Mitten in der Pandemie haben sich bei CHARTREUX unter anderem Mitglieder von PIEFKE, SHUTCOMBO oder TACKLEBERRY zusammengetan, um noch ein weiteres Projekt aus dem Boden zu stampfen. Ihre Mission: im DIY-Sinne möglichst viel selbst machen und das geht vom Songwriting übers Booking und Recording zum Videos produzieren. Als Marketing-Coup setzen die vier auch auf Katzen, umgedrehte Kreuze und bedienen sich einer erfrischenden Unbedarftheit. Die ist seit September 2024 auf ihrem auf Gunner Records erscheinenden neuen Album „Fatigue“ zu hören.
Beim letzten Interview 2021 wart ihr recht frisch als Band zusammen, hattet nur eine EP veröffentlicht und habt selbst gesagt, dass ihr euch – auch Corona geschuldet – eigentlich kaum kennt. Wie sieht es heute mit der Banddynamik aus?
Aiko: Wir hatten im letzten Interview gesagt, dass wir es noch nicht geschafft haben, zusammen im Tourbus zu sitzen und zu lernen, von den anderen genervt zu sein – das haben wir mittlerweile hinbekommen.
Ihr spielt alle noch in zig anderen Projekten – gibt’s da ein Update?
Tobi: Unser Bassist Sebastian dürfte mit PIEFKE, THE RUNNINGS und eben CHARTREUX am meisten ausgelastet sein. Aiko hat einen Job, der gerade sehr viel Zeit frisst. Christian hat noch SHUTCOMBO und ich mache viel Video- und Recording-Kram und baue mir gerade noch ein kleines Seitenprojekt auf. Das ist jetzt nichts Ernsthaftes, sondern einfach noch mal ein bisschen andere Mucke, so ein wenig wie früher, härterer Kram.
Euer Name beruht auf der – Zitat Wikipedia – „langhaarigen Varietät der Angorakatze“. Zufall oder Kalkül, um mit Cat-Content zu punkten?
Aiko: Am Anfang jeder Band steht immer eine WhatsApp-Gruppe und die braucht einen Namen und das sind dann die Initialen der Leute, die zusammen Musik machen. Das war in unserem Fall C, A, T und S. Und damit war klar, das Thema dieser Band sind Katzen. Dann habe ich nur noch nach einer witzigen Katzenrasse geguckt und bei Chartreux dachte ich: Das ist ein Wort, bei dem man hängenbleibt, weil man nicht weiß, wie man es ausspricht. Wie bei TOUCHÉ AMORÉ.
Und wie spricht man es aus?
Tobi: Schartrö.
Chartreux-Katzen schnurren lauter als viele andere Katzen. Wusstet ihr das oder war auch das Absicht?
Christian: Ehrlich gesagt nicht, aber es passt, weil Tobi auch lauter Schlagzeug spielt als viele andere Schlagzeuger:innen und deswegen sind wir insgesamt lauter als viele andere Bands.
Sebastian: Katzen kommen auf Social Media mega gut an! Ich könnte stundenlang Katzenvideos gucken.
Habt ihr Lieblingskatzenvideos?
Aiko: Ich würde mich da jetzt nicht festlegen, das wäre nicht fair anderen Katzen gegenüber. Es gibt aber genug Videos von unserer dummen Katze. Wir haben zwei Katzen und eine davon ist die dumme Katze, die ist auf jeden Fall sehr tollpatschig. Die hat’s auch schon mal geschafft, in die Toilette zu springen. Die andere eher lahme Katze stand Modell für das Plattencover.
Sebastian: Die Katze wurde aber gerettet beziehungsweise hat es selbstständig wieder aus dem Klo rausgeschafft. Also so dumm ist sie doch nicht.
Aiko: Ich befürchte, das war reiner Überlebensinstinkt.
Ich glaube, ich habe noch nie in einem Ox-Interview über Katzenvideos geredet.
Tobi: Wir haben letztens bei dem Festival gespielt und da gab es ein Katzenkino! Da liefen die ganze Zeit lustige Katzenvideos.
Neben Katzen zieht sich auch ein pinkes, umgedrehtes Kreuz durch eure Videos zum neuen Album. Wo kommt das her?
Aiko: In dem Raum, in dem wir das Video zu „Ruminant“ gedreht haben, lag dieses pinke Klebeband herum und ich meinte: Ha, ich klebe hier einfach mal ein umgedrehtes Kreuz in die Ecke.
Tobi: In dem Video wechseln wir ja ständig unsere Klamotten und dann haben wir auch das Kreuz immer woanders platziert, und irgendwann ist das sogar einigen aufgefallen. Dann haben wir gesagt: Ey, lass uns das durchziehen mit dem pinken Kreuz. Also es hat eigentlich gar keine Bedeutung.
Aiko: Entschuldigung, vergiss alles, was wir bisher gesagt haben! Das ist ein versteckter Gruß an unsere Freunde FRACHTER und ihre Textpassage „Bevor ich hier erfrier, dreh ich lieber eure Kreuze um“.
Tobi: In dem Video zu „Wabi Sabi“ sind auch nicht wir selbst zu sehen, das sind FRACHTER.
