HAMMERHEAD in den Neunzigern – vom Zap/Moses Arndt gefeiert, von anderen als Assipunk und Kotzproll-Bullies verteufelt. Denn: Hier wird polarisiert, plakativ und gerne auch mal deutlich unter der Gürtellinie provoziert. So auch mit dem Artwork ihres ersten Albums „Stay Where The Pepper Grows“. Auf dem Frontcover zu sehen ist ein Originalfoto von der Gladbeck-Entführung im Sommer 1988, das den Bankräuber Dieter Degowski zeigt, der im Fluchtauto seine Pistole an den Hals seiner später durch ein Projektil aus seiner Waffe ums Leben gekommenen 18-jährigen Geisel Silke Bischoff hält, ergänzt um den Bandnamen in Großbuchstaben und den Albumtitel in Erpresserbrief-Schrift. Damals konnte erst nach mehreren Anläufen eine Druckerei gefunden werden, die bereit war, das Cover überhaupt zu produzieren.
Auch die Rückseite knüpft an das Geiselnahmemotiv an und zeigt ein Live-Foto der Band mit einem per Copy & Paste einmontierten Kopf des zweiten Gladbeck-Entführers Hans-Jürgen Rösner auf dem Torso des Gitarristen. Der Vertrieb Broken Silence weigerte sich 2007, die Platte mit ihrem ursprünglichen Cover wiederzuveröffentlichen, weswegen eine schwarzweiße Kritzelversion des Covers existiert, die inzwischen in der Regel auch als Cover auf den gängigen Streaming-Plattformen gelistet ist. Laut Frontmann Tobias Scheiße wurden Cover und Booklet per Hand aus dem entwendeten Foto aus einem Jahrbuch in der Stadtbücherei Bonn und einer zerpflückten Happy Weekend-Ausgabe zusammengestückelt. Ex-Gitarrist Headbert sieht in der Wahl des Coverfotos ein legitimes Vorgehen: „Das ist doch auch das zentrale Stilmittel von Punk. Deswegen finde ich es auch komisch, dass die Leute sich darüber gewundert haben, dass wir provokant sind. Ja, worum geht es denn bei Punk in erster Linie? Da geht es um Provokation. Punkt.“ Ob da vielleicht auch auf Zensur – die Mitte der Neunziger vermutlich für einen erheblichen Popularitätsschub gesorgt hätte – spekuliert wurde? Oder hat die Band wirklich einfach nur mit simpelsten Pennälerpolarisierungsstrategien gespielt? Das muss jeder für sich entscheiden.
Bassist Ron sieht die Gründe für das schlechte Saufbold-Image von HAMMERHEAD in der Struktur der Punk-Szene selbst: „Ich denke, dass diese Wahrnehmung entstanden ist, weil das eine mega brave Szene war, in der wir uns Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger bewegt haben. Das waren alles langweilige Leute, und wenn man sich dann ein bisschen anders verhalten hat, ist man direkt total krass aufgefallen.“ Ergo: Immer schön weiter reinkloppen und „nicht wie Jens Rachut“ singen? Einfach mal in die neue HAMMERHEAD-Platte „Nachdenken über Deutschland“ reinhören. Inzwischen wird wahrscheinlich schon der Albumtitel für ein Aufheulen in der deutschen Hardcore-Szene sorgen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Anke Kalau