE-Klassiker „Why?“ von 1981 Einfluss auf den Mix oder die Covergestaltung?
Mein Beitrag zu der „Why?“-12“ beschränkte sich auf den kreativen Prozess. Als wir ins Studio kamen, übernahm Mike Stone die alleinige Verantwortung für die Produktion und er wollte uns nicht dabeihaben, während er arbeitete. Wir hörten die endgültige Version erst, als wir das Vinyl in unseren Händen hielten. Wir hatte die EP mehr oder weniger in einem Take aufgenommen, mit nur einem zusätzlichen für Gitarren-Overdubs.
Dein Kommentar zu späteren DISCHARGE-Veröffentlichungen mit Sänger Cal?
Als die „Grave New World“ 1986 veröffentlicht wurde, war ich in den USA wegen der Hochzeit meiner Schwester. Ich hörte gerade Lokalradio und sie spielten Stücke von dem Album. Mein erster Gedanke war: Was zum Teufel ist das? DISCHARGE waren zu der Zeit gerade in den USA auf Tour und ich sah, dass sie in Dallas spielen würden. Ich war dann bei dem Auftritt, der im Gegensatz zu den anderen Terminen der Tournee als Metal-Show beworben wurde. In diesem Kontext funktionierte das Album besser, aber es war so weit von dem ursprünglichen D-Beat-Konzept entfernt, dass man zu dem Schluss gelangen musste, die Band habe sich völlig von ihren alten Fans abgewendet. Als ich das Album letztes Jahr noch einmal gehört habe, fand ich es erträglicher. Was „Massacre Divine“ betrifft, so war dies der Katalysator für die Entstehung von DISGUST. Als die Scheibe 1991 erschien, arbeitete ich beim Plastic Head-Vertrieb als Verkaufsleiter für Großbritannien. Zu dieser Zeit vertrieben wir das Album für Trojan. Als ich es mir anhörte, fand ich es schrecklich. In der Tat war ich so angewidert, dass wir eine Konzeptband gründeten, mit der wir versuchen wollten, anstelle dieser verwässerten Metal-Version mit Funk-Bass etwas zu produzieren, das die echten DISCHARGE-Fans gerne gehört hätten.
Mit THE INSANE wart ihr ein paar Mal mit einem Interrail-Ticket in Europa unterwegs. Wie waren die Zugfahrten, die Auftritte, was habt ihr über die „europäische Szene“ außerhalb Englands erfahren?
Es hat mich ehrlich gesagt völlig umgehauen. Hier ist unsere kleine Band aus Wigan und dort die Kids in Deutschland, der Schweiz, die mitsangen und sogar Schlange standen, um in die Konzerte reinzukommen. Es hat mir ein erst mal die Augen geöffnet, wie gut alles auf dem Kontinent organisiert ist. Die Auftritte waren meistens fantastisch, und wir bekamen eine großartige Resonanz vom Publikum. Jedes Mal, wenn wir wiederkamen, waren der Zuspruch größer und 1983 absolvierten wir unsere erste Headliner-Tour durch Europa. Es war fantastisch, mit dem Zug zu reisen, vor allem durch die Schweiz. Es war ein großes Abenteuer für uns drei Musiker, die nie zuvor im Ausland gewesen waren. Alles war neu für uns. Die Leute, die wir trafen, waren super drauf, und die Auftritte waren alle perfekt organisiert mit sehr guter Werbung vorab.
Danach gab es zwei Versionen von THE INSANE ...
