CIV

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Zurück zu D.I.Y.!

NYHC und Anthony Civarellin aka „Civ“ gehören unweigerlich zusammen, wie Pellkartoffeln, Butter und Quark. Er hat mit der LP „Start Today“ von GORILLA BISCUITS eine Art Bibel des New York City Hardcore verfasst und ich kenne niemanden, der diese Platte nicht liebt. Nach einer grandiosen Reunion-Show auf dem Groezrock 2011 bekam ich im Herbst 2011 die Chance, auf der Show in Leipzig Anthony einige Fragen zu stellen. Wie aus GORILLA BISCUITS nun CIV wurde und warum er trotz Straight Edge lieber mit Jimmy Gestapo abhängt, könnt ihr in den nachfolgenden Zeilen lesen.

Anthony, hast du jemals in deinem Leben ein „Gorilla Biscuit“ ausprobiert?

„Gorilla Biscuit“ ist ja eigentlich eine Droge und nennt sich Lemmon 714 – und es ist eine wirklich große Pille. Mein Bruder und seine Freunde nannten es dann „Gorilla Biscuit“, weil es einfach ein riesiges Teil ist. Das Zeug haut dich echt um, es ist ein sehr starkes Beruhigungsmittel. Na ja, jedenfalls suchten wir nach einem Bandnamen und uns fiel nur dummes Zeug ein. Dann sollten wir eine Show im CBGB’s spielen, brauchten also unbedingt einen Namen und einigten uns auf GORILLA BISCUITS. Aber ich habe das Zeug niemals angerührt!

Du verbringst ja deine Zeit hauptsächlich mit Tätowieren. Wie läuft das Tattoo-Geschäft?

Sehr, sehr gut. Allerdings ist es manchmal etwas schwieriger, da sich meistens Leute aus der Arbeiterklasse tätowieren lassen und die haben oft nicht das Geld für Tattoos übrig.

Was bedeutet Tätowieren für dich selbst? Ist es wichtiger, als Musik machen?

Es bedeutet mir alles! Musik und Tätowieren sind etwas völlig Unterschiedliches. Es war niemals beabsichtigt, dass ich Sänger in einer Band werde. Es passierte einfach. Allerdings habe ich schon als Kind herumgekritzelt und gemalt, ich habe fast jeden Tag damit verbracht, ich brauche das Malen einfach. Im Gegensatz zum Singen und auf der Bühne stehen, das muss ich nicht jeden Tag haben. Die Kunst ist für mich allgegenwärtig. Musik ist etwas Großartiges und ich bin froh, dass ich auch das machen konnte. Das Wichtigste für mich als Sänger war immer, dass ich auf der Bühne das sagen kann, was mir am Herzen liegt. Tätowieren ist mein Beruf, mit dem ich mein Geld verdiene, aber es ist mehr als das. Hier werde ich niemals das Gefühl haben, dass ich eventuell zu alt bin zum Stagediven oder um Hardcore-Musik zu machen. Wenn ich nicht tätowiere, dann male ich eben. Ich muss immer irgendetwas in der Art tun.

Welchen Tattoo-Style bevorzugst du persönlich?

Ich habe viele Arbeiten im japanischen und asiatischen Stil gemacht, aber zur Zeit mag ich den alten, traditionellen, amerikanischen Stil wie Totenköpfe, Panther und Schlangen oder das traditionelle Military und Europäisches.

Offensichtlich kommst du ja von der ganzen Hardcore-Geschichte nicht weg. Was fesselt dich daran?

