CYBER TRACKS RECORDS

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Teilen auf Augenhöhe

Durch mein PULLEY-Interview in Ox #151 wurde ich auf Cyber Tracks Records aufmerksam. Wie sich herausstellt, hat das kleine Label sich bereits mit UNWRITTEN LAW, TEN FOOT POLE, IMPLANTS und FENIX TX weitere gute Namen an Land gezogen. Und siehe da, als Geschäftsführer:innen entpuppt sich das Ehepaar Jennifer und Aaron Abeyta. Sie ist hauptberuflich Model, er ist den meisten wohl besser bekannt als El Hefe von NOFX. Von Jennifer erfahren wir, wie ein Label als Familienbetrieb funktioniert.

Jen, wo und wann wurde das Label gegründet und wer steckt dahinter? Was fasziniert dich daran, ein Label zu betreiben?

Aaron und ich haben Cyber Tracks 2011 gegründet. Wir haben ein Aufnahmestudio in unserem Haus aufgebaut und anfangs alles selbst gemacht, von der Produktion bis zum Vertrieb. Das Beste daran, ein Label zu leiten, ist, dass ich die Möglichkeit habe, mich mit dem zu beschäftigen, was ich über alles und leidenschaftlich liebe, nämlich Musik.

Gibt es eine Geschichte hinter dem Logo und dem Namen? Cyber Tracks deutet mehr auf digitale Veröffentlichungen hin, aber ihr habt auch eine große Auswahl an Vinyl.
Vinyl ist in der Punk-Szene sehr gefragt. Kein Vinyl anzubieten, würde die Leute enttäuschen. Wir machen meistens limitierte Farbvarianten, und die Leute sind begeistert, wenn sie die Chance haben, sie zu sammeln. Außerdem wollten wir uns auch voll und ganz auf die digitale Art des Musikvertriebs einlassen, daher der Name Cyber Tracks.

Habt ihr ein bestimmtes Label als Vorbild oder eine bestimmte Label-Philosophie?
Das Motto von Cyber Tracks ist „Für Künstler, von Künstlern“. Wir wollen unseren Bands eine faire Chance geben und eher eine Art familiäres Umfeld schaffen. Wir teilen alles gleichberechtigt mit unseren Bands. Wir verlangen zum Beispiel keinen Anteil von ihrem Merch, wie das anderswo üblich ist. Wir sind so strukturiert, dass das Label nicht mehr verdient als die Band und die Band nicht mehr als das Label. Teilen auf Augenhöhe.

Was waren eure wichtigsten oder meistverkauften Veröffentlichungen?
Ich würde keine Band als wichtiger einstufen als eine andere. Jedes Album hatte völlig unterschiedliche Absatzzahlen. Einige laufen super als Vinyl, andere digital, andere wiederum als Stream. Dann hängt es stark davon ab, ob eine Tour zur Veröffentlichung stattfindet, vom Alter der Fanbase – es ist sehr komplex. Aber das ist eine unserer Aufgaben als Label, für jede Band individuell den besten Markt herauszufinden und anzusprechen.

Mit PULLEY, IMPLANTS, TEN FOOT POLE habt ihr einige Bands unter Vertrag, in denen Mitglieder ehemaliger Epitaph- oder Fat Wreck-Bands spielen. Ist Cyber Tracks eine Art Zufluchtsort für Freunde, die es musikalisch etwas ruhiger angehen lassen wollen, ohne den Druck des ständigen Tourens?
Nein. Vor der Pandemie haben alle Bands regelmäßig Shows gespielt und Tourneen gemacht. Neben ihrer Familie, ihren Jobs und anderen Bandverpflichtungen. Ich organisiere jährlich Weihnachtsshows, bei denen sich unsere Bands treffen und zusammen auftreten können. Ein Familientreffen sozusagen, wir alle haben dort eine tolle Zeit.

Veröffentlicht ihr nur neue Alben oder denkt ihr auch über Rereleases nach?
Ich ziehe es vor, frische Alben aufzunehmen, die den aktuellen Produktionsstandards entsprechen. Ich denke, die Ohren vieler Fans sind mittlerweile an die heutige Soundqualität gewöhnt, mir geht es auch so. Ich hätte aber nichts gegen neu produzierte Rereleases, die könnte ich mir vorstellen.

Welche mittelfristigen Ziele habt ihr momentan?
Weiterhin gute Musik zu veröffentlichen! Wir haben ein paar Dinge für dieses Jahr in Planung – trotz der Pandemie. Wir arbeiten mit einer neuen Band namens URETHANE zusammen, die wir aufbauen wollen. Sie besteht aus Mitgliedern von WAR FEVER, BOMBPOPS, SKIPJACK sowie dem legendären Skater Steve Caballero, der bei THE FACTION war. Sie werden in ein paar Monaten mit Cameron Webb ins Studio gehen.

Was machst du neben dem Label momentan sonst noch?
Während des Corona-Lockdowns derzeit ist mein Sohn den ganzen Tag zu Hause und lernt online. Alle anderen beruflichen Aktivitäten und der normale Alltag sind also gestrichen. Ich habe ihn allerdings vorher schon vier Jahre lang zu Hause unterrichtet und mich gleichzeitig um das Label gekümmert. Das ist also nichts völlig Neues für uns, abgesehen davon, dass wir nirgendwo hingehen oder an Sport- und Schulveranstaltungen teilnehmen können. Wir haben vor kurzem mit dem Paddleboarding begonnen und sind an den Strand gegangen, als alles geschlossen war, was eine schöne und gesunde Abwechslung war. Ein anderes Hobby von mir ist Innenarchitektur. Aaron hat sich in letzter Zeit mehr auf seine Schauspielkarriere konzentriert.

Du bist schon lange in der Punkrock-Szene aktiv, nicht erst seitdem du Aaron kennst. Warum, denkst du, ist Punkrock ein so langlebiges Phänomen in deinem Leben, obwohl du dich als Model beruflich auch auf völlig anderem Terrain bewegst?
Mein Herz hängt daran. Ich kann es nicht ändern. Ein Label zu betreiben, selbst so ein kleines wie unseres, kann eine Menge Arbeit sein. Aber ich bin mit dieser Musik aufgewachsen, und ich will nicht, dass sie verschwindet. Ich werde alles tun, um dazu beizutragen, dass sie weiterhin lebendig bleibt. Es ist so schön, wenn ich höre, wie viele Leute unsere neuen Veröffentlichungen lieben und schätzen. Dieser Zuspruch gibt mir die Motivation, alles am Laufen zu halten.