Toto Loehnert dürfte dem aufmerksamen Ox-Leser als Sänger und Gitarrist von SKIN OF TEARS sowie als emsiger Konzertveranstalter unter dem Label Kannwatt Konzerte im AJZ Bahndamm Wermelskirchen bekannt sein. Dass er aber mit RITA LEEN und RUBBER SOUL noch in zwei Coverbands spielt, bei THE QUASIMODO den Bass bedient und sich auch in weiteren musikalischen Projekten engagiert, ist nur wenigen bekannt. Warum spielt man aber überhaupt in einer Coverband? Was ist der Reiz bei der Sache und was unterscheidet zum Beispiel eine BEATLES-Coverband von einer Top-40-Coverband? Toto beantwortete geduldig unsere Fragen.
Toto, neben SKIN OF TEARS, deinem Baby, spielst du noch in mindestens drei Coverbands. Warum spielt man in einer Coverband?
Die meisten kommen ja nicht als Punkrocker oder Vertreter einer anderen Musikrichtung geschweige denn als Komponist auf die Welt, sondern man entwickelt ein Interesse an der Musik um der Musik willen, die einen in dem Moment umschwirrt. Mit sechs Jahren habe ich das erste Mal eine Gitarre in der Hand gehabt, um damit auch Musik zu machen. Damals war natürlich nicht klar, wohin die musikalische Reise gehen würde. Ich habe eben angefangen, Sachen nachzuspielen, wie wohl die meisten anfangen. Ich mache einfach gerne Musik und es ist jetzt nicht zwingend für mich, dass es eigene Sachen sein müssen. Das erste Mal vor Leuten gespielt habe ich bei Feten, an Lagerfeuern oder auf Klassenfahrten, so mit 13, 14 Jahren. Da habe ich dann Sachen von DIE TOTEN HOSEN, DIE ÄRZTE, DIE GOLDENEN ZITRONEN oder ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN mit der Wandergitarre runtergedonnert und alle haben lauthals mitgegrölt. Und die genannten Bands mit ihren ersten Veröffentlichungen haben einem ja auch gezeigt, dass nicht unbedingt ein Gitarrenstudium nötig sein muss, um coole Songs zu machen.
Hattest du denn Gitarrenunterricht?
Meine Mutter zeigte mir die ersten Akkorde, mein Onkel den ersten Barrégriff, dann kamen zwei Jahre klassischer Unterricht, den ich aber wieder aufgab, weil mich das, was ich dort lernen sollte, nicht dahin brachte, wo ich hinwollte. Ich wollte keinen spanischen Flamenco spielen, ich wollte wie die BEATLES sein. Das klingt nicht wirklich spektakulär, aber das war die erste Band, die mit ihrer sagenhaften Bandgeschichte in mir den Drang auslöste, auch in so einer Band spielen zu wollen. Durch die weitere musikalische Sozialisation kam der Schritt zum Punkrock, wo mir klar wurde, dass ich so gut gar nicht sein muss, haha. Songs nachzuspielen machte einfach Spaß. Was ich weiter an der Gitarre dazu brauchte, habe ich auf der Straße aufgeschnappt oder auf einer Gitarrenlern-Video-VHS-Kassette von Vinnie Moore. Als logische Folge begann ich, im eigenen Zimmer Fun-Punk-Songs im Stil der Brieftauben zu schreiben.
Es geht also eigentlich darum, einfach ein Lieblingslied nachspielen zu können?
Wenn man so früh anfängt, auf jeden Fall! Mit sechs Jahren haben die wenigsten das Ziel, der beste Songwriter aller Zeiten zu werden oder eigene Lieder mit Message zu schreiben. Ich wollte George Harrison von den BEATLES sein und musste schnell schauen, wie ich das spielen kann – nur mit dem Ohr an der Plattennadel und ohne YouTube. Und ich habe immer dazu gesungen. Das war immer eine Einheit. Meine Mutter hat mir das so beigebracht und es war mir klar, dass das nur zusammen geht.
Wann hast du SKIN OF TEARS gegründet?
Sehr spät. 1991, da war ich schon zwanzig. Das entstand aus anderen Projekten, wo man sich noch in Kinderzimmern traf. Wir haben direkt eigene Musik gemacht, aber die eine oder andere Coverversion gab es immer. Es ging alles sehr schnell und wir hatten Bock, Mucke zu machen. Coverversionen liefern eben fertige Songs und man kann sich einfachere heraussuchen, die man dann schnell zusammen spielen kann. Bei eigenen Songs wird man dann anspruchsvoller.
