„Running Riot in ’84“ hatte alles andere als einen guten Start. Schon vor Fertigstellung des Albums lag die Band auf Eis, was dazu führte, dass nur acht Songs fertig waren und das Label kurzerhand zwei nebenbei live im Studio aufgenommene Versionen älterer Songs on top packte. Gitarrist Micky Beaufoy hatte die Band schon unmittelbar vor Veröffentlichung des Vorgängers „Shock Troops“ verlassen, Ersatz Shug O’Neil brachte zwar musikalisch einen deutlich weniger krawalligen Wind herein, der aber nur wenig an der desillusionierenden Ausgangslage ändern konnte, in der sich die Band nach Verrissen und Anfeindungen in Presse und Öffentlichkeit befand. Ihr Oi!-Auftreten, ihre aggressive Art und ihre mehrdeutigen Texte hatten COCK SPARRER ein schlechtes Image eingebrockt, je nach Lesart als Hooligans, extrem Rechte oder Linke. Auch die Tatsache, dass die Band sich gängigen Punk-Klischees entzog, dürfte einigen – etwa bei Decca, dem Majorlabel, das 1977 ihre Debütsingle „Runnin’ Riot“ herausgebracht und die Band nach miesen Verkaufszahlen schnell wieder fallen gelassen hatte – nicht in den Kram gepasst haben. Das der Legende nach auf die Schnelle ausgesuchte Album-Frontcover spielt mit der Kontroverse, die sich um die Band entsponnen hatte: Es zeigt ein schwarzweißes Pressefoto von Ausschreitungen während des Derbys der traditionell verfeindeten Ost-Londoner Fußballteams West Ham und Millwall Ende 1978 (dem ersten nach fast zwei Jahrzehnten ohne direktes Aufeinandertreffen). Schon vor dem Spiel war die Stimmung durch den Tod eines Millwall-Supporters, der bei einer Schlägerei mit West Ham-Anhängern 1976 vor einen Zug gefallen und überfahren worden war, enorm aufgeladen. Zwar versuchten aus diesem Grund etwa 500 Beamte die Menge zu bändigen, dennoch geriet die Situation zeitweise außer Kontrolle. Partei ergreifen wollten COCK SPARRER damit garantiert nicht – Frontmann McFaull und Bassist Steve Burgess sind bekennende West Ham-Anhänger, Drummer Steve Bruce steht zu Millwall. Textlich wird sich in diesem Zusammenhang klar von unhinterfragter Gefolgschaft und stumpfen Gewaltexzessen distanziert: „Run with the blind and follow their signs / To mutually assured destruction / Run with the herd the crazed the absurd / Blindly follow your instructions / Hell is just a bullet away in the heart of your passion play / You’re just pathetic“. Und auch gegenüber der militanten Ecke und militaristisch geprägtem Drill wird klar Kante gezeigt: „They mean murder / Turn men into machines / Disguise the truth with dreams“. All das konnte 1984 zwar keine großen Massen überzeugen, hat im Laufe der Jahrzehnte aber zu einer wachsenden Würdigung des Albums geführt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #166 Februar/März 2023 und Anke Kalau