Ingo Ebeling ist ein Urgestein der Hamburger Szene. Er organisierte jahrelang Konzerte in der Roten Flora, bucht seit Jahrzehnten Touren für Bands/Künstler aus Übersee und betreibt mit The Company With The Golden Arm ein kleines Label, auf dem er nach eigenen Vorlieben und bestehenden persönlichen Kontakten ausgewählte Platten herausbringt – darunter Perlen wie Blake Schwarzenbach, ehemals JAWBREAKER. Von diesem Mann kann man also durchaus einiges lernen. Darum: Lesen, sofort! Und Initiative ergreifen, direkt danach.
Warum hast du dich für den Namen The Company With The Golden Arm entschieden?
Ich habe das Label mit zwei Freunden gestartet, die inzwischen schon lange nicht mehr dabei sind. Ich hatte eine Anzeige zu dem Film „The Man with the Golden Arm“ von 1955 gesehen, die mich optisch so fasziniert hat, dass ich beschlossen habe, diesen holzschnittartigen Arm als Labellogo zu übernehmen und den Labelnamen daran anzulehnen. An den Film beziehungsweise das Buch habe ich damals eigentlich nicht bewusst gedacht. Den Film habe ich erst Jahre später gesehen und in diesem Zuge auch das Buch gelesen. Da gibt es ja schon lustige Parallelen, denn darin geht es um einen verhinderten Schlagzeuger, der alles nicht so richtig hinkriegt. Bevor das jemand falsch versteht: heroinabhängig war ich natürlich nicht. Ich habe auch in Bands gespielt, bin aber vielleicht nicht talentiert genug, habe auch nie die richtigen Leute gefunden und war außerdem viel zu viel ohne meine eigene Band unterwegs. So konnte das nie wirklich was werden.
Ist die Labelarbeit für dich ein Vollzeitjob?
Eigentlich war das nie wirklich ein Job im engeren Sinne. Ich habe schon immer auch Touren gebucht. Am Anfang waren das befreundete Bands. Ein Freund hat Tourbusse verliehen, da bin ich dann mitgefahren. Zu der Zeit habe ich noch studiert, das war später nicht mehr der Fall. Weil ich das Studium durch das ständige Touren einfach nicht ernsthaft genug verfolgt habe und auch nie dazu kam, mal eine Klausur mitzuschreiben, bin ich irgendwann exmatrikuliert worden. Davor hatte ich eine kaufmännische Lehre bei der Plattenfirma Polygram gemacht, die existiert ja inzwischen nicht mehr. Ich hatte dann zwischendurch immer wieder Zwischenjobs, um mich über Wasser zu halten, ganz normal bei der Post und so. Das habe ich auch eine ganze Zeit lang im Wechsel gemacht – Jobs zum Überleben und dann wieder auf Tour. Das war ja noch alles Punk damals, der ist ja dann irgendwann mehr oder weniger verschwunden von dieser Welt oder zu einer Art Komödie geworden. Vor fünf, sechs Jahren habe ich dann angefangen, anstatt irgendwelcher seltsamen Aushilfsjobs Touren als bezahlter Tourmanager für Agenturen zu machen und mache jetzt im Wechsel meine Touren und Touren für Agenturen. So halte ich mir finanziell den Rücken für meine eigenen Sachen frei.
Mit welchen Bands hast du angefangen?
Die erste Band hieß SLEEPY LAGOON D.C., die waren damals auf Tour mit ARTICLES OF FAITH. Die Tour hat ein Freund organisiert, ich war mit dabei und so hat sich das alles ergeben. Aus ARTICLES OF FAITH sind dann ALLOY entstanden und die haben mich gefragt, ob ich fahren will, und so hat sich das wiederum ergeben. Irgendwie spricht sich das immer herum, dann fragen andere Bands. Später habe ich versucht, nur Touren für Bands auf meinem Label zu machen. Inzwischen ist das schon eine lange, lange Liste.
Wer ist aktuell dabei?
Mit JAN und Blake Schwarzenbach bin ich ja gerade auf Tour. Außerdem habe ich aktuell Platten von Cara Beth Satalino, ein ehemaliges WITCHES-Mitglied, MASSENGER, Nathalie Stern aus England und DES ARK herausgebracht.
Welche Philosophie steckt hinter deiner Labelarbeit?
Meine Wurzeln liegen im Punk, damit bin ich groß geworden. Die Idee ist eigentlich, es Bands – insbesondere aus Übersee – zu ermöglichen, hier auf Tour zu gehen. Bands, die hier wohnen und leben, können das eigentlich auch selbst organisieren. Für alle anderen ein Netzwerk jenseits der ganzen kommerziellen Geschichten aufzubauen und mit Leben zu füllen, das ist der Grundgedanke hinter TCWTGA. Klar bin ich im Laufe der Jahre auch mit vielen Bands unterwegs gewesen, die nicht auf meinem Label waren. Das ist das, was mich an Punk fasziniert, dass ich auch als einzelne Person unglaublich viel bewegen kann. Ich kann eine komplette Tour von vorne bis hinten organisieren und ermögliche Leuten dadurch, in Europa herumzukommen, Leute kennen zu lernen und vielleicht auch ein bisschen was mitzunehmen. Das ursprüngliche Punk-Netzwerk hat allerdings mittlerweile stark nachgelassen, das ist alles sehr modeorientiert, oft geht es ja gar nicht mehr um Inhalte. Gibt es natürlich auch immer noch, aber es ist inzwischen schon schwieriger geworden, Kontakte zu halten. Ich meine, wie viele besetzte Häuser gibt es noch? Wie viele Auftrittsorte, die für Bands spontan verfügbar sind? Die nicht komplett durchgeplant, die nicht GEMA-abhängig sind? Früher war es normal, dass du einfach irgendwo aufgetreten und in den merkwürdigsten Situationen gelandet bist. Ohne Papierkram, das war alles kein Thema. Das Wichtigste war, den Auftrittsort überhaupt zu finden. Heute ist alles viel durchgeplanter und strikter.
Motto: Mehr – D.I.Y. – bringt mehr?
Ich sehe, dass viele Räumlichkeiten verschwinden, die unkommerziell sind, weil niemand mehr bereit ist, was dafür zu tun. Es werden immer weniger und die Musikwelt wird immer kommerzieller, durchorganisierter und strukturierter. Es gibt zwar schon noch Leute, die selbst was machen, auch jüngere, die sind aber ziemlich schnell ausgebrannt, weil es einfach zu wenige sind. Je mehr Menschen sich beteiligen, desto weniger Arbeit ist es für jeden Einzelnen. Mitmachen ist gefragt, damit originelle Musik weiterhin eine Bühne hat. Es gibt so viel unoriginelle Mainstream-Musik, für die viele bereitwillig 15, 20 Euro Eintritt zahlen und dann mal eben noch ein T-Shirt kaufen, aber wenn ein unbekannter Act irgendwo für fünf Euro spielt, jammern sie rum, dass sie kein Geld haben. Ich habe über Jahre Konzerte in der Flora in Hamburg gemacht und ich habe so viele Diskussionen wegen so etwas erlebt, das war schon manchmal ziemlich enttäuschend. Ich habe das Gefühl, ein Konzert wird umso geringer wertgeschätzt, je weniger es kostet. Das ist dann für viele einfach ein Raum, in dem man sich aufhält. Ich wünsche mir, dass mehr Leute sich von dieser Art von Konsumhaltung abwenden und auch selbst was machen. Es bringt wirklich Spaß!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #111 Dezember 2013/Januar 2014 und Anke Kalau