Warum?
Weil wir klare Vorstellungen davon hatten, was wir wollten. „Suffer“ von Bad Religion war schon erschienen, „S&M Airlines“ von NOFX auch, die DESCENDENTS feierten wir ab, und die haben alle mehr gemacht als die RAMONES, das war anspruchsvoller. Klar, wir haben auch „Come back and stay“ mit drei Akkorden runtergeschreddert und fanden uns super. Darum geht es doch am Anfang, als Band möglichst schnell Ergebnisse zu erzielen und dabei so viel Spaß wie möglich zu haben.
Musiker, die in „ernstzunehmenden“ Bands spielen, belächeln ja gerne mal andere Musiker, die in Coverbands spielen. Warum?
Da fragst du den Falschen. Ich halte mich für einen „ernstzunehmenden“ Musiker, was auch immer das heißen mag, und spiele dennoch in Coverbands. Da müsste ich mich ja selber belächeln, wenn das Belächeln als Abwertung gemeint ist. Das tue ich aber nicht. Aber zu ernst nehmen sollte man sich auch nicht. Das Ganze hat viele Facetten. Ich spiele in Coverbands, die ich für mich für vertretbar halte. Mit RITA LEEN bewege ich mich im Punkrock und entwickele weiter, was ich früher am Lagerfeuer alleine gemacht habe, wobei ich da ja lediglich den Part des Leadgitarristen übernehme. Bei der BEATLES-Coverband, die ich mit gegründet habe, liegen meine Beweggründe ja auf der Hand. Sobald man aber in einer Coverband spielt, um damit Geld zu verdienen, und jetzt müssen sich alle festhalten, die in einer Top-40-Coverband spielen, wird man belächelt oder herabgewürdigt, weil man sich ein Stück weit verkauft und unterstellt wird, dass die eigene Kreativität nicht ausreicht. Dabei wird selten hinterfragt, welchen Weg die Leute in diesen Bands bisher gegangen sind. Man muss sie eigentlich in Schutz nehmen, denn vielleicht sind sie mit ihrer eigenen Musik einfach gescheitert oder die Band ist zerbrochen, aber sie machen dennoch gerne Musik. Daran kann ich nichts Verwerfliches finden. Andere wiederum finden ihre Glückseligkeit auch im reinen Nachspielen und wollen von Anfang an gar nicht mehr als das – warum sollte ich ihnen das nicht gönnen? Was ich nicht mag, sind Leute oder Bands, die sich des Geldes wegen verbiegen und sich aufführen, als hätten sie die Songs selbst komponiert.
Ärgert es dich, dass du mit SKIN OF TEARS manchmal kleinere Gagen bekommst und vor kleinem Publikum spielen musst als irgendeine Kirmes-Coverband, die auf irgendeinem Stadtfest hohe Gagen abgreift?
Ich müsste lügen, wenn ich sage, dass mich das nicht ärgert. Warum hat das eine andere Wertigkeit? Wahrscheinlich, weil die Songs eine andere Wertigkeit beim Volk besitzen. Die Leute hören eben lieber Songs, die sie schon kennen, als solche, die ihnen etwas abverlangen. Für die meisten Menschen ist Musik aber auch einfach nicht so wichtig wie für unsereins. Wir sind doch die Nerds. Die normale Bevölkerung geht nicht, so wie wir, alle drei Tage auf ein Konzert. Die tun das zweimal im Jahr und gehen dann auf Nummer sicher, geben ihr Geld aus und irgendwer schöpft das ab. Ich bin da nicht neidisch, finde es aber schade.
Es gibt aber auch alte Szeneläden, die heute lieber auf Coverbands setzen statt „richtige“ Bands zu buchen.
Leider stimmt das. In der Regel Themen-Coverbands, also Tribute-Bands. Jetzt werde ich gerade selber abwertend, aber das nervt schon, wenn Menschen, die sogar noch aus der Szene kommen, des Geldes wegen lieber solche Bands buchen.
Gibt es bei der BEATLES-Coverband Songs, die das Publikum hören will, und solche, die ihr spielen wollt?