Nein, das will ich ja auch gar nicht. Ich will kein Teil irgendeiner anderen Szene sein, sei es Metal-Screamo-Core, HipHop oder sonst etwas. Hardcore ist mein Zuhause, ganz egal, was ich auch in Zukunft an Musik mache. Im Hardcore kannst du über tiefgründigere Sachen sprechen als im Punk zum Beispiel, wo du nur einfach Slogans von dir gibst und nur über bestimmte Sachen singst. Allerdings ist Hardcore aus musikalischer Sicht auch sehr simpel. Der erste Teil ist ein Mosh, der nächste Part ist schnell – das ist meine Vorstellung von Hardcore. Man kann textmäßig mehr machen als nur dieses „Fuck the system“-Blabla. Die letzten 15 bis 20 Jahre habe ich auch gelernt, etwas poetischere beziehungsweise cleverere Texte zu schreiben. Viele schreiben die Lyrics sehr schnell und nur so nebenbei oder nehmen viel zu schnell ihre Platten auf. Das ist meiner Meinung nach einfach verschwendete Zeit. Man sollte sich viel mehr Zeit nehmen, denn man muss sich bewusst sein, dass man die Chance erhält, der Öffentlichkeit zu sagen, was man denkt, und es wird für die Ewigkeit sein, wenn du es veröffentlicht hast! Die meisten Leute bedenken das nicht. Es ist ein Vermächtnis, und darüber sollte man sich ernsthaft Gedanken machen und nicht nur unüberlegte Sachen schreiben.

Gehen wir einmal zu der Zeit zurück, als sich GORILLA BISCUITS auflösten und CIV gegründet wurden. Wie kam es dazu?

Die Neunziger waren eine harte Zeit für diese Art von Musik. Hardcore in NYC wurde immer mehr durch Metal, HipHop und andere Genres unterwandert. Die Majorlabels begannen sich für Hardcore zu interessieren und hielten Ausschau nach Hardcore-Bands, denn sie merkten, dass man damit Geld verdienen kann. Mit GORILLA BISCUITS hatten wir solche kleinen Ziele, wie ein Demotape veröffentlichen, im CBGB’s spielen, eine 7“ aufnehmen, im Ritz spielen, ein Album herausbringen und damit auf Tour gehen. Auf einmal hatten wir das alles erreicht und wir standen an einem Punkt, an dem wir sagten: „Okay, was nun? Wir haben all unsere Ziele erreicht. Wir könnten die gleichen Sachen noch einmal machen, aber wo soll das hinführen?“ Allerdings wollten wir keine anderen Sachen machen. Walter Schreifels tat dies schon mit QUICKSAND. Er wurde älter, wollte einfach „bessere“, anspruchsvollere Musik machen. Ich wollte an GORILLA BISCUITS festhalten und ohne ihn weitermachen, allerdings hatte Walter mich gefragt, ob ich das wirklich will. Und ich spürte, dass ihm das nicht recht wäre. Da er ein Freund von mir ist und ich ihn wirklich respektiere, habe ich mich dazu entschlossen, GORILLA BISCUITS aufzugeben. Es war echt hart, weil GORILLA BISCUITS mein Leben waren.

Und was hast du dann gemacht?

Jedenfalls stand ich dann erst mal ohne Band da. Ich arbeitete als Koch in einem Bio-Restaurant, begann zu tätowieren und eröffnete meinen eigenen Tattoo-Shop. Auf einmal kamen Charlie und Walter zu mir und meinten: „Wir haben ein neues Projekt und wir möchten. dass du wieder bei uns singst.“ Ich sagte: „No way! Ich habe andere Sachen zu tun und habe echt keine Zeit dafür.“ Und sie meinten: „Ach, komm schon, es wäre so großartig, wir nennen das Projekt auch CIV, wir machen nur zwei Songs und alles im GORILLA BISCUITS-Style.“ Okay, ich ließ mich breitschlagen und wir nahmen zwei Songs auf. Danach sah ich, dass sie schon Shirts mit CIV gedruckt hatten. Nun kamen Labels und ein Freund aus meiner Nachbarschaft auf uns zu, der damit angefangen hatte, einige Videos zu drehen, allerdings alles D.I.Y.-mäßig. Er wollte ein Video mit uns machen und ich sagte: „Oh no. Wir haben bis jetzt nur zwei Songs veröffentlicht und sind nicht einmal eine richtige Band, da machen wir doch nicht einfach so ein Video!“ Wir machten es dann doch, bezahlten es aus unserer eigenen Tasche und drehten das Video mit unseren Freunden aus Queens. Das änderte sich natürlich, als wir dann bei Atlantic Records unterschrieben. Sie bezahlten alles für uns. Selbst wenn wir das Geld erstmal vorstreckten, bekamen wir es von ihnen zurück. Aus CIV sollte anfangs nicht mehr als eine 7“ werden. Hardcore-Bands brachten damals immer mehr Metal- und HipHop-Stuff heraus, das war so um 1995 oder 1996. Aber das war nicht unser Hardcore. Du kannst das machen oder hören, aber wir wollen keinen Tough-Guy-Hardcore. Viele meiner Freunde spielten in solchen Bands, aber die Kids kamen zu mir und suchten eine Art Alternative zu diesen ganzen Bands und wir boten ihnen eine positive Art von Hardcore. Dann veröffentlichten wir doch eine ganze LP und gingen in den kommenden drei Jahren jeweils acht Monate auf Tour. Dazwischen musste ich auch noch tätowieren. Es war eine sehr stressige Zeit, mit zwei „Vollzeitjobs“, die ich zu bewältigen hatte.

