Chris Walter

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What No One Else Wanted To Say

Der Kanadier Chris Walter, Jahrgang 1959, ist eng befreundet mit SNFU-Frontmann Chi Pig und Autor des Buches „SNFU: What No One Else Wanted To Say“ (Neuauflage 2014). Ich stellte ihm einige Fragen, um den Mythos SNFU zu ergründen.

Chris, du hast „What No One Else Wanted To Say“, ein kürzlich aktualisiertes Buch über SNFU, mit einem Titel versehen, der natürlich genau sieben Wörter hat. Was hat dich motiviert dieses Buch zu schreiben?


Ich denke, dass einige kanadische Punkbands, die ich als Kind und auch später noch geliebt habe, nicht den Respekt und die Aufmerksamkeit bekommen haben, den sie verdient hätten. Dazu gehören SNFU, und deshalb habe ich ihnen dieses Buch gewidmet. Ich kenne zudem viele Leute, die ein Teil der Geschichte von SNFU waren, und sah mich in der Lage, ein präzises Bild von SNFU zu zeichnen. Ich kenne viele der wichtigsten Bandmitglieder seit mehr als 35 Jahren, somit lag es einfach nahe, dass ich das Buch schreibe. Und obwohl ich zugeben muss, dass ich kein ganz so objektiver Beobachter bin, habe ich versucht, nichts schönzufärben oder unangenehme Themen auszublenden. Bei all den fantastischen Dingen, die der Band über die Jahrzehnte passiert sind, möchte ich den Leser auch wissen lassen, was sie für ihre Musik ausgehalten haben. Jeder, der glaubt, in einer Band zu sein sei einfach, sollte dieses Buch lesen.

SNFU sind zusammen mit D.O.A. und SUBHUMANS der wichtigste Beitrag Kanadas zu Hardcore und Punkrock. Wie anerkannt ist die Band in Kanada?

SNFU genießen immer noch hohes Ansehen, aber die „Marke“ wurde über die Jahrzehnte etwas beschädigt durch den Ausstieg der Belke-Brüder und durch das eine oder andere Line-up, das nicht ganz so überzeugen konnte. Die Band wäre noch populärer, wenn sie nicht für lange Zeit aufgehört hätte, Alben zu veröffentlichen, oder wenn die Belkes noch dabei wären. Chi Pig kann außerdem sehr launisch sein bei seinen Auftritten, so dass die Fans nie wirklich wissen, was sie geboten bekommen. Aber unter den neueren Mitgliedern sind sehr talentierte Musiker, und so wäre es ein Fehler, die SNFU von heute als Tribute-Act zu bezeichnen. Ich glaube, das neue Album beweist, dass Chi Pig sich als Songwriter sogar noch gesteigert hat, auch wenn seine Stimme nicht mehr so kräftig ist, wie sie es mal war. Das aktuelle Line-up hat Potenzial, daraus kann etwas Besonderes werden und ich hoffe, dass die Fans ihnen eine Chance geben. Ich weiß, dass Chi Pig in letzter Zeit sehr hart für die Band gearbeitet hat. Er ist sehr aufgeregt, wieder mit Dave Bacon arbeiten zu können und er will niemanden enttäuschen. Chi ist sich bewusst, dass das alles vorbei ist, wenn seine Performance nicht gut ist. Somit liegt es an ihm, sein Bestes zu geben.

Was macht SNFU zu solch einem spannenden Phänomen? Andere Bands aus den Achtzigern und Neunzigern sind lange vergessen, aber wenn SNFU nach Deutschland kommen, schaffen sie es, all ihre alten Fans anzulocken.

Punkrock trägt vielleicht schon manchmal Inkontinenzwindeln und geht auch manchmal am Stock, aber er lebt immer noch – und geht ab. Chi Pig ist mittlerweile eine Legende und jeder kennt seine Probleme und Schwierigkeiten. Die Fans kommen nicht nur zu den Shows, um die heiß geliebten alten SNFU-Songs zu hören, sondern auch um Chi Pig zu erleben, um dessen Person so viel Tratsch und Geschichten kursieren. Sie wollen sehen, ob das alles wahr ist, was so man so erzählt. Sie wollen sehen, was er sagt, wie er sich verhält. Er fasziniert die Leute. Er ist einzigartig.

SNFU haben über die Jahre viele Veränderungen im Line-up durchgemacht und die Band, die das neue Album aufgenommen hat, existiert auch schon nicht mehr. Was war für dich das „klassische“ Line-up und was bedeuteten und bedeuten die Veränderungen für den Sound der Band?

