Wieder ein großes Multi-Band-Konzert, wieder eine Pause, und wieder ein dämlicher Möchtegern-Performer für die Zuschauer, bis die nächste Gruppe spielt. Er hat rot gefärbte Haare, ist voll tätowiert und zieht gerade ein Kondom übers Mikro. Ich hole mir ein Bier und lege einen neuen Film in die Kamera. Er redet, das Publikum wird unruhig. Hintergrundmusik spielt. Ich merke, dass ich etwas verpasse. Zurück im Saal. Ich erfahre, Sean ist schon bei seiner dritten Nummer. Er sticht die vierte 15 cm lange Nadel durch seinen Nacken und lacht. Es geht weiter und die 1.200 Zuschauer werden Zeugen vom Höhepunkt des Abends. 15 Minuten zeigt er uns eine kranke Realität, die die meisten von uns nur vom Hören kennen. Er hämmert Nägel in seine Nase, zieht sich Riesenwürmer durch seinen Riecher, um sie dann aus dem Mund zu spucken. Er zündet einen Joint mit einem Stahlschleifer an, stoppt den Ventilator mit der Zunge, steckt seinen Schwanz in Mausefallen und lässt sie zuschnappen und trinkt ein Glas seiner eigenen Pisse. Und alles mit Humor und Witz. Viele, wie auch ich, sind begeistert und unterhalten sich prächtig. Andere sind schockiert oder ihnen ist übel geworden, da sie es nicht begreifen können. Voll mit Blut bedeckt, fordert er sein Publikum auf, wenn es noch kann, Teil 2 zu sehen: „Nach GUTTERMOUTH fresse ich meine eigene Scheiße.“ Als er später wieder auftaucht, hängt er fünf Meter über der Bühne an einem Haken, der durch seine Rückenhaut geht. Aua! Dann tackert er Bilder auf seine Stirn, hängt Gewichte in seine Augenhöhlen, hämmert 20 cm lange Nägel durch seinen Penis, von dem er auch eine Bowlingkugel hängen und schwingen lässt. Und dann die „Scheiß“-Sache! Ich treffe CRAZY WHITE SEAN nach der Show. Zum Glück hat er geduscht, und ich habe ein sehr interessantes Gespräch mit einem intelligenten und wahnsinnig coolen Kerl. Ja, er ist „crazy“, aber sind wir das nicht alle ein bisschen...? Ich habe seine 7-Song-EP schon gehört, und erwarte mit Spannung die hoffentlich bald erscheinende 22-Song-CD. CRAZY WHITE SEAN wird auch auf dem Full Force zu bestaunen sein. Geht mal dort hin, wenn ihr es aushalten könnt!
Sean, du kommst eigentlich aus Kalifornien, so wie ich. Wie bist du nach Amsterdam gekommen?
Als ich 20 war, wollte ich weg aus den USA. Ich hatte keine Ziele, keine Arbeit, und wollte auch nichts tun. Ich wollte nach Süden oder nach Osten gehen. Dann habe ich im High Times-Magazin eine Werbung gesehen, wo ein Typ in Amsterdam auf seinem Balkon mit Cannabispflanzen saß, ganz legal! Da wollte ich hin. Das war vor 13 Jahren.
Und dort hast du mit dieser verrückten Scheiße angefangen?
Ja, ich war immer etwas verrückt, und in Amsterdam habe ich meine Welt gefunden. Ich habe 3 1/2 Jahren in der S&M Fetischszene verbracht, aber als ich anfing, Nägel durch meinen Schwanz zu hämmern, haben sie mich rausgeschmissen. Dann sah ich eine Freakshow und sagte: ‚Fuck, das ist nichts, ich kann das viel besser!’ Und das mache ich jetzt seit 6 1/2 Jahren. Freakshows, Tattoo-Veranstaltungen, Rockkonzerte. Ich bin mit GWAR, AMEN und MÖTORHEAD getourt und vielen anderen coolen Bands!
Hast du dabei keine Schmerzen?
Oh doch, aber das ist meine Droge. Es ist der totale Adrenalinstoß. Auf der Bühne ist mir alles egal. Ich performe und werde aber auch vom Publikum unterhalten. Ich gebe alles, was ich zu geben habe, und das Publikum muss sich fragen: ‚Wie viel mehr will ich noch von ihm sehen?’ Sogar, wenn ich meine eigene Scheiße fressen muss. Ich zeige ihm eine tiefgründigere Form der Wirklichkeit.
Die Musik im Hintergrund ist für dich ein wichtiger Teil deiner Shows. Du sprachst teilweise von deinen Songs.
Respekt! Du hast zugehört, was ich auf der Bühne gesagt habe. Ich habe dieses Projekt gestartet. Eine Band namens KCUF und ich werden live Punkrock und Freakshows als Einheit präsentieren, mit hohem Schockwert. Mehr für eure Dollars! Hehe. Ich habe großartige Musiker dabei: T-Shirt von DREDFUL, Vivid von SWETBOX, Sky von CANCELLED und Clyde von ARTERY. Dazu kommen noch ein paar Gastmusiker.
Sei nicht so bescheiden! Wer denn?
Tumor von AMEN spielt Bass und Gitarre und Munky von KORN und Shavo von SOAD spielen auch bei zwei Songs mit. Sid von SLIPKNOT hat die Songs teilweise gemixt.
Wie lange kannst du so was noch machen?
So lange mein Körper es aushält und ich eine gute Show geben kann. Im Juni bekomme ich eine Tochter. Also, Schwanz und Hoden funktionieren noch, hehe.
Was heißt für dich, eine „gute“ Show?
Kürzlich habe ich eine richtig große Show gehabt. Danach kam jemand und erzählte mir, dass zehn Zuschauer ohnmächtig geworden sind, und über 25 haben gekotzt. Die Show war großartig!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Sponge