Das war ziemlich dumm, um ehrlich zu sein, und es kam zustande, nachdem die Hälfte der Band einen Auftritt im Skunx, ein Club im Londoner Stadtteil Islington, absagen wollte. Skunx stand für „Skins“ und „Punx“, und dementsprechend setzte sich auch das Publikum zusammen. Meine spätere Hälfte von INSANE hielt es für falsch, einen Gig am Tag des Konzerts abzusagen, und wir bestanden darauf hinzugehen. Wir entschieden uns dann an Ort und Stelle, die Band zu verlassen. Ich war bereits Jahre zuvor schon auf den Bandnamen gekommen, als es nur mich und Barry gab, noch im Billy-Bragg-Stil und ohne Schlagzeuger. Jedenfalls teilten wir uns in zwei Lager auf, die beide den Namen beanspruchten. Meine Hälfte nahm ein Demo für No Future auf, wo auch die INSANE-7“ „El Salvador“ erschienen ist. Die Songs wurden aber erst 2017 auf dem spanischen Label Vomitopunkrock Records als „Demo 81 & More“ veröffentlicht. Die Aufnahmen waren damals lediglich für die Band und ein paar Freunde bestimmt. Ich glaube, wir haben zehn Kassetten-Exemplare angefertigt, um sie zu verteilen. Die andere Hälfte arbeitete währenddessen an der „Why Die!“-Single. Um ehrlich zu sein, ich war hin und weg, als ich die hörte, und bis heute ist es immer noch meine Lieblingsplatte von INSANE.
Was hattest du an der 1983 erschienenen „Animals In Lipstick“-EP von BLITZKRIEG auszusetzen, bei der du getrommelt hast?
Ich habe nichts gegen die Lieder oder Texte, für mich ist das Problem die Aufnahme. Wir waren eine ernsthaft engagierte und starke Live-Band, als wir ins Studio gingen. Nach Auseinandersetzungen mit No Future über Tantiemen unterschrieben BLITZKRIEG bei Illuminated, die sich zu der Zeit um SEX GANG CHILDREN kümmerten. Eigentlich sollten wir mit ihnen durch Großbritannien touren, um unsere Single zu promoten. Doch bereits nach der ersten Show schmissen uns SEX GANG CHILDREN aus der Tour. Unser Sound wurde zu dieser Zeit immer knirschender und schwerer, ähnlich wie KILLING JOKE, mit einem Hardcore-Einschlag, aber dem Toningenieur gelang es nicht, diese Intensität einzufangen, und die Platte klang schwach und lahm, obwohl sie eigentlich eine absolute Bestie hätte sein sollen.
Wie war deine Zeit bei der Anarchopunk-Band FLUX OF PINK INDIANS?
Hahahaha, kurz. Ich hatte versucht, FLUX OF PINK INDIANS für einen Gig zugunsten der Campaign for Nuclear Disarmament/CND in Wigan zu buchen, aber als ich mit Colin, ihrem Sänger sprach, erzählte er mir, dass ihr Schlagzeuger und ihr Gitarrist die Band nach der „Neu Smell“-EP 1981 verlassen hatten, so dass sie nicht mehr in der Lage sein würden, den Gig zu spielen. Ihr Song „Tube disasters“ machte sich gut in den Indie-Charts und bei THE INSANE warteten wir gerade noch auf die Veröffentlichung unserer EP bei Riot City, und so fragte ich unseren Gitarristen Simon, ob er Lust hätte, mit mir bei Flux einzusteigen, und er stimmte zu.
Wurdet ihr beide so lausig bezahlt, weil Flux zu viele Benefizkonzerte gespielt haben oder weil der Rest der Band das Geld für sich behielt?
Ein Teil des Problems war die Verbindung der Band zu CRASS. Ich erinnere mich daran, dass wir, als wir mit ihnen tourten, jeweils zehn Pfund plus Spritgeld bekamen. Die Auftritte von CRASS waren immer voll, und auch wenn der Eintrittspreis sehr niedrig war, kamen doch meist gut tausend Leute zusammen. Zugegeben, es waren Benefizkonzerte, aber es fühlte sich an, als bekämen wir ein bisschen wenig dafür. Die Band wusste immer Bescheid, was bei THE INSANE anstand, und unsere „Politics“-EP sollte ja ungefähr zu der Zeit erscheinen, als wir zu Flux kamen. Wir hatten das Glück, mit einer anständigen Agentur zusammenzuarbeiten, so dass wir damals mit INSANE auf vielen Festivals spielten. Wir waren für das Rainbow Theatre in London gebucht worden, doch aufgrund gewisser vertraglicher Probleme beschlossen FLUX OF PINK INDIANS, für denselben Tag, an dem der Gig stattfinden sollte, ein Studio zu buchen für eine Neuaufnahme der „1970’s E.P.“ von Colins anderer Band EPILEPTICS. Ich weiß nicht, ob es darum ging, unsere Loyalität zu testen oder so was, aber Simon und ich beschlossen, stattdessen mit INSANE im Rainbow Theatre aufzutreten. Das führte zum Bruch zwischen uns und Flux, die uns als „Sellout“ beschimpften. Dabei nahmen an dem Konzert bestimmt 15 Bands teil und der Eintritt betrug etwa drei Pfund. Jahre später, nachdem sich alles beruhigt hatte, trafen sich Simon und Flux-Sänger Colin wieder und gründeten zusammen die Band HOTALACIO.