Das neue Album ist großartig und ich weiß, dass das aktuelle Line-up die Songs auch spielen kann. Chi hat die Texte geschrieben, das wird also kein Problem. Auch die neuen Jungs sind Vollblutmusiker mit einer soliden Vergangenheit und sie werden Punkrock liefern. Die Hauptsache ist, dass Dave Bacon, der mit für das beste SNFU-Material verantwortlich ist, wieder zurück ist. Er kennt den ganzen alten Kram, und die neuen Songs kann er ohne Probleme lernen. Das neue Line-up wird stark sein. Die klassische Besetzung sind für mich sicherlich Pig/Belke/Belke/Bacon/Card, die von 1985 bis ’87 in der Band waren. Für Chi und die Belkes waren es ihre besten Jahre und die Rhythmus-Sektion um Bacon und Card war einfach unglaublich. Ein anderes brillantes Line-up war das zu den Epitaph-Zeiten in den Neunzigern, bestehend aus Pig/Belke/Belke/Rees/Johnson. Die drei Epitaph-Platten waren alle anders, aber jede hat seine Highlights. Zwar werden die meisten Leute mir sicher nicht zustimmen, aber mein Lieblingsalbum von SNFU ist immer noch „In The Meantime And In Between Time“ von 2004. Was Chi auf diesem Album an Texten raushaut und seine gesangliche Leistung sind einfach fantastisch. Die Emotionen und der Schmerz, die hier in manchen Songs stecken, das ist so überwältigend, dass ich immer noch heulen könnte, wenn ich bloß daran denke. Er singt nicht über Elvis oder fliegende Untertassen; es geht um sein Leben und die Tragik der Drogensucht und psychisch krank zu sein. Echter kannst du es nicht haben. Die Musik bringt alles zusammen und Marc Belke ist hier auf dem Gipfel seines Könnens. Die Rhythmus-Sektion dieser Phase sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Bassist Matt Warhurst ist unglaublich, genau wie Drummer Shane Smith, wenngleich Trevor McGregor von TREBLE CHARGER auf „In The Meantime And In Between Time“ Schlagzeug spielte. Eine verdammt großartige Platte.

Und wie findest du das aktuelle Album?

Auch „Never Trouble Trouble Until Trouble Troubles You“ ist eines meiner Lieblingsalben und ich bin total begeistert, wie gut es angekommen ist. Ich war zuerst etwas nervös, weil ich, seit Marc Belke die Band verlassen hatte, nichts mehr gehört hatte, was die Band geschrieben hat. Hätte mir die neue Platte nicht so gefallen, hätte ich mein Buch nicht so überarbeitet, einschließlich ihrer Entstehungsgeschichte. Die Band hatte gerade erst ein Demotape aufgenommen, als die erste Auflage des Buches fertig war, aber sie hatten kein Label und es war nicht zu erwarten, dass daraus bald ein richtiges Album werden würde, schon gar nicht so schnell. Wie sich herausstellte, hätte ich mir keine Sorgen machen müssen: Ken Fleming war zu diesem Zeitpunkt schließlich schon neun Jahre in der Band und er ist ein begnadeter Musiker. Jon Card ist natürlich Jon Card, einer der besten Punk-Drummer der Welt. Die Texte sind messerscharf. Chis Wortspiele sind so schön bösartig wie immer, selbst wenn er über sein Leben in Vancouvers drogenverseuchter Downtown Eastside singt. Obwohl Chi lange schon keine Drogen mehr nimmt, verbringt er seine Zeit meistens in irgendeiner abgefuckten Bar und bekommt mit, was um ihn herum passiert. Er trinkt immer noch mehr, als gesund für ihn ist, aber SNFU motiviert ihn, es etwas unter Kontrolle zu halten. Dan von Cruzar Media – bei Cruzar ist das neue Album erschienen – hilft ihm, für die auf Tour in Form zu sein, und Chi weiß, was er zu tun hat, um alles am Laufen zu halten. SNFU ist sein Leben.

Chi Pig ist das einzige konstante Bandmitglied. Wie würdest du ihn beschreiben?

Chi ist eine schillernde Persönlichkeit und verspielt wie eh und je. Er hat immer noch dieses Funkeln in seinen Augen und er ist sehr aufgeregt, dieses Jahr in Europa touren zu können, besonders jetzt, da Dave Bacon wieder in der Band ist. Ich habe das neue Line-up noch nicht live gesehen, aber bin überzeugt, dass sie es draufhaben, und ich glaube, dass die Fans ihren Spaß daran haben werden. Dave Bacon wird die alten Songs rocken und sie werden auch Songs von den letzten beiden Alben spielen. Ich bin gerade dabei, mit Chi und Dan von Cruzar eine kleine Tour durch Kanada zu organisieren, so dass ich ihre Akustikauftritte sehen werde. Ich werde aus dem SNFU-Buch lesen und die beiden werden danach Musik machen.