CINDER BLOCK

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Punkrock-Lebenskünstlerin

Pop-Punk-Bands brauchen ein Alleinstellungsmerkmal, um aus der Masse hervorzustechen. Meistens ist das ein unverwechselbarer Gesang. Cinder Block (bürgerlich Cindy Bischoff, geb. Morgan) erfüllt diese Aufgabe seit mehr als dreißig Jahren. Von Anfang der Neunziger bis Anfang der Nullerjahre bei TILT aus der Bay Area, die zuerst ein Album auf Lookout! Records und danach vier bei Fat Wreck Chords herausbrachten. Später war sie bei RETCHING RED, aushilfsweise bei der All-Girl-Band FABULOUS DISASTER und seit einiger Zeit bei THE PATHOGENS, die schon zweimal auf Europatour waren. Neben ihrer brillanten Stimme – eine Mischung aus Penelope Houston, Debbie Harry und Wendy O. Williams – stach Cinder immer schon durch ihre kämpferischen Texte mit feministischem Schwerpunkt hervor. Und das zu einer Zeit, als Pop-Punk durch den kommerziellen Erfolg von GREEN DAY und BLINK-182 entpolitisiert zu werden drohte. Wie sich über dreißig Jahre Punkrock in der Retrospektive anfühlen und warum man niemals im Hintergrund stehen sollte, erklärt uns Cinder im Interview.

Cinder, wo erreiche ich dich gerade? Im Internet habe ich gesehen, dass du eine Art House Sale machst und alles Mögliche verkaufst, weil du einen Umzug planst?

Ich bin gerade im Mittleren Westen unterwegs, um meine Familie zu besuchen. Ich würde mich nicht direkt als Klimaflüchtling bezeichnen, aber in den letzten drei Jahren war mein Zuhause in Nordkalifornien von rekordverdächtigen Bränden betroffen. Glücklicherweise konnte ich dem orangefarbenen, rauchgefüllten Himmel entkommen, wenn auch nur für vorübergehend. Der entscheidende Moment war, als ich in meinem Garten stand, Rauch roch und die Asche bewunderte, die auf meine Terrassenmöbel regnete. Ich hörte ein lautes Geräusch und sah ein riesiges Wassertankflugzeug direkt über mich hinweg fliegen, das auf dem Weg zu einem Feuer eine halbe Meile von mir entfernt war. Wenn man dann noch Corona dazunimmt, war es definitiv an der Zeit, für eine Weile in eine weniger besiedelte Gegend zu ziehen. Die Klimakatastrophe ist real und wir müssen etwas dagegen tun. Viele Menschen, die nicht so viel Glück haben wie ich, wurden bereits vertrieben, und es wird noch viel schlimmer werden. Momentan weiß ich noch nicht, wo ich landen werde. Kalifornien liegt mir immer noch am Herzen, und auch meine Band THE PATHOGENS ist dort beheimatet.

Du bist im Mai 2021 sechzig Jahre alt geworden. Hättest du vor dreißig Jahren gedacht, dass Punkrock in dem Alter noch eine Rolle in deinem Leben spielen würde?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir vor dreißig Jahren allzu viele Gedanken über die Zukunft gemacht habe. Aber ich habe immer gewusst, dass ich mein ganzes Leben lang singen und schreiben werde. Ich kann es nicht lassen – ich habe versucht, damit aufzuhören, aber es klappt nicht. Ich schätze, ich bin eine Punkrock-Lebenskünstlerin in dem Sinne, dass ich immer Autoritäten infrage stellen und Mainstream-Denkweisen ablehnen werde.

Neulich las ich in einem Kommentar den Satz: „Old Punks never die ... they just stand in the back.“ Siehst du das auch so?
Ich kann nur für mich selbst sprechen, und ich stehe nie im Hintergrund. Bildlich und wörtlich gesehen. Frag Russ Rankin von GOOD RIDDANCE! Ich singe die zweite Stimme bei „Credit to his gender“ und jedes Mal, wenn ich den Song live mit ihnen singen kann, beende ich ihn immer noch mit einem Sprung in die Menge. Ich habe mich entschieden, mich auf die Jugend zu konzentrieren, die ich noch habe, und nicht auf die Jugend, die ich verloren habe. Mit dieser Einstellung bleibe ich offen und lernfähig. Ich hasse diese Haltung, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Respekt muss man sich verdienen, den bekommt man nicht automatisch mit dem Alter.

