D GENERATION

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Gegen die Einweg-Gesellschaft

D GENERATION aus New York sind eine jener Bands, die lange weg waren vom Fenster, sich dann wieder zusammenrauften und irgendwann auf die Idee kamen, auch mal wieder neue Musik aufzunehmen. Gegründet 1991, machten sie zwischen 1999 und 2011 eine Pause. Und haben jetzt mit „Nothing Is Anywhere“ nicht nur ihr erstes Album seit 17 Jahren am Start, sondern auch eines, das nur so platzt vor großartigen Songideen zwischen Punk und Blues, Folk und Rock. So eine lange Pause scheint also Kräfte und Kreativität freizusetzen. Wir sprachen mit Frontmann Jesse Malin.

Jesse, D GENERATION wurden 1991 gegründet. 1999 habt ihr euch dann für zwölf Jahre aufgelöst. Nun lieben Bands es ja, Jubiläen zu feiern. Sprich: Ohne die Pause könntet ihr jetzt 25 Jahre D GENERATION feiern. Ärgerst du dich also im Nachhinein über die Bandpause?

Das ist zwar irgendwie schade. Aber ich denke, wir mussten diesen Schlussstrich ziehen, um auch einmal diese Seite der Medaille, diese neue Perspektive auf die Band zu sehen. Erst dadurch haben wir gelernt, uns gegenseitig und das, was wir mit D GENERATION haben, zu schätzen. D GENERATION ist letztlich eine Familie. Die Jungs waren schon ein Teil meines Lebens, bevor wir gemeinsam Musik machten oder uns gegenseitig mit Flaschen beworfen haben, haha. Und das wird immer so bleiben.

„Nothing Is Anywhere“ ist euer erstes Album nach 17 Jahren. Eine lange Zeit. Waren die Aufnahmen und die Veröffentlichung für euch trotzdem nur die übliche Routine – oder war das eher wie die Sache mit dem Kind, das sein lange Zeit vermisstes Lieblingsspielzeug wiederfindet?

Ein schöner Vergleich. Also für mich ist das ein Spielzeug, mit dem ich seit meinem zwölften Lebensjahr spiele. Damals dachte ich zwar, dass ich in meinem jetzigen Alter längst damit aufgehört haben würde, aber manche Dinge im Leben gehen eben immer weiter und bleiben immer gleich. Insofern war das nichts Neues für mich. Zudem waren wir damals schon ordentlich von der Welt angepisst – und sind es heute mehr denn je. Und das ist ein Luxus, wenn man Songs zu schreiben hat.

Wie war es, nach so langer Zeit wieder im Studio zu stehen?

Es war wundervoll. Weil wir mit einer großen Portion Rohheit und sehr simpel an die Sache herangegangen sind. Wir haben alles live in unserem Proberaum eingespielt. Danny Sage als Produzent hat dabei den ganzen Krach in vernünftige Bahnen gelenkt und die Songs am Ende, meiner Meinung nach, richtig strahlen lassen.

Und welcher dieser Songs war der erste, den du nach der langen Zeit der Bandpause und der Nicht-Veröffentlichung von Musik geschrieben hast?

Ich glaube, das war „Apocalypse kids“. Oder „Piece of the action“. Wie auch immer, die Idee dazu kam mir auf jeden Fall in meiner Wohnung, wo ich einfach rumprobiert und die Akkorde einfach rausgehauen habe. Gemeinsam mit Danny Sage, unserem Gitarristen, habe ich sie dann verfeinert. Am Küchentisch wohlgemerkt. Und dann wechselten wir noch mal in die Küche unseres Schlagzeugers Michael Wildwood und haben den Rest geschrieben. Michael hatte kurz zuvor noch einen halben Pott vegetarischer Dragon-Bowle verputzt und war entsprechend gut drauf und bereit zum Jammen, haha.

Und warum der Titel „Nothing Is Anywhere“?

Weißt du, wir leben in Zeiten einer sehr oberflächlichen Einweggesellschaft. Und in der ist es schwer, sich zu widersetzen und einen richtigen Weg für sich selber zu finden. Das Belanglose ist eben überall. Das spricht der Albumtitel an.

Entsprechend drehen sich einige der Songs um die Pseudokünstler unserer Zeit, andere um eure eigene Rolle – die als Außenseiter innerhalb des Musikbusiness und innerhalb dieser oberflächlichen Gesellschaft. Was bedeutet Kunst letztendlich für dich – und wie kann man sich als Künstler gegenüber all dem Mist dort draußen behaupten?