Wie hast du Beki von VICE SQUAD kennen gelernt?
Über DISORDER, als ich bei DISCHARGE spielte. Sie kamen nach Stoke, um Mike Stone von Clay Records die Band vorzustellen. Wir trafen uns schließlich und hatten eine sehr kurze Affäre. Ich glaube, Simon Edwards von Riot City hat uns unter Vertrag genommen, weil er das Demotape von INSANE hörte, das ich ihr gab.
Deine persönlichen Erfahrungen mit Riot City, No Future und Manic Ears Records?
Riot City hat uns eine Chance gegeben und INSANE zum Durchbruch verholfen, so dass ich ihnen dafür immer dankbar sein werde. No Future hat uns übers Ohr gehauen und wir wurden nicht bezahlt. Manic Ears war das beste Label unter den dreien. Ich zog später nach Bristol, arbeitete für Shane und spielte bei DOCTOR AND THE CRIPPENS, das war zu der Zeit, als SAW THROAT dort „Inde$troy“ und „Never Mind The Napalm Here’s Sore Throat“ herausbrachten. Wir sind bis heute noch Freunde, und er hat mich in den letzten Jahren mehrmals in Berlin besucht. Tatsächlich sprach ich erst kürzlich mit ihm.
Du hast dann Anfang der Neunziger Jahre bei DISGUST auch Gitarre gespielt. Hattet ihr die Absicht, einen ähnlichen Sound wie bei dem 1982er DISCHARGE-Debütalbum „Hear Nothing See Nothing Say Nothing“ hinzubekommen? Und wart ihr mit dem Ergebnis zufrieden?
Ich dachte, wir hätten mit „Brutality Of War“ das ultimative D-Beat-Vermächtnis geschaffen. Wie bereits erwähnt, haben wir uns als Reaktion auf „Massacre Divine“ formiert. Und im Sinne eines richtigen D-Beat-Tributs würde ich sagen: Mission erfüllt. Die Idee hinter DISGUST war, die eine Scheibe zu veröffentlichen und dann Schwamm drüber. Wir hatten jedoch keine Ahnung, dass die Platte so gut ankommen würde, vor allem bei der Metal-Presse. Höchstwahrscheinlich hat es geholfen, bei Earache zu sein. Wir versuchten allerdings nicht, noch ein weiteres Album wie „Hear Nothing ...“ zu machen, schon weil mein Gitarrenspiel nicht so toll war. Deshalb hatte ich auch meinen alten Kumpel Gary Sumner von BLITZKRIEG dazugeholt. Er hat meine Fehler oft überdeckt, haha. Earache verschaffte uns 1994 einen Platz als Support bei der „Full of Hate“-Tour mit MORBID ANGEL, CANNIBAL CORPSE, UNLEASHED und SAMAEL. MORBID ANGEL waren ein bisschen spießig und blieben für sich, aber wir hatten viel Spaß mit den anderen Bands, vor allem mit CANNIBAL CORPSE.
Warum habt ihr die Scheibe nicht von Colin Richardson produzieren lassen?
Wie gesagt, wir haben nicht versucht, den „Hear Nothing ...“-Sound zu kopieren, und wir wollten die totale Kontrolle im Studio, also haben wir es selbst abgemischt.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit Earache Records?
Abgesehen von dem anfänglichen Vorschuss, um ein anständiges Equipment für die Tour zu kaufen, gab es nicht viel Kontakt. Ich habe nie einen Penny an Tantiemen gesehen.