Deine erste Band PRICK gründete sich 1991, da warst du dreißig Jahre alt. Ein Jahr später starteten TILT. Bist du erst spät zum Punkrock gekommen oder hattest du davor keine Lust, Musik zu machen? Hattest du vorher andere musikalische Interessen?
PRICK waren nicht meine erste Band insgesamt, nur die erste, die etwas veröffentlichte. Ich habe in so vielen Bands gespielt, dass ich sie fast nicht mehr zählen kann. Spät mit der Musik angefangen habe ich aber trotzdem, weil ich bis zu meinem letzten Jahr am College gewartet habe, um meine erste Band zu gründen. Ich habe mich für Theater interessiert, ein paar Stücke geschrieben und auch Regie geführt. Mitte der Achtziger Jahre habe ich eine Punkrock-Oper namens „Hubris“ geschrieben, die auf dem Agamemnon-Mythos basiert. Ein Freund von mir führte Regie, und sie bekam gute Kritiken, jedenfalls für ein Studententheaterstück, versteht sich. Ich bin zum Punk gekommen, weil ich mein eigenes Material schreiben und aufführen wollte, politisch war ich damals eher unbedarft. Die Energie und „Fuck you“-Ästhetik des Punk waren genau mein Ding. Außerdem war Punkrock aus meiner Sicht damals ein „Boys Club“, und ich habe es schon immer geliebt, Partys zu stürmen, auf denen ich nicht erwünscht bin.

Dein Gesangsstil ist ziemlich prägnant und deine Stimme klingt sehr trainiert. Hattest du klassischen Gesangsunterricht oder hast du dir das selber beigebracht?
Die einzige Gesangsausbildung, die ich habe, stammt aus dem Schauspielunterricht. Ich habe ziemlich schnell gelernt, als ich anfing, mit meinen Freunden zu jammen. Wenn man sich stimmlich gegen Marshall-Verstärker durchsetzen muss, lernt man, aus dem Zwerchfell heraus Druck zu machen. Manche Leute mögen das für prätentiös halten, aber für mich sind die Texte wichtig. Wenn du deine Inhalte nicht rüberbringen kannst, bist du nur ein Angeber mit Punkrock-Fassade.

TILT waren damals eine ungewöhnliche Band für Fat Wreck Chords. Die meisten anderen spielten zu der Zeit Melodic Hardcore, TILT hingegen eher eine Mischung aus frühem San Francisco-Punk wie AVENGERS oder X und Pop-Punk im Stil der Neunziger Jahre. Wie hast du die Anfangszeit von TILT damals erlebt? Viele Leute, mich eingeschlossen, halten euer Album „’Til It Kills“ für sehr unterschätzt und insgesamt für besser als „Dookie“ von GREEN DAY.
Wow, das ist ein tolles Kompliment! Ich bin wirklich dankbar für die treuen TILT-Fans, die sich nach all den Jahren immer noch bei mir melden. TILT-Fans sind etwas Besonderes, weil ich weiß, dass sie das Songwriting zu schätzen wissen. Ich scherze gerne, dass sie auf der „Smart Punk“-Seite des Spektrums stehen, weil wir eine Menge Arbeit in den Songaufbau und die Texte stecken, anstatt zu versuchen, uns als knallharte Straßenpunks darzustellen. Ich habe das Wort ,,unterschätzt“ in diesem Kontext schon oft gehört. Leider glaube ich, dass Sexismus ein wenig damit zu tun hat. Ich will die Schuld am fehlenden kommerziellen Erfolg von TILT nicht komplett auf Sexismus reduzieren, denn die Musikindustrie ist generell hart, zu jedem. Aber ich muss zugeben, dass es ein paar Anlässe gab, bei denen wir zugunsten von weniger talentierten Bands übergangen wurden. Das klingt arrogant, aber es kam oft genug vor, um mich zu nerven. Ich war einfach nicht in den „Good Ol’ Boys“-Kreis der Szene eingebunden. Auf der anderen Seite hatten TILT spektakuläre Hilfe und Support von Leuten wie Fat Mike von NOFX/Fat Wreck Chords, dem Label Lookout!, von GREEN DAY und vielen anderen. Dafür bin ich ewig dankbar. Natürlich war mein größter Cheerleader immer mein Ex-Mann Jeffery Bischoff. Shoutout!

