„Central Tunnel Eight“, das aktuelle Album von CIPHER SYSTEM, die damit auf LifeForce Records debütieren, ist für mich eine der größten Überraschungen des letzten Jahres. Selten hat man so energiegeladenen, melodischen Death Metal gehört, der so frei von Klischees war. Warum CIPHER SYSTEM mit Death Metal gar nicht so viel zu tun haben, erklärt Sänger Henric.
Henric, mir kommt es so vor, als wenn ihr erst mit eurem „Eyecon“-Demo etwas bekannter geworden seid und auf einmal mehr als ein bloßer Underground-Geheimtipp gewesen seid. Wie steht es mit eurem Status als Band in eurer Heimat Schweden?
„Als wir die Songs zu ‚Eyecon‘ aufgenommen haben, hatten wir das erste Mal das Gefühl, etwas Vorzeigbares produziert zu haben. Etwas, das Potenzial genug hatte, um es auch mal einigen Labels zu schicken. Wir hatten vorher allerdings schon einen Plattenvertrag, haben zu dieser Zeit allerdings noch unter dem Namen ETERNAL GRIEF gespielt. Ich glaube, dass melodischer Death Metal in Schweden nie richtig Underground war. Das sind dann eher schon die härteren Metal-Acts. Eines der populärsten schwedischen Metal-Magazine hat uns mal den Titel ‚Sweden‘s most promising unsigned act‘ verliehen. Nun ja, jetzt sind wir ja bei Lifeforce Records und wollen mal sehen, was wir mit unserem neuen Album alles erreichen können.“
Hier in Deutschland werdet ihr ja nun mit „Central Tunnel Eight“ zunehmend bekannter. Erzähl doch mal, was sich vor dem Release bei euch abgespielt hat?
„Wir haben die Band schon 1996 gegründet. Damals war unser Sound aber noch weitaus rauer als jetzt. Mit den Jahren haben wir uns dann stetig musikalisch weiterentwickelt. Wir nahmen in dieser Zeit einige Demos auf, haben aber erst bei den letzten beiden damit begonnen, diese auch an Labels zu schicken. Eines der beiden war ‚Eyecon‘, das zweite ‚Promo 2003‘. Diese Songs sind dann auch auf der Split-EP mit unseren Lifeforce-Labelkollegen BY NIGHT gelandet. Während der Aufnahmen ging alles ein wenig hektisch zu, und so richtig zufrieden war mit dem Endergebnis eigentlich keiner von uns. Wir sind sehr froh, jetzt ‚Central Tunnel Eight‘ veröffentlicht zu haben, denn diese Platte zeigt, was wir wirklich können. Das Album ist genau so geworden, wie wir es haben wollten, als wir in die Fredman Studios gingen. Alle Songs der eben genannten Demos befinden sich auf ‚Central Tunnel Eight‘, jedoch fast komplett umarrangiert und neu aufgenommen. Man dürfte sie eigentlich kaum wiedererkennen. Seit dem Release des Albums werden wir eigentlich stets mit anderen Bands aus Schweden wie etwa IN FLAMES, THE HAUNTED, SOILWORK, DARK TRANQUILITY und sogar CHILDREN OF BODOM verglichen.“
Ich habe die Songs wirklich zuerst nicht wiedererkannt, was natürlich auch erheblich dem professionellen Sound des Albums zuzuschreiben ist. Wie sind die Aufnahmen zu „Central Tunnel Eight“ gelaufen?
„Die Aufnahmen waren für uns harte Arbeit. Wir haben uns zwei Wochen lang wirklich Tag und Nacht den Arsch aufgerissen. Geschlafen haben wir kaum. Dazu kam, dass ich nach ein paar Songs meine Stimme verloren habe, so dass wir beinahe für die letzten sieben Songs einen anderen Sänger hätten organisieren müssen. Das war dann reine Nervensache. Es war dann wirklich so, dass ich am letzten Tag doch noch mit den letzten Vocal-Tracks fertig geworden bin. Die Aufnahmen waren also alles andere als langweilig.“
Die Schweden sind dem Rest der Welt, was Rockmusik angeht, ja um Jahre voraus. Wie würdest du die schwedische Death Metal-Szene heutzutage beurteilen?
„Ich bin fest davon überzeugt, dass Schweden kurz davor ist, die Welt mit einer neuen Welle junger Metal-Bands zu überraschen. Ich allein kenne schon unzählige talentierte Bands, die noch ohne Plattendeal dastehen. Das wird sich jetzt innerhalb kürzester Zeit ändern. Der Erfolg von IN FLAMES hat so einige Tore geöffnet.“
Wenn man sich eure Texte durchliest, dann kann man sich nur wundern, denn die sind trotz eures Death Metal-Backgrounds ja absolut klischeefrei und Metal-untypisch. Was lässt sich noch über eure Texte und deren Bezug zum Coverartwork sagen?
„In lyrischer Hinsicht geht es darum, wie krank unsere Welt ist und wie krank einige Menschen sein können. Bei einigen Texten, die auf den ersten Blick recht schizophren zu sein scheinen, denkst du nur: ‚Was denkt der sich eigentlich dabei, so einen Mist zu schreiben?‘. Es stecken jedoch viele Überlegungen hinter jedem Song. Der Titelsong etwa – ‚Central Tunnel Eight‘ – handelt von einem Mann, der seine Wut, seinen ganzen Ärger und seine ganzen Frustrationen an dem Falschen auslässt. Die Person auf dem Frontcover ist besagter Mann. Ich versuche, Klischees bewusst zu umgehen. Warum sollten wir Dinge tun, die schon unzählige Bands vor uns getan haben? Ich sehe das, was wir machen, jetzt nicht als absolut originell und grundlegend neu an, aber wir haben definitiv unsere eigene musikalische Nische gefunden und verfügen über eine eigene musikalische Identität. Das einzige, was unsere Musik mit Death Metal verbindet, ist der Gesang. Unsere Texte handeln von so viel mehr als nur dem Tod.“
Eure Musik ist auch erstaunlich Hardcore-kompatibel. Metalcore könnte ja ein Beispiel dafür sein, dass sich diese beiden Szenen annähern und Genregrenzen unwichtiger werden. Wie siehst du das?
„Recht ähnlich. Mit Metalcore hat sich eine Mischform aus den beiden Szenen herausgebildet. Klar wird Musik immer kategorisch behandelt. Das ist ja auch sinnvoll, um verschiedene Stile zu beschreiben. Ich sehe jedoch auch, dass die Genregrenzen immer weniger starr werden. Und das freut mich persönlich. Solch Abschottungen und Abgrenzungen sind doch auch irgendwie Kinderkram, oder?“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Dennis Grenzel