DAMAGED GOODS RECORDS

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FCK BRXT

Seit dem 1. Januar ist Großbritannien raus aus der EU. Egal, was soll’s, nur doof, dass das jetzt bei der nächsten Londonreise aufwendiger ist? Nein, etwas komplexer ist die Sache: War es bisher simpel, Platten – egal ob neu oder gebraucht – direkt in UK zu kaufen, haben jetzt Versender:in wie Empfänger:in Zollformalitäten inklusive nicht unerheblicher Mehrkosten wie Hundescheiße am Schuh kleben. Der Brexit trifft damit auch mit voller Wucht kleine Punklabels wie Damaged Goods aus London, dessen Co-Betreiber Ian ich dazu interviewte.

Ian, du betreibst ein Label und einen Mailorder. Wie hat sich der Brexit auf dein tägliches Geschäft ausgewirkt?

Es war so ein Schock, als uns am 1. Januar plötzlich die Realität einholte. Das liegt auch daran, dass unsere dumme Regierung uns versichert hat, dass es keine Probleme geben und sich nichts ändern würde ... Ja, genau! Schätzungsweise gehen 30 bis 40% unseres Versandgeschäfts nach Europa, je nach Veröffentlichung, und das ist jetzt beinahe völlig zum Erliegen gekommen. Der letzte große Release war am 5. Januar das 4-LP-Boxset von Billy Childish, mailorder only. Etwa ein Drittel der 126 Bestellungen kamen aus Europa und wir beschlossen, sie per Kurier zu verschicken, damit sie sicher ankommen, da es ein teures Set ist. Von den vierzig Paketen stecken immer noch über zwanzig beim Zoll oder der Spedition fest oder sonst irgendwo. Es ist die schlimmste Zeit, die wir je im Versandhandel erlebt haben, und offensichtlich auch nicht sehr erfreulich für unsere Kunden.

Kannst du beziffern, was der Brexit euch kosten wird?
Ich würde sagen, es geht bereits jetzt in die Tausende. Unser Hauptvertriebspartner in Europa holt jetzt keine Platten mehr aus Großbritannien ab, so dass wir sie zu deren Lagerhaus schicken müssen, und die Versandkosten für eine Palette Tonträger, das sind ungefähr 1.000 bis 1.500 Platten/CDs, sind von 160 Pfund im Dezember auf jetzt über 350 Pfund gestiegen. Aber die Frachtunternehmen wollen das Geschäft gar nicht, da es für sie am Zoll so kompliziert ist mit dem ganzen Papierkram und ohne Infos von der britischen wie der europäischen Seite.

Du hast Freunde in der gleichen Branche. Was sind ihre Erfahrungen?
Ich habe mit vielen Labels ähnlicher Größe und großen britischen Distros gesprochen und es ist überall das Gleiche, alle haben große Probleme mit dem Versand nach Europa.

Ich habe von Firmen aller Art gehört, dass sie ihr Geschäft in die EU verlagern werden, zum Beispiel eine EU-Niederlassung aufbauen, um Mailorder-Lieferungen zu versenden ...?
Ja! Die britische Regierung rät den hiesigen Unternehmen, wir sollten darüber nachdenken, eine Vertriebsfirma in Europa zu gründen und uns für die Mehrwertsteuer in allen wichtigen Regionen zu registrieren. Das ist schon erstaunlich, die Idee des Brexit war doch, wie Boris Johnson sich ausdrückte: „Make Britain great again.“ Ich kann kaum fassen, wie sehr sie das versaut haben. Ich habe das Gefühl, spätestens Ende 2021 sind wir ein sehr kleines Land mit sehr großen Arbeitsplatzverlusten und einer furchtbar hohen Inflation. Im Moment können sie es noch vertuschen, aber es wird bald offensichtlich sein, dass sie die Auswirkungen auf die meisten britischen Unternehmen massiv unterschätzt haben, plus all die Probleme, die auf europäische Arbeiter, die für alle möglichen Jobs dringend gebraucht werden, in Großbritannien zukommen.

Was, denkst du, könnte der Brexit an Jobs im Musikbusiness vernichten? Ich kann mir vorstellen, dass Punks, die in einem Lagerhaus den Versand von Vinyl, Shirts abwickeln, ihre Arbeit verlieren, weil es weniger Bestellungen vom Kontinent gibt. Das ist irgendwie offensichtlich, aber was gibt es noch?
Ja, ich denke, es wird weniger Auswirkung auf das Musikgeschäft direkt haben, aber da es das Touren in Europa für kleine oder mittlere Bands schwieriger macht, wird es bedeuten, dass sie nicht mehr so viele Leute in der Crew mitnehmen können. Allgemein könnten Arbeitsplätze nach Europa abwandern, vermutlich werden auch viele Musiker das Land verlassen. Das Merchandise-Geschäft wird sich definitiv nach Europa verlagern, weil es sich nicht rechnet, die Sachen von hier mitzunehmen, und man sie genauso gut in Europa drucken lassen kann.

Und was ist mit „euren“ Bands und deren Tourplänen für Europa?
Wegen Corona ist im Moment nichts los, aber ich habe mit ein paar Bands und deutschen Booking-Agenturen gesprochen und sie wissen alle, dass es deutlich schwieriger wird, Geld zu verdienen. Eine Menge Bands machen das Ganze nur zum Spaß, sie kamen bisher mit einem kleinen Plus von im Schnitt 500 Pfund zurück, aber so, wie es jetzt ist, könnten sie am Ende Geld verlieren und das wird viele Bands davon abhalten, den Kanal zu überqueren ... Ich denke, es wird auch schrecklich für die Szene hier. Bands aus den USA und dem Rest der Welt, die in Europa touren, werden sie sich zweimal überlegen, ob sie nach Großbritannien kommen. Die Konditionen waren für die meisten Bands nie besonders gut und jetzt lohnt es sich noch weniger.

Außerdem ist da noch die Pandemie. Geht es dir gut und bist du gesund? Wie ist es in London zur Zeit?
Ja, alles gut hier, wir hatten COVID-19 und haben es überlebt. London ist ruhig. Ich hoffe nur, dass es, wenn alles vorbei ist, immer noch eine ordentliche Anzahl an Live-Locations und Pubs gibt, die den Lockdown überlebt haben.