2001 lösten sich TILT auf. Wie kam es damals dazu?
Einer der Hauptgründe war, dass meine Musik-Merchandising-Firma Cinder Block Inc. Vorrang hatte und viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Jeffery und ich besaßen und betrieben sie zur gleichen Zeit, als wir in der Band waren. Anfang der Nuller Jahre begann das Geschäft zu brummen und die Band musste in den Hintergrund treten. Auch andere Mitglieder der Band wurden von Lebensereignissen abgelenkt. So ist das nun mal.

2004 kamst du mit RETCHING RED zurück. RETCHING RED waren völlig anders. Klassischer Oldschool-Hardcore. Dein Gesang war viel rauher und härter als bei TILT. Wolltest du dich damit klar von TILT abgrenzen, damit deine neue Band nicht mit ihnen verglichen wird? Oder hattest du generell dein Interesse an Pop-Punk verloren?
Es ging nicht wirklich darum, anders zu sein. Ich mochte Hardcore schon immer, das hört man auch auf der dritten TILT-Platte „Collect ’Em All“, die wesentlich aggressiver ist, als die Vorgänger. Es lag eher an meiner Lebenssituation, die von einschneidenden Veränderungen geprägt war. Meine langjährige Beziehung ging zu Ende, und ich hatte eine Menge Energie, die ich loswerden musste. RETCHING RED erfüllte dieses Bedürfnis. Abgesehen davon bin ich nicht ausschließlich auf ein bestimmtes Musikgenre festgelegt. Der Stil muss zur Idee des Songs passen. Ich habe sogar schon in Country-Bands gespielt. Damit meine ich alten Country wie bei Loretta Lynn, Kitty Wells und Hank Williams. Der neue Country interessiert mich nicht wirklich.

RETCHING RED habe ich zusammen mit SCHEISSE MINNELLI im Kölner Sonic Ballroom live gesehen. An eine Situation kann ich mich erinnern: Zwischen den Songs hast du in einer Ansage gesagt, dass Leute manchmal Dinge als sexistisch bezeichnen würden, die nicht sexistisch sind – wie zum Beispiel bestimmte Sexualpraktiken. Ein Witz über einen Tittenfick sei nicht sexistisch, weil ein Tittenfick eine sexuelle Praktik ist und sexuelle Praktiken seien nicht sexistisch. Diese Idee finde ich einleuchtend. Aber wo ist bei solchen Witzen für dich die Grenze zwischen Prüderie, Geschmacklosigkeit und sexueller Belästigung?
Okay, ich muss weiter ausholen, auch wenn das schon 15 Jahre her ist. Damals war ich mit vielen Hardcore-Punks auf Tour, und du kannst dir vorstellen, dass politische Korrektheit nicht gerade auf der Tagesordnung stand. Ich bin keine reaktionäre Feministin, aber es nervte mich, wenn ausschließlich Frauen die Hauptrolle in jedem anzüglichen Witz spielten. Ich habe versucht, den Leuten klarzumachen, dass man einen respektlosen und derben Humor haben kann, dass es aber nicht in Ordnung ist, sexistische, rassistische und homophobe Stereotype aufrechtzuerhalten, indem man sich hinter Humor versteckt. Ich fluche wie ein Seemann und mache gerne schmutzige Witze, aber Witze über Vergewaltigung zum Beispiel sind einfach nur gemein und ignorant. Man kann einen kranken Humor genießen, ohne abwertendes Verhalten zu normalisieren. Natürlich wurde ich schon unzählige Male als Feminazi beschimpft, weil ich solche Dinge gesagt habe. Aber ich werde mich immer zu Wort melden und habe keine Angst davor, mich mit Idioten anzulegen, die einen „Angry Dragon“-Witz für cool und lustig halten, in dem es darum geht, bei einem Blowjob der Frau so die Luft abzudrücken, dass ihr das Sperma durch die Nase herausfließt. und sie dadurch aussieht wie ein wütender Drache. Ich musste auch schon in Situationen eingreifen, in denen betrunkene Fans Gefahr liefen, sich selbst in missbräuchliche Situationen zu bringen. Ich möchte aber betonen, dass weder Mitglieder von RETCHING RED noch SCHEISSE MINNELLI Ursache für diese Probleme waren. Ich beziehe mich auf die Szene als Ganzes. Es ist ekelhaft, aber sexuelle Belästigungen gab und gibt es in der Szene wirklich. Ich bin so dankbar, dass sich die Einstellung der Leute jetzt ändert und diese Arschlöcher zur Rede gestellt werden. Die Zeit für „Locker Room Talk“ ist vorbei.

