Crowdfunding betreibt das Ox schon seit 1989, wir nennen es „Abo“: viele Menschen geben wenig, aber in der Summer wird daraus viel und man kann mit dieser Summe einiges wuppen. Das regelmäßige Erscheinen eines Heftes zum Beispiel, oder eben die Produktion eines Albums, gängigster Gegenstand der meisten Crowdfunding-Kampagnen im Musikbereich. Aber gefühlt crowdfundet heute jedeR irgendwas, und was allgegenwärtig ist, kann auch mal nerven, so gut und legitim der eigentliche Ansatz auch sein mag.
Wer im Crowdfunding-Glashaus sitzt, sollte nicht verbal mit Steinen werfen auf andere, die das auch tun. Auch wenn 1989, als wir das Ox-Abo einführten, noch niemand von Crowdfunding redete, erfüllte es doch die gleiche Funktion: viele Menschen geben einen kleinen Beitrag, um damit etwas zu ermöglichen, was sonst nicht finanzierbar wäre. Die Druckkosten durch ein paar hundert im Vertrauen auf regelmäßiges Erscheinen des Ox voraus bezahlte Abo-Beiträge sicher in der Tasche zu haben, das half zu Zivi- und Studi-Zeiten erheblich weiter. Und wenn sich eine Band von ihren Fans Kredit geben lässt in Form von 20 Euro Vorschuss auf das neue Album, dessen Finanzierung sonst die Bandkasse mit 10.000 Euro über Gebühr strapazieren würde, gibt es daran nichts auszusetzen. Im Gegenteil, mir gefällt der demokratische Ansatz, die Idee der Teilhabe, der solidarische Aspekt, das Verteilen einer Last auf viele Schultern. Warum als Band bisweilen übervorteilende Verträge mit Verlegern und Labels eingehen, wenn man mit einem fertig produzierten Album auf der Matte stehen kann und damit eine viel bessere Verhandlungsposition hat, für Künstler/Musiker fairere Bedingungen ausdealen kann? Allerdings ist Crowdfunding heute längst zu einem klassischen Marketingtool geworden: Eine Band kann viele Fans mobilisieren und beweist das durch eine erfolgreiche Kampagne? Erst dann zeigen Labels Interesse, minimiert sich das unternehmerische Risiko, setzt man sich als Plattenboss ins gemachte Nest. Deshalb: Erst informieren, dann finanzieren! Auf Augenhöhe unter Gleichgesinnten ist Crowdfunding cool, als reines Vorbestellungstool für devote Fanboys- und -girls dagegen macht man sich zum nützlichen Deppen der Musikindustrie 1.0 im 5.0-Gewand.
Joachim Hiller
Was den Älteren unter euch noch als „Haste mal ’ne Mark?“ in den Ohren klingt, nennt man heutzutage „Crowdfunding“. Nur: Was bisher die Fußgängerzone war, ist längst auch im Internet angekommen – eben dort, wo der Konsum (eBay, Amazon, Youporn etc.) stattfindet. So kam es in Mode, dass Bands, Verbände und sogar Labels (ja, das sind auch „richtige“ Wirtschaftsunternehmen!) deine und meine Facebook-Timeline, das Mail-Postfach und den Twitter-Feed für sich als Bettelzone entdeckt haben. Es funktioniert so ähnlich wie auf der Straße: Dir wird präsentiert, wofür du Geld geben sollst, du spendest per Klick und bei erfolgreich abgeschlossener Kampagne, dessen Betrag nach einem mehr oder (meist) weniger professionellen Finanzplan festgelegt wurde, kann die Studioaufnahme, Hilfskampagne, Asientour starten ... Deine Sicherheit: Falls das für die Aufnahmen benötigte Geld nicht zusammen kommt, gibt’s die Kohle zurück! Okay, wer’s glaubt. Denn wenn Band XY nun ihr Album von der „Crowd“ sponsorn lassen will, gibt es das Versprechen vorab, eine Hammer-Scheibe abzuliefern. Eine, die du noch nie gehört hast, von der du noch kein Review gelesen hast und du nicht mal sicher sein kannst, dass es diese überhaupt aus dem Studio schafft. Zu dessen Kauf du dich aber schon verpflichtet hast. Als Dankeschön gibt’s dann ein zwischen zwei „richtigen“ Konzerten abgehastetes Wohnzimmerkonzert, ein Candlelight-Dinner mit dem stinkenden Gitarristen oder im angenehmsten Fall ein Autogramm zur LP. Bei kleinen Bands ist das ja sogar noch ansatzweise legitim, aber sobald dann doch ein Label (ich erinnere: Wirtschaftsunternehmen) dahintersteht, sollte das gefälligst selbst das Risiko eingehen und eine wirklich gute Platte produzieren lassen. Dann bin ich auch gerne bereit, dafür Geld auszugeben. Und zwar nachträglich.
Fabian Schulenkorf
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #124 Februar/März 2016 und