CLUB DÉJÀ-VU

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Keine Zeit mehr für „Star Trek“-Romane

Laut Discogs wurden CLUB DÉJÀ-VU wohl Ende der Nuller Jahre irgendwo zwischen Günzburg und Augsburg gegründet, hießen zu diesem Zeitpunkt aber noch DIE KURT COBAINS und veröffentlichten ein selbstproduziertes Album auf dem eigenen DIY-Label Nebula Fünf. Bereits 2008 benannten sie sich um in CLUB DÉJÀ-VU und veröffentlichten unter diesem Namen seither drei Alben, die bei näherer Betrachtung sämtliche Facetten des deutschen Punkrock ausleuchten: melodisch, albern, melancholisch, clever, stumpf – alles dabei. Die neue Platte heißt „Alles, was es gibt“, hat produktionstechnisch ganz schön viel Power und erschien wieder auf Nebula Fünf, nachdem man von jedem großen und kleinen Label in Deutschland eine Abfuhr kassierte.

Das letzte Album „Die Farben der Saison“ ist von 2015, zwischenzeitlich stieg euer Schlagzeuger aus, dann wieder ein und 2022 wart ihr auf Labelsuche für ein neues Album. Was habt ihr in dieser Zeit gemacht?
Roland: Wir haben jedenfalls kein Bandinterview gegeben, denn das ist im 19. Jahr des Bandbestehens das erste Interview, das diese Band gibt.

Ferdinand: Was viele nicht mehr wissen, aber in dieser Zeit gab es eine weltweit stattfindende Pandemie. Wir haben da immer Masken getragen und Abstand gehalten.
Gregor: Nach den Aufnahmen zu „Die Farben der Saison“ ist Angry Stef ausgestiegen. Warum, weiß ich gar nicht mehr, aber als Abschiedsgeschenk hat er noch beim Musikvideo zu „Rhythmusboy“ mitgemacht. Ein paar Jahre später haben wir uns dann alle auf Ferdinands und Rolands Hochzeit wiedergetroffen – also die beiden haben nicht einander geheiratet, aber aus Sparsamkeitsgründen gleichzeitig – und das war wohl so schön, dass es direkt in einer Reunion gemündet hat.
Angry Stef: Wie ja zumindest in Musikerkreisen bekannt ist, ist der Job des Schlagzeugers mit Abstand der anstrengendste in der Band, und vor dem Hintergrund, dass ich immer 120% geben will, war das zu dem Zeitpunkt einfach nicht mehr möglich. Wenn ich mich recht entsinne, war die Pause gar nicht so lang, so von 2015 bis 2017. Wir hatten in der Zeit vor der Pandemie auch regelmäßig ausgewählte Konzerte gespielt und am jetzt bald erscheinenden Album „Alles, was es gibt“ gearbeitet. Durch den hohen musikalischen Anspruch der Band wird so ein Album nicht gerade aus dem Ärmel geschüttelt, das wirkt zwar immer ganz leichtfüßig, aber da steckt richtig viel harte Arbeit drin.

Die Band hat sich musikalisch und auch textlich über die letzten 15 Jahre deutlich weiterentwickelt: War anfangs noch eingängige und trashige Science-Fiction- und Sauflyrik an der Tagesordnung, wurde es nach hinten raus immer melancholischer und nachdenklicher. Haben der Weltschmerz und die politische Weltlage bei euch nun komplett den Alltag übernommen und ihr könnt euch nicht einmal mehr mit „Star Trek“-Romanen ablenken?
Ferdinand: Den Alltag übernommen hat mein Sohn und das unselige Elterndasein lässt keine Zeit mehr für „Star Trek“-Romane. Eine drogeninduzierte Angststörung hat mich in die Nüchternheit getrieben und deshalb vielleicht weniger Sauftexte schreiben lassen. Das Wort „nachdenklich“ in Bezug auf Bandtexte ätzt total.

Wie würdest du denn die „neueren“ Texte beschreiben?
Ferdinand: Die Texte sind lyrisch hochwertiger.
Angry Stef: Auch das Thema Erwerbsarbeit, das bei manchem Bandmitglied einen signifikanten Zeitvertreib darstellt, hatte durchaus Einfluss auf das Gemüt und somit Timbre des Albums.

CLUB DÉJÀ-VU-Konzerte sind ja eher eine Seltenheit. Warum schafft es die Band nicht häufiger auf die Bühnen der Jugendzentren dieser Welt? Vielleicht mal eine kleine Tour, jetzt da die neue Platte erscheint?
Ferdinand: Ich wäre sofort dabei bei einer Tour, aber leider hat sich bei Teilen der Band ein Arbeitnehmerstatus eingeschlichen. Die können so was nicht mehr machen.
Roland: Konnten die früher auch schon nicht.
Ferdinand: Die haben da keinen Bock drauf.
Gregor: Touren, da hatte ich noch nie Bock drauf.