Dein neuestes Projekt sind die PATHOGENS. Neben dir sind auch ehemalige Mitglieder von ECHONOCHRIST und den CRIMINALS dabei. Bitte erzähle ein bisschen darüber, wie die Band entstanden ist.
Die Band entstand quasi von alleine. Wir kamen alle aus namhaften Bands aus der East-Bay-Punk-Szene und jeder von uns wollte ein neues Projekt starten. Es hat sich einfach organisch zusammengefügt. Da jeder von uns bereits über Erfahrung verfügte, ging es schnell voran. Wir hatten eine tolle Zeit beim B.O.B. Fest und auf der Europatournee 2019 und bekamen großartige Resonanz. Ich mag es total, Seite an Seite mit unserem zweiten Sänger Jesse zu singen. Es ist großartig, nicht die alleinige Frontperson zu sein. Diese Band ist eine echte und gleichberechtigte Zusammenarbeit, bei der jeder seinen Beitrag leistet. Die Pandemie hat sich zwar auf die Band ausgewirkt, und einige von uns sind im Moment in verschiedenen Teilen der Welt unterwegs, aber wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, werden wir sie ergreifen. Der Gitarrist und der Schlagzeuger spielen derzeit außerdem in einer Band namens THE VAXXINES, die in der Bay Area unterwegs ist.

Aufgrund deines Umzugs liegen THE PATHOGENS gerade auf Eis, oder?
Nur vorübergehend. Im Moment spiele ich in einer Familien-Jam-Band, die wirklich toll ist. Wir nennen uns vorläufig THE MORGANS. Jedes Mitglied meiner Familie ist musikalisch sehr begabt, also ist es ein traumhaftes Projekt für mich. Unser jüngstes Mitglied ist erst acht Jahre alt! Wir klingen fantastisch. Familie ist mir so wichtig, besonders jetzt. Ich habe das Glück, das Familienleben genießen zu können. Es klingt kitschig, aber meine Familie hat mich nach einem schrecklichen Jahr voller Corona-Drama wieder ins Leben zurückgebracht.

Als Sängerin in mehreren Bands: Was hältst du von der Bezeichnung „Female-fronted Band“? Nervt dich das, ist es dir egal? Ist es eine legitime Bezeichnung für ein Punk-Subgenre? Ist es überhaupt notwendig zu erwähnen, dass in einer Band auch Frauen spielen – sollte das nicht selbstverständlich sein?
Das ist einfach ein Aspekt der Musikszene. Mir ist das gleichgültig. Ich versuche nur, die bestmöglichen Songs zu schreiben und sie gut zu spielen, und konzentriere mich auf das Material und die Ideen, die ich ausdrücken will. Ich denke nicht viel darüber nach, eine weibliche Frontperson zu sein. Mich als süß oder kokett zu verkaufen, war nie mein Ding. Ich wollte mich nicht auf der Basis von Sexappeal vermarkten. Einmal weil ich keinen habe, haha. Aber auch, weil ich das Publikum in erster Linie mit meinen Worten und Ideen konfrontieren wollte.