Man hört immer wieder, dass viele Leute der früheren NYHC-Szene aus der Stadt weggezogen sind, ist New York City in der heutigen Zeit ein guter Platz zum Leben?

Das weiß ich nicht. Ich bin New Yorker und bin immer hier geblieben. Ich lebe in meinem eigenen Haus in Harlem und ich werde bestimmt auch in NYC sterben. Wenn Leute von außerhalb nach New York kommen, ist es bestimmt hart, hier leben zu müssen. Es ist sehr anstrengend, es kostet eine Menge Geld und ich nehme an, dass sich viele wünschen, wieder dorthin zurückzukehren, wo sie herkommen. Allerdings sind auch viele Leute von NYC nach L.A. gezogen und dann bald wieder zurück. Wie schon gesagt, NYC ist sehr teuer, es ist halt nicht für jedermann geschaffen.

Du gehörtest mit GORILLA BISCUITS zu einer der einflussreichsten Straight-Edge-Bands. Bist du selbst noch Straight Edge?

Ja, ich bin Straight Edge seit dem 16. Lebensjahr. Straight Edge bedeutet für mich, ein Punk innerhalb der Punk-Szene zu sein. Punk heißt für mich, dass ich alles verändern kann: die Gesellschaft, mich selbst und auch die Szene. Und in einer Zeit, in der viele Leute innerhalb der Szene Drogen konsumierten oder sich betranken und Schlägereien anzettelten, war es Zeit für Veränderung. Ich war zwar Straight Edge, aber viel wichtiger war für mich Hardcore. Ich hing mit meinen Freunden bei SICK OF IT ALL und MURPHYS LAW herum, und Jimmy Gestapo ist ein Typ, der tausende Biere vernichtet und Zigaretten raucht. Für mich ist wichtiger, was jemand für die Szene tut, und zu sehen, dass er hart dafür arbeitet, Shows organisiert oder in Bands spielt. Leute wie es damals Raybeez oder John Joseph waren. Da ist es mir egal, ob jemand trinkt oder raucht. Ich suche mir meine Freunde nicht danach aus.

Die Prioritäten ändern sich im Laufe unseres Lebens, wo liegen diese in der heutigen Zeit bei dir?

Ganz klar bei meiner Tochter! Ich will der beste Vater für sie sein, versuchen, ihr meine Werte zu vermitteln, und alles dafür tun, dass sie unter den bestmöglichen Umständen aufwächst. Arbeit ist Arbeit und Musik ist Musik, aber meine Tochter hat meine gesamte Aufmerksamkeit!

Wie geht es mit CIV weiter?

Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir keinen Plan. Wir haben kein Label, kein Management, buchen unsere Shows selbst und haben das Merch für die Tour selbst gemacht. Das ist wie in den Anfängen von GORILLA BISCUITS. Es ist wirklich D.I.Y.. So können wir allerdings auch entscheiden, wann und wo wir spielen.