Ferdinand und Roland, euch kennt man ja als das spitzzüngige Punk-Witzpärchen vom Ventil Verlag und der Titanic, „Ein Tag Hagel und immer was zu essen da“, „Das Homestory Magazin“, „Kritik am Mitmensch“ ... Wie passen dazu diese ganzen schwermütigen und erstaunlich aggressiven Lieder über Tod, Endzeit und Resignation oder habe ich irgendeine Ironie- oder Metaebene nicht ganz verstanden?
Ferdinand: Wir wollen einfach alle Facetten abdecken, um maximal viel Publikum zu erreichen.
Roland: Der berühmte Witzbuchverlag Ventil fordert das. Die haben Witzquote. Da muss der Gag-Anteil stimmten, sonst drucken die das nicht ab.
Gregor: Wie heißt es so schön: Die lustigsten Menschen sind in Wirklichkeit häufig die traurigsten und andersherum. Wir nähern uns der Sache halt mal mehr von der einen und mal mehr von der anderen Seite.
Ferdinand: Wir sind also die lustigsten und traurigsten Menschen gleichzeitig.
Angry Stef: Ich glaube, man muss das Ganze vor dem Hintergrund der Dualität des Menschen sehen und das zeigt auch ganz klar die hohe Qualität und die Legitimation, über alle Themen zu schreiben, ja quasi schreiben zu müssen. Künstler, die ein „One Trick Pony“ sind, finde ich persönlich erbärmlich und es ist in keiner Weise erstrebenswert, mit solchen Leuten in irgendeiner Weise zusammenzuarbeiten. Es kann natürlich vorkommen, dass man vom einen oder andern einfachen Gemüt missverstanden wird, aber darauf kann beziehungsweise darf ein echter Künstler keine Rücksicht nehmen.

Dass ihr trotz vieler Labelabsagen unbedingt das Album veröffentlichen wolltet, zeugt von einer Menge Hartnäckigkeit und Hingabe an die Band. Was treibt euch nach all der Zeit und so wenig Zuspruch immer noch an?
Roland: Wenig Zuspruch ist ja auch nicht kein Zuspruch. Ich finde es schön, in einer Band spielen zu können, zu der ich kreativ nichts beitragen muss. In den Proberaum kommen, die Akkorde gezeigt kriegen und mit Freunden im Lärm stehen. 1A.
Ferdinand: Wir tun ja auch nix für Zuspruch. Das darf man gar nicht anfangen zu hinterfragen, sonst hört man eventuell sofort auf.

Wenn die Band also nur sich selbst genügen muss, dann reicht es doch, genau vier Schallplatten pressen zu lassen und sich nicht 500 Stück in den eigenen Keller reinzustellen?
Roland: Meine Rede!
Angry Stef: Wir wollten ja eigentlich nur vier Platten bestellen, aber diese Anzahl gab es nicht als Bestelloption und somit mussten wir mehr nehmen.
Gregor: Ich glaube, die Band ist in der Sache zwiegespalten. Ferdinand und Roland sind so Publikumsdiener, die gerne auch mal ein bisschen Applaus abgreifen, und Stef und mir geht es um die Musik allein.
Roland: „Alles, was es gibt“ ist auf 250 Stück limitiert. Wenn sich jede:r unserer 25 monatlichen Spotify-Hörer:innen aus Anstand zehn Stück kauft, ist das Ding vergriffen. Eine Rarität ist es so oder so.
Ferdinand: Ich habe es immer nur fürs Geld gemacht.

An kreativem Output scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. Wer von euch schreibt die Musik, wer die Texte? Wie wird das Songmaterial am Ende bearbeitet und wie viel Ausschuss gibt es, bevor ihr ins Studio geht?
Ferdinand: Bearbeitet wird unter anderem mit Kompressoren, Hallgeräten und Equalizern. Der Ausschuss entsteht ganz am Anfang. Wenn ich mit neuem Songmaterial in den Proberaum komme, muss es zuallererst am Qualitätsmeister Endhardt [Gregor] vorbei. So kann es sein, dass ich noch nicht mal am zweiten Refrain bin und das Lied schon abgelehnt ist.
Gregor: Ich versuche mit all meiner Kraft, den Happy-Deppi-Punk-Faktor beim Club gering und Ferdinands unselige College-Rock-Affinität aus der Band zu halten. Wie ihr hören könnt, nicht immer erfolgreich.
Roland: Das macht er, um eigenen Content unterzubringen. Auf der letzten Platte ein Endhardt-Song, auf der neuen schon zwei.
Ferdinand: Wir schreiben aber auch einige zusammen, Musik und Text.
Angry Stef: Es gibt durchaus Songs die einfach nicht dem Qualitätsanspruch des Clubs entsprechen und dann zeitnah nicht weiter arrangiert oder zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt mit einem anderen Blickwinkel noch mal überarbeitet werden. Man muss dazu erwähnen, dass der Qualitätsanspruch der Band höher ist als der Qualitätsanspruch der einzelnen Mitglieder. Mittlerweile schaffen es auch nicht mehr alle aufgenommenen Songs auf die Platte. Das war früher noch anders, ein Club-Album mit zwanzig Songs wird es nicht mehr geben. Da geht Qualität vor Quantität.