Hattest du ein bestimmtes weibliches Vorbild, entweder aus dem Punkrock oder einem anderen Genre? Haben dich bestimmte Personen inspiriert?
Viele verschiedene Künstler, Schriftsteller und Sänger haben mich inspiriert. Wenn es um Sängerinnen geht, dann sind das alle von Billie Holliday über Edith Piaf, Nina Hagen, Exene Cervenka von X bis hin zu Lady Gaga. Es ist unmöglich, alle meine Einflüsse aufzuzählen. Als Kind wurde ich sehr vom Theater beeinflusst, weil mein Vater Theaterprofessor war und jedes Jahr mehrere Stücke inszenierte. Ich habe ein breit aufgestelltes Interesse am Theater. So liebe ich zum Beispiel die Stücke von Sam Shepard, während ich gleichzeitig Shakespeare verehre. In der Schule war ich eine kleine Dichterin und liebte die Beat-Poeten und die Existenzialisten. Als Sängerin bin ich diejenige, die die Texte immer wieder vortragen muss, also sollten sie mich auf Dauer nicht langweilen. Vor vielen Jahren besuchte ich eine Vorlesung des russischen Dichters Jewgeni Jewtuschenko und fragte ihn, ob es klug sei, sich an sein Publikum anzupassen. Er sagte mir, dass ich mein Publikum nicht unter Wert verkaufen solle. Mit anderen Worten: Mache dir keine Gedanken darüber, wie du deine Arbeit für andere verständlich machen könntest. Mache sie für dich selbst verständlich. Bleibe deiner Essenz treu, und die Chancen stehen gut, dass die Leute sie verstehen werden.

Neben politischen Themen hast du in deinen Texte auch immer feministische aufgegriffen. In Europa gibt es zurzeit teils heftige Auseinandersetzungen zwischen den älteren linken Feministinnen der Siebziger/Achtziger Jahre und den jüngeren, die sich mehr auf Identitätspolitik berufen. Ältere Feministinnen kritisieren, dass die Jungen dabei die Rolle der Religion zu sehr betonen oder die Gesellschaft durch die Einteilung von Menschen in Gruppen mit bestimmten Identitätsmerkmalen eher spalten anstatt sie zu vereinen. Jüngere Feministinnen hingegen werfen den älteren vor, dass die Ablehnung von Religion auch rassistisch sein kann. Wie positionierst du dich da?
Ich unterstütze die Jüngeren zu 100%. Die Autorität der Älteren muss immer infrage gestellt werden. Einstellungen müssen sich ändern. Wir brauchen jetzt einen grundlegenden Wandel, und ich bin absolut damit einverstanden, die Älteren für das, was sie getan oder nicht getan haben, zur Verantwortung zu ziehen. Ich bin zuversichtlich, dass junge Feministinnen diesen Wandel herbeiführen können und auch die Tatsache zu schätzen wissen, dass sie auf den Schultern von Frauen stehen, die seit vielen Generationen in den Schützengräben dieser von Männern dominierten Welt kämpfen. Diese beiden Konzepte schließen sich nicht gegenseitig aus. Ich gehöre der Generation X an, und als ich aufwuchs, fragte ich mich immer: Wo sind all die Feministinnen hin? In den Neunziger Jahren gab es eine Welle von Frauen, die sich einfach nur objektivieren und nach dem Vorbild von Popstars modellieren wollten. Also, ein deutliches Ja, man muss der älteren Generation auf die Füße treten. Manchmal mag die Cancel Culture zu weit gehen, aber wir müssen einen abrupten Wandel in unserer Kultur herbeiführen und uns in Richtung einer integrativeren und gerechteren Gesellschaft bewegen. Ein schneller Wandel tut weh, aber er ist notwendig.

Hat Punkrock deiner Meinung nach in diesem Zusammenhang heute noch das Potenzial, junge Menschen zu politisieren?
Ich hoffe es, aber wie immer gibt es Leute, denen es nur um Sex, Drugs and Rock’n’Roll geht. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber am Ende des Tages sollte man besser auch ein paar Prinzipien haben, auf die man sich berufen kann.