Wie kommt’s?
Tobi: Wir hatten einfach keine Zeit, wollten zu dem Song aber unbedingt ein Video drehen und veröffentlichen. An dem Wochenende, an dem wir hätten drehen müssen, um es pünktlich veröffentlichen zu können, war ich in Weimar, da kommen auch FRACHTER her. Dann habe ich sie gefragt, ob die Band nicht uns spielen könnte, und nach etwas Überredungskunst haben wir das wirklich an einem Sonntagnachmittag in drei Stunden abgedreht.
Aiko: Da sind auch noch so ein paar kleine Links zu uns drin, also das umgedrehte Kreuz zum Beispiel und ein paar Fotos von uns. Und Videos von der Rutsche.
Von der was?
Tobi: Die Rutsche. Vor jedem Gig träufeln wir uns gegenseitig Olbas-Tropfen auf einen Löffel und schlucken das Zeug.
Und das bewirkt was?
Tobi: Das ist Öl für den Hals. Erinnerst du dich, als wir beide uns das letzte Mal in Duisburg getroffenen haben?
Vage, ja ...
Tobi: Ich habe an dem Abend so lange mit dir gequatscht und so viel getrunken und geraucht, dass ich am nächsten Tag keine Stimme mehr hatte. Dann hatte Aiko den Tipp mit diesen Menthol-Tropfen und ohne Scheiß: Das hat funktioniert! Seitdem machen wir das vor jedem Gig.
Sebastian: Das Problem ist nur: Nach der Rutsche schmeckt alles nach Menthol. Das ist aber kein Problem, wenn du auf Menthol-Bier stehst.
Aiko: Irgendwann in der Apotheke haben die uns mal gesagt, es wäre wohl empfohlen, drei Tropfen auf ein Glas Wasser einzunehmen und wir ziehen uns einfach immer so 16 Tropfen auf einem Löffel rein.
Als würde sich eure geölte Stimme auf eure Musik auswirken: Für meinen Eindruck klingt euer neues Album „Fatigue“ viel sauberer, als ich euch kennen gelernt habe.
Christian: Boah, ich sag mal einfach umfangreicher.
Tobi: Ich wollte immer noch mehr D-Beats reinbringen, aber irgendwie bin ich da abgeschmettert worden.
Aiko: Zum Glück, ja, aber es hat sich nicht so ergeben. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die Platte weniger hart ist oder so, sondern ich finde, dass es vor allem eine reifere Version, also eine Weiterentwicklung ist. Und die Sounds gehen mehr in die Extreme: Die emotionaleren, ruhigeren Sachen sind emotionaler und ruhiger, die härteren sind härter, die poppigeren poppiger und so weiter.
Apropos poppig: Wann geht es für euch zum Punk Rock Holiday? Ich finde nämlich, dass ihr da ganz gut ins Line-up passen würdet.
Sebastian: Aiko war immer mal wieder dort, der hat auch schon mal unsere Platte zur Bewerbung abgegeben, aber stattdessen haben sie FEINE SAHNE FISCHFILET genommen.
Tobi: Wir sind im Prinzip für alles offen, was das angeht. Also wir würden jetzt keinen Support für die Onkelz machen, aber wenn es eine Steckdose gibt, dann spielen wir. Neulich war ich auf dem Back to Future Festival im – das klingt immer so komisch, weil distanzierend – tiefsten Osten Deutschlands. Und da haben mich, also für mich als Mensch aus dem Ruhrgebiet, überraschend viele AfD- und Freie Sachsen-Plakate angegrinst.
Bekommt ihr diese braunen Tendenzen in Leipzig auch zu spüren?
Tobi: Der Teil von uns, der in Connewitz lebt, lebt hier in einer verwöhnten Bubble.
Christian: Ich wohne ein paar Kilometer außerhalb, da rennen immer noch jede Woche ein paar Verstrahlte zu ihren Montagsdemos.
Sebastian: Wir haben letztens im Dorf der Jugend in Grimma gespielt und da ist es jetzt schon eher so, dass die Lokalpolitik aktiv gegen solche Projekte arbeitet. Egal, wo man jetzt in Sachsen hinguckt, sei es in Döbeln, Roßwein et cetera, das sind Orte, die von der Politik bedroht sind.
Tut ihr etwas, um aus eurer linksgrün-versifften Bubble in Leipzig herauszukommen?
Tobi: Neulich haben wir eine Gig-Anfrage aus Sachsen bekommen, da bauen Jugendliche einen Bauernhof zu einem Projekt aus. Und weil da Leute sagen, sie machen etwas, damit da etwas stattfindet, fahren wir dahin, klar. Außerdem gibt so ein Fest den Leuten dort einen guten Kontrast zu dem, was sie wahrscheinlich im Alltag dort jeden Tag erleben. Gleichzeitig ist es für uns ein Kontrast, wenn wir mal irgendwo anders hingehen, wenn wir auch mal rauskommen aus unserer Bubble, das ist schon gut.
Und wie geht’s dann mit CHARTREUX weiter?
Tobi: Mit möglichst vielen Gigs.
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