Klar, so ist das. Ein gewisses Grundprogramm muss da einfach sein. Als BEATLES-Coverband aufzutreten und nicht die Songs vom Roten und Blauen Album zu spielen, kann man zwar bringen, man würde es sich aber unnötig schwermachen und das Publikum auch enttäuschen. Die wollen eine BEATLES-Show sehen und dazu gehören eben die Hits, und da ich Fan bin, spiele ich die auch nach wie vor gerne. Darüber hinaus treten wir ja nicht so oft auf, vielleicht zwanzig Gigs im Jahr, und da will das wohldosiert sein. Ich könnte damit nicht drei Wochen auf Tour gehen. Die BEATLES schreiben ja keine neuen Songs mehr und irgendwann würde mir das langweilig werden. Dafür ist es zu schade.
Es sei denn, es tauchen verschollene Aufnahmen auf.
Aber die will doch keiner hören. Die Hits sind geschrieben worden und die werden sich nicht verändern. Wir proben nur sehr selten – uns gibt es seit fast zwanzig Jahren –, weil eben nur wenig Neues dazukommt. Warum sollten wir „Can’t buy me love“ üben? Das können wir. Ein paar Variablen haben wir, die wir auch austauschen, aber da wissen wir genau, dass das einige Zuschauer nutzen, um auf die Toilette oder eine rauchen zu gehen.
Und wie wählt ihr die Songs bei RITA LEEN aus?
Wie bei einem Lieblings-Mixtape. Dahinter steckt auch eine Entstehungsgeschichte. Wir sollten auf einer Geburtstagsparty von einem Kumpel spielen und haben geschaut, welche von unseren Lieblings-Punksongs schnell umsetzbar sind. Als klar wurde, dass wir mehr machen wollten, einigten wir uns darauf, nur Bands zu covern, auf die wir alle Bock haben. Jeder hat ein Vetorecht. Wenn wir ein Lied auswählen, dann ganz bewusst die A-Single. Wir wollen eine gute Stimmung erzeugen und das geht mit dem Bonussong der Neuseelandpressung nicht. Das ist wie der Job eines DJs. Tanzfläche leer, DJ schlecht. Wenn du als Coverband den Saal leer spielst, bekommst du dort keinen Auftritt mehr.
Mit RUBBER SOUL spielt ihr ja NRW-weit, mit RITA LEEN bleibt es aber rein lokal.
Ja, RITA LEEN waren immer ein Spaßprojekt, jeder hatte noch seine eigene Band. Wir waren und sind eine Gruppe von Kumpels, aus einer Bierlaune heraus geboren. Wir wollten auf einer Party spielen, dann kam die Idee, auf der weltberühmten Wermelskirchener Kirmes aufzutreten, was eingeschlagen ist wie eine Bombe. Und wer jetzt lacht und Dorfmusik schreit – we are RITA LEEN and you suck! Wir und das Publikum haben daran Spaß und nur darum geht es. Ich mache gerne Musik und da ist es mir egal, was irgendein Musikkritiker dazu meint. Ich gehe mit einem Grinsen auf die Bühne und wieder runter, ich will Musik machen und fühle mich nicht in der Pflicht, mich irgendjemandem gegenüber dafür rechtfertigen zu müssen.
Bill Haley oder Elvis wurden auch gerne als Interpreten bezeichnet, so wie im Schlager, und es kümmerte niemanden, wer den Song geschrieben hatte. Mit den Hippies oder den härteren Rock-Acts ging es plötzlich um die eigenen Lieder, nachspielen wurde verpönt.
Der idealistische Aspekt ist doch der, dass Musiker anfingen, sich selber auszudrücken, die eigene Persönlichkeit einbringen zu wollen und eine eigene Stimme suchten in Text und Musik. Sie waren es leid, immer nur über Herz, Schmerz und dies und das zu singen, es gab wichtigere Themen, politisch zu kommentierende Entwicklungen, einen Zeitgeist, der dies forderte. Das funktioniert bei Menschen natürlich nicht, ohne das Vorherige abzuqualifizieren. Der andere Aspekt des eigenen Schreibens ist wohl rein monetär – man verdient mehr Geld, wenn man die Songs selber schreibt. Vielleicht hängt das mit der Einführung der GEMA zusammen, keine Ahnung. Als Interpret hast du nur an den Plattenverkäufen verdient, der Songschreiber bekommt zusätzliche Tantiemen. Nimm THE POGUES, Shane MacGowan hat auf den ersten wichtigen Platten fast alle Songs alleine geschrieben, und hat am meisten verdient. Dann fingen die anderen auch an zu schreiben, um daran teilzuhaben.
Wie findest du es, dass selbst die ganz großen Bands reine Coveralben machen?
