DAMAGE CONTROL aus Norwegen sind meiner Meinung nach eine der momentan besten europäischen Hardcore-Bands, die sich durch einen sehr eigenen Sound irgendwo zwischen Youth Crew-Hardcore und den melodischen Elementen von Bands wie DAG NASTY auszeichnet, sowie durch die richtige Präsenz auf der Bühne.
Da jetzt eine neue LP der Band ansteht, war es an der Zeit, Gitarrist Daniel Frankowski (ex-Sänger der deutschen Youth Crew-Band EYEBALL) mal ein paar Fragen zu stellen.
Inwiefern passt deiner Meinung nach eine Band wie DAMAGE CONTROL in die heutige „Hardcore-Szene“, die anscheinend immer kommerzieller wird? Ich meine, mit dem, was sich heute teilweise Hardcore schimpft, habt ihr ja überhaupt nichts zu tun ...
„Ich versuche zwar immer, allen Dingen gegenüber offen zu sein, aber es werden heutzutage Sachen Hardcore genannt, das ist schon nicht mehr schön. 60% aller Bands, die sich in der Hardcore-Szene rumtreiben, spielen nicht unbedingt Hardcore und haben auch nicht die passende Einstellung. Es ist mehr oder weniger Metal mit kurzen Haaren. Also genau das, wovor ich vor 14 Jahren – noch mit langen Haaren – geflüchtet bin. Allerdings habe ich auch nicht das Recht zu bestimmen, was Hardcore ist und was nicht, und aus diesem Grund versuche ich, mich größtenteils aus der ganzen Sache rauszuhalten und ziehe mein eigenes Ding durch. Wir achten halt nicht auf Trends, und spielen Hardcore so, wie wir es mögen. Und wir werden es auch so fortsetzen.“
Wo sind deiner Meinung nach eure deutlichsten musikalischen Einflüsse? Ihr habt ja schon einen sehr eigenen Sound. Vor allem die neuen Songs scheinen noch melodischer geworden zu sein. Keine Lust mehr auf den reinen Youth Crew-Sound à la EYEBALL bzw. SPORTSWEAR?
„Musikalisch sind wir von vielen verschiedenen Bands beeinflusst. Persönlich würde ich sagen YOUTH OF TODAY, DAG NASTY, FAITH, späte BOLD und UNIFORM CHOICE. Daraus kreierten wir unseren Sound. Wir hatten das nicht geplant, es ist halt so entstanden. Die neuen Songs sind schon etwas melodischer ausgefallen, was aber daher kommt, dass wir schon seit einiger Zeit zusammen spielen, eine Einheit bilden und zusammen die Stücke entwickeln. Alle von uns bringen auch verschiedene Einflüsse in die Band, die sich dann in der Musik widerspiegeln. Es gab EYEBALL und SPORTSWEAR schon, warum sollte man noch mal die gleiche Band starten?!“
Wer hat denn bei euch musikalisch und bei den Texten die Fäden in der Hand? Ihr habt ja vorher alle schon in mehr oder weniger bekannten Bands gespielt.
„99 % unserer Texte schreibt Espen, unser Sänger. Per Oskar hat ein paar Texte von der 7“ geschrieben. Ich schreibe alle Songs, die wir dann gemeinsam proben und zusammen überarbeiten, wenn nötig.“
Meinst du, dass irgendwann noch einmal ein richtiges „Youth Crew“-Revival stattfinden kann, jetzt, wo alle Old School-Leute auf den ganzen NY- und Tough Guy-Kram abgehen?
„Hardcore ist halt von Trends bestimmt, wie alles andere leider Gottes auch. Erst war es das ‚Youth Crew‘-Revival, wie du es nennst, dann Emo, jetzt New York und irgendwann fängt es wieder von vorne an, so ist es schon immer gewesen. Wir machen uns nicht viel daraus, wir ziehen unser Ding durch und spielen die Musik, die wir mögen. Mich kotzt es halt schon an, dass plötzlich alle versuchen, die Härtesten im Pit zu sein, und es scheinbar nur darum geht, wie viele Leute du umhaust. Aber die Leute werden auch wieder verschwinden. Irgendwann gibt es eine Gegenreaktion und es kommt etwas Neues.“
Wie reagiert das Publikum denn auf euch? Bis auf euren Auftritt auf der EYEBALL-Reunion hab ich bis jetzt keine Show von euch gesehen, wo ihr die Action, die ihr verdient habt, bekamt.
„Die Shows, die wir bis jetzt gespielt haben, waren alle sehr unterschiedlich. Wir haben genauso schon vor zehn Leuten gespielt wie vor 500. Es kommt immer drauf an, wo wir spielen. Es waren sehr gute Shows dabei und auch schlechte, das gehört halt dazu. Die Shows könnten schon etwas besser sein, das stimmt schon, aber vielleicht ändert sich das, wenn die LP erscheint. Außerdem glaube ich, dass wir für viele nicht den richtigen Sound spielen, vielleicht sind wir zu melodisch. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.“
Wie kam es eigentlich zu der EYEBALL-Reunion?