Vor der zweiten DISGUST-Platte „A World Of No Beauty“ bist du ausgestiegen ...
Ich hatte gerade meine zukünftige Frau kennen gelernt, die bei Epitaph in Amsterdam arbeitete. Ich wusste, wenn das mit uns funktionieren sollte, musste ich nach Holland ziehen, also kündigte ich alles in Großbritannien und zog aufs Festland. Seitdem bin ich hier.
Würzel, langjähriger Gitarrist bei MOTÖRHEAD, nahm dann bei der folgenden Veröffentlichung deinen Platz ein. Habt ihr euch mal persönlich kennen gelernt?
Beim Plastic Head-Vertrieb war ich zu der Zeit vom Verkaufsmanager zum Marketing-Promotions-Manager gewechselt. Wir verkauften gerade SPV-Platten, als sie mit dem neuen Album von MOTÖRHEAD ankamen. Für mich als langjährigen Fan war das wirklich aufregend. Wir beschlossen, einen Pressetag mit Lemmy zu veranstalten, und ich organisierte alle Interviews für das Vereinigte Königreich. Ich hatte auch mit Würzel über die Zeitschrift Guitarist gesprochen. Wir verstanden uns gut und wurden Freunde. Bevor ich nach Holland abreiste, fragte ich ihn, ob er Interesse hätte, bei DISGUST, die ein zweites Album auf Nuclear Blast planten, einzusteigen und meinen Platz in der Band einzunehmen. Er stimmte zu, und so konnte ich mit gutem Gewissen gehen, da ich wusste, dass diese Legende mich in der Band ersetzen würde.
Wie sah dein Tätigkeitsfeld beim Plastic Head-Vertrieb aus?
Ich begann damit, im Lager zu arbeiten, wechselte in den Vertrieb und wurde schließlich Verkaufsleiter. Meine Aufgabe bestand darin, neue Kunden zu akquirieren und mehr Platten zu verkaufen. Wir spezialisierten uns auf Punk- und Metal-Musik. Ich würde sagen, wir waren die Anlaufstelle für sämtliche obskure Death-Metal- und Punk-Labels. Als wir es geschafft hatten, uns fast jedes verfügbare Label im Vereinigten Königreich zu sichern, wurde mir der Job zu langweilig, so dass ich den Vorschlag machte, eine Presseabteilung zu gründen. Steve Beatty war von der Idee begeistert und wir begannen, den Labels diesen Service als Dienstleistung anzubieten. Die Labels mussten nichts weiter tun, als uns mit den Werbematerialien zu versorgen, und ich kümmerte mich um den Rest. Das war ein wirklich cooler Job, der jeden Tag neue Herausforderungen bot. Ich habe es geschafft, so fantastische Acts wie MOTÖRHEAD, BATHORY und Dave Lombardo zu promoten, um nur drei zu nennen, und mir einige großartige Exklusivrechte zu sichern. Zu dieser Zeit begannen wir auch damit, Black Metal zu verkaufen, und ich konnte das Kerrang! Magazine davon überzeugen, einen Beitrag über die aufstrebende Szene in Norwegen zu veröffentlichen. Ich war beteiligt an der Werbung für unsere erste Vertragsunterzeichnung auf unserem hauseigenen Label Candlelight. EMPEROR DIES waren meine erste Frontcover-Promotion. Während dieser Zeit produzierte Plastic Head auch einen Fernsehspot für das OFFSPRING-Album „Smash“, das wir vertrieben, nachdem wir den Vertrag mit Epitaph für Großbritannien abgeschlossen hatten.
Wie kam dein Wechsel zu elektronischer Musik zustande?