Das haben wir mit SKIN OF TEARS auch gemacht und mit „After Eighties“ Achtziger-Jahre-Songs gecovert, weil wir einfach Lust dazu hatten. Das hatte nichts mit einem kreativen Loch zu tun. Nicht dass wir so groß wären, haha, aber auch da lässt sich ja die Frage nach dem Beweggrund für das Album stellen.
Läuft so ein Album besser?
Nö, etwa gleich, aber über was für eine Größenordnung reden wir bei SKIN OF TEARS? Die Gründe anderer Bands können ganz unterschiedlich sein, wer weiß das schon? Ich habe gerade das Buch vom Schlagzeuger von THE BATES gelesen, die ja auch mit Coversongs bekannt geworden sind. Ihnen wurde immer unterstellt, dass es Masche war zu covern, was nicht stimmt. Sie haben einfach gerne gecovert, aber auch sehr viele eigene Sachen geschrieben, die eben nicht so populär geworden sind. Sinn macht so ein Album aber auch, wenn man als Band schnell aus einem Plattenvertrag raus will und nur noch ein Album machen muss, haha. Da muss man keine guten Ideen verschwenden.
Dürfen Autoren anderen Bands verbieten, ihre Songs zu spielen?
Ja, ich meine schon. Ich kenne da nicht die Paragraphen, aber bei den kleinsten Veränderungen, also Interpretation, muss der Autor eigentlich gefragt werden. Eins zu eins nachspielen, ohne Veränderungen an Musik und Text, ist es kein Problem. Da zahlt man GEMA und gut ist.
Ist unsere Szene in Bezug auf die Kritik an Coverbands zu krass?
Ich möchte da nicht zu böse antworten, aber ich glaube, dass sich einfach viel zu viele Leute herausnehmen, Sachen zu bewerten. Sollen andere doch Covermusik machen. Ist doch egal. Es gibt hunderte Bands, die es verdient hätten, gefeaturet zu werden, die aber einfach nicht weiter gekommen sind. Wo sich das Bandgefüge nicht gehalten hat. Lasst doch die Leute in Ruhe, lasst sie doch Musik machen. Es wird immer so viel bewertet, gerade von Punks. Wir sind so weit weg vom „First rule is no rule“ und regeln uns zu Tode.
Francis Rossi von STATUS QUO soll ja nie verwunden haben, dass ihr größter Hit „Rockin’ all over the world“ eine Coverversion aus der Feder von John Fogerty war.
Ist das so? Es ist doch manchmal sehr überraschend, wer welches Lied tatsächlich geschrieben hat. Gibt es immer wieder. Lieder, die man abgefeiert hat, und dann entdeckt man eine viel ältere Version des Stücks.
Mich hat überrascht, dass „Behind blue eyes“, der größte Hit von LIMP BIZKIT, eigentlich von THE WHO ist.
Wobei das Original besser ist, weil es eindrucksvoller gesungen und mit Seele gespielt ist und einen Mittelteil hat, haha. Den Song habe ich in meinem Akustikrepertoire und den singen alle mit. Maximal die Hälfte weiß, dass es von THE WHO ist. Den Mittelteil lasse ich allerdings auch weg, da ich ja keine Trommel auf dem Rücken trage.
Probst du noch oft?
Vielleicht drei bis vier Stunden die Woche. Wenn wichtige Auftritte bevorstehen, schon einmal mehr. Da müsste ich meine Frau fragen, die weiß genauer, wie lange ich zum Proben weg bin und wie viel davon Instrumentspielen und wie viel Trinken ist, haha. Was bleibt, ist die Alkoholsucht. Unser Bassist bei SKIN OF TEARS hat es treffend formuliert. 25 Jahre Freibier haben ihre Spuren hinterlassen. Es klingt vielleicht doof, aber was ich für die Musik, die ich machen will, können muss, das kann ich. Und jetzt kommt wieder das Besondere an Coverbands. Wenn ich mir beispielsweise das Solo von „Ace of spades“ raushören muss, damit ich das dann live vortragen kann, dann hat das für mich Übungs- und Fortbildungscharakter.
Wie läuft das ab? Liest du Tabulaturen, schaust du Tutorials oder hört man das einfach raus?
Da kann ich alles ankreuzen, haha. Ich kann sehr gut Tonabstände heraushören, das hilft da sehr. YouTube ist natürlich eine große Hilfe, es ist einfacher damit. Neulich habe ich „Walking on the moon“ von THE POLICE gespielt. Da gibt es einen komischen Akkord, den ich einfach nicht raushören konnte. Ein Blick auf YouTube und aha, so geht das – und fertig.