„Das war eigentlich die Idee von Björn von BLACK FRIDAY ‘29. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, eine Reunion-Show zu spielen, halt nur so ein einmaliges Ding, und er würde dann auch all die anderen fragen. Ich hielt das eigentlich für eine ganz gute Idee. Er hat das alles also angeleiert. Ingo und Thorsten hatten an dem Tag leider keine Zeit, so sind dann halt Pete und Sven von BLACK FRIDAY ‘29 eingesprungen. Es war also keine komplette Band-Reunion. Die haben dann halt in Deutschland geprobt, und ich habe versucht, die Texte wieder zu lernen. Das hat auf jeden Fall Spaß gemacht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das noch mal machen werden. Ich hatte danach noch einige Anfragen bekommen, ob wir nicht noch mal spielen wollen, aber bis jetzt immer abgelehnt. Eine Reunion ist mehr als genug.“
Warum seid ihr von Crucial Response zu Livewire Records gewechselt? Seid ihr mit Livewire mehr zufrieden? Ich meine, ihr seid mit den anderen Bands des Labels ja nun wirklich in sehr guter Gesellschaft.
„Es gab verschiedene Gründe für den Wechsel. Ein Grund war, dass ich und Espen fast mit allen unserer Bands Platten bei Crucial Response veröffentlicht haben, und wir wollten einfach ganz gern mal was Neues ausprobieren. Wir waren nie unzufrieden, und Peter hat immer sehr gute Arbeit geleistet, es lag also nicht daran. Es war einfach nur die Lust, etwas Neues zu starten. Wir hatten halt verschiedene Angebote, und haben uns dann für Livewire entschieden. Wir sind schon länger mit Ed befreundet gewesen und wussten, dass er unbedingt mit uns arbeiten wollte. Die gute Gesellschaft hat die Entscheidung natürlich ein bisschen vereinfacht. Bis jetzt sind wir auch sehr zufrieden. Wir müssen halt abwarten, bis die LP erscheint, und wie es dann laufen wird. Das Album wird jedenfalls im gleichen Stil wie die 7“ sein, allerdings finde ich, dass das Songwriting viel besser geworden ist – die Stücke sind abwechslungsreicher. Es finden sich darauf ziemlich harte Songs wie auch mehr melodische. Für jeden etwas. Es wird zuerst nur die CD erscheinen, und dann zum Sommer hin kommt das Vinyl.“
War eure US-Tour nicht vielleicht etwas zu verfrüht? Hat man es als Band aus Europa in den Staaten nicht schwer, allein schon wegen den ganzen Vorurteilen?
„Ich glaube eigentlich nicht, dass es zu früh war. Wir hatten zwar nur eine 7“ draußen und hätten eigentlich warten können, aber ich glaube trotzdem, dass es eine gute Idee für uns war, in die Staaten zu gehen, um uns zu promoten. Wir hatten auch keine hohen Erwartungen, um so überraschter waren wir, dass einige Leute unsere Songs kannten, und wir ein paar wirklich gute Konzerte spielten. Die ganze Tour ergab sich, weil ich schon vorher gut mit Stephen und Aaron von THE FIRST STEP befreundet war. Die fanden uns halt richtig gut und fragten uns, ob wir nicht Lust hätten, sie auf einer Tour zu begleiten. Und so wurde die ganze Idee in die Tat umgesetzt. Wir sind dann für zehn Tage in die Staaten und haben an der Ostküste getourt. Das mit den Vorurteilen ist gar nicht so schlimm, wie die Leute glauben. Das ganze Ding mit den Amerikanern ist, dass sie Tausende von Bands in den Staaten haben, und natürlich brauchen die dann nicht die 1000. Kopie aus Europa von GIVE UP THE GHOST, wenn die schon das Original haben. Du musst schon deinen eigenen Sound haben, und einen Sänger, der keinen Akzent hat. Du musst zeigen, dass du als Band wirklich hart an dir arbeitest.“
Ihr scheint die Band ja schon verdammt ernst zu nehmen, und seid ja auch häufiger auf Tour. Ist das Ganze für dich mehr als ein Hobby?
„Es ist ganz klar mehr als ein Hobby, wir können die Band zwar nie fulltime betreiben, aber wir versuchen schon, so viel wie möglich mit der Band zu unternehmen. Das ist ja der Sinn der ganzen Sache. Ich würde schon ganz gerne einen Schritt weiter gehen, aber zur Zeit ist es für uns leider nicht möglich, da einige von uns zur Schule gehen oder noch in anderen Bands spielen. Allerdings planen wir auch schon unsere nächste Europa- und US-Tour.“
Wie kommt man eigentlich auf die Idee, von Deutschland ins noch kältere Norwegen zu ziehen? Ich denke mal, dass du da von tourenden Bands nicht viel mitbekommst ...
„Ich bin damals aus verschieden Gründen nach Norwegen gezogen. Erstens war meine damalige Freundin aus Norwegen, zweitens sollte ich eigentlich Gitarre bei SPORTSWEAR spielen, und außerdem brauchte ich mal eine kleine Veränderung und wollte was Neues machen. Ich hätte zwar nicht geglaubt, dass es so lange sein würde, aber so ist es nun mal gekommen. Das mit den tourenden Bands ist für mich ehrlich gesagt nicht so besonders wichtig, da es nicht mehr so viele Bands gibt, die mich unbedingt interessieren. Falls es doch mal der Fall ist, dass eine gute Band auf Tour ist, fliege ich halt nach Deutschland und guck sie mir an. Das kommt aber eher selten vor ...“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Fabian Dünkelmann
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