Als ich nach Holland zog, es war noch die DISGUST-Ära, wollte ich dort eine Band gründen, die brutalen Hardcore spielt. Ich bin mir sicher, dass es dort so etwas gab, aber ich habe nie die richtigen Musiker gefunden, und jeder, den ich traf, interessierte sich letztendlich nur für NOFX- und BAD RELIGION-Style-Hardcore. Poppigeren Sound, auf den ich nicht wirklich stand. Ich wurde fast verrückt und musste eine Form des Ausdrucks finden. Ich hörte etwas Techno und mochte ihn, war aber immer davon ausgegangen, dass man dafür ein Studio mit kostspieliger Ausstattung benötigte. Als die Software FL Studio auf den Markt kam, änderte sich das, und schließlich konnte ich mit der Produktion beginnen, vor allem aber fand ich ein neues kreatives Betätigungsfeld. Ich hatte das Glück, dass die ersten von mir produzierten Tracks von der Detroiter Legende Derrick May von Transmat Records entdeckt wurden, und er setzte sie ganz oben auf seine Hitliste. Mit diesem Kick fing alles an, und nach dem ersten Jahr, in dem ich selbst produzierte, hatte ich sechs EPs veröffentlicht. Ich habe mich für Techno entschieden, weil es mit seinem rohen, aggressiven Sound wie elektronischer Punk klingt. Die ganze Szene war auch sehr DIY, so dass ich sie mit Punk in Verbindung bringen konnte.
Was sind deine aktuellen musikalischen Projekte?
Ich habe vor ein paar Jahren eine neue Band namens MACHETE FUCK gegründet, die sich aber bereits wieder aufgelöst hat. Wir haben ein Demo aufgenommen, „Atavic Scars“, das kostenlos bei Bandcamp herunterladen werden kann. Unsere Gitarristin hat übrigens eine neue Band namens APTERA, eine „all female grinding doom band“, die beachtenswert ist, wenn man auf Kiffer- oder BLACK SABBATH-Riffs steht. Ansonsten habe ich an drei Soundtracks mitgearbeitet, die für Ungovernable Force Films aus Boston über Troma vertrieben wurden. Sie kontaktierten mich, weil sie Musik von INSANE in einem ihrer Filme zu verwenden wollten. Der Regisseur fragte mich, was ich heute mache, also spielte ich ihm etwas von meiner elektronischen Musik vor, und er lud mich ein, Teil des Teams zu werden. Der letzte Film hieß „Streets Run Red“, eine Kopie des Soundtrack-Albums steht jetzt in der Bibliothek im British Museum. Ich habe auch ein Album veröffentlicht beim Label Rekids, das von einem der Berghain-DJs betrieben wird. Es ist mehr im Stil von MASSIVE ATTACK und BURIAL und mit nichts vergleichbar, was ich bisher gemacht habe: tief, dubby und sehr filmisch. Wahrscheinlich aber nicht so interessant für Ox-Leser. Schließlich arbeite ich noch an einem Projekt mit meinem mexikanischen Mitbewohner Javier, der auch der Sänger bei MACHETE FUCK war. Er spielt Saxophon, und wir machen etwas elektronischen Jazz mit Live-Saxophon. Von JAZZZ MILLS AND SMACK DAVIS gibt es demnächst etwas auf Bandcamp zu hören.
Hast du dir jemals Gedanken über einen möglichen Reunion-Gig mit INSANE, DISGUST oder DOCTOR AND THE CRIPPENS gemacht?
Ich verstehe, warum Bands das tun, und es existiert offensichtlich ein Markt für solche Reunion-Projekte. Es gibt auch eine neue Generation von Punk-Fans, die beim ersten Mal nicht die Chance hatten, diese Bands live zu sehen. Aus dieser Perspektive bin ich also damit einverstanden. Aber für mich würde es sich wie ein Rückschritt anfühlen. Es wäre den Aufwand nicht wert, außer dahinter stünde der ernsthafte Versuch, wieder neue Songs zu schreiben, zu touren und so weiter. Ich habe zudem einen Nervenschaden erlitten, als ich mich mal am Rücken verletzt habe, und meine Koordination ist nicht mehr das, was sie mal war, und es würde viel Trainingszeit erfordern, um wieder in Form zu kommen. Daher lautet die Antwort wohl: nein. Nebenbei bemerkt, DOCTOR AND THE CRIPPENS haben sich reformiert, heißen jetzt aber nur noch CRIPPENS ...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Björn Fischer