Du musst etwas Fundiertes zu sagen haben. Etwas Gehaltvolles. Du musst fühlen können und leidenschaftlich sein. Nur so kannst du aus Chaos etwas schaffen, was größer ist: Schönheit, Ästhetik. Egal, in welcher Kunstform.

Und wie schafft man es, inmitten all des Trubels um Multimedia, Kommerz und Casting-Wahnsinn, diese Ideale als Musiker hochzuhalten?

Na ja, wir haben keine andere Wahl. Wir versuchen nur, andere Menschen so zu behandeln, wie wir auch behandelt werden wollen und so zu sein, wie wir uns Künstler vorstellen. Am besten hilft dabei immer noch, niemals seine Herkunft und seine Wurzeln zu vergessen. Man muss geerdet bleiben.

Welche Berühmtheit ist heutzutage der größte Fake? Donald Trump?

Da gibt es zu viele. Aber wo du Trump gerade erwähnst: Auch wenn ich nichts von ihm halte und seine Politik nicht unterstütze und für gut befinde, denke ich, dass Donald Trump wesentlich authentischer ist als die meisten anderen Politiker, die sich alle ähneln und austauschbar sind. Ganz nach dem Motto: „Sag dem neuen Chef ,Hallo‘. Er ist der gleiche wie der alte.“

Trotz Unpersonen wie Trump und bedenklichen Haltungen, innen- wie außenpolitisch, sind die Menschen von deiner Heimat, den USA, fasziniert. Wie erklärst du dir das?

Ich kann da natürlich nicht für alle Menschen sprechen. Aber aus meiner Sicht ist es doch so: Wir haben die RAMONES, die STOOGES, Martin Scorsese, Chuck Berry und eine ganze Menge anderer, großartiger Künstler hervorgebracht. Und das sind schon ein paar Gründe, um fasziniert zu sein, haha.

Eure Musik und euer Auftreten sind seit jeher gespickt mit Verweisen auf das alte New York und eure eigene Geschichte in dieser Stadt. Was ist von damals übrig geblieben im Big Apple?

Einiges. Natürlich verändert sich alles. Aber die Kids aus New York wollen – wie die Kids anderswo – auch heute noch ausflippen und es vor allem auf eine Art und Weise tun: laut. Mit lauter und aggressiver Musik. Denn auch heutzutage brauchen die Menschen ein klein wenig Freiheit in ihrem Leben. Und um die zu finden, gibt es immer noch genug Bars und Clubs in der Stadt. Schön düster und schummrig und heruntergekommen und damit prädestiniert für all die kleinen Aufeinandertreffen und Kollisionen, die es gesellschaftlich so geben kann in einem Moloch wie New York und die das Leben aufregend machen.

Ihr seid also immer noch in die dortige Musikszene involviert?

Absolut. Wir kennen nach wie vor all diese Szene-Clubs und die Leute, die dort verkehren.

Eure Musik ist auch auf „Nothing Is Anywhere“ extrem facettenreich und enthält Elemente aus Punk, Rock, Blues und Folk. Manches gemahnt gar an die ROLLING STONES. Da drängt sich die Frage auf: Wie groß ist deine Plattensammlung daheim?

Haha, die ist in der Tat sehr groß – weil mein Musikgeschmack tatsächlich verdammt weit reicht. Ich höre Elton John und die Stones ebenso wie die BAD BRAINS, Frank Turner ebenso wie Jim Croce, DEAD KENNEDYS ebenso wie Bruce Springsteen.

Apropos Stones: Würdest du mit „siebzig plus“ noch auf der Bühne stehen wollen, so wie Mick Jagger und Keith Richards?

Warum nicht? Ich habe die Stones erst kürzlich noch beim Konzert gesehen und muss sagen: Sie waren verdammt gut! Genauso wie etwa Iggy Pop, der ja auch nicht mehr der Jüngste ist. Wer weiß, wie sie das machen. Vielleicht sind all diese Vitamin-Shakes und Heroin-Portionen dafür verantwortlich, haha. Aber sei’s drum: Ich liebe es, Musik zu machen. Und ich hoffe, ich kann das so lange wie möglich tun. Ich brauche dieses Auf-die Bühne-Gehen und ins Mikrofon-Keifen.