Wieder einmal scheiden sich die Geister an einer Musikrichtung. Von den einen geliebt wegen ihrer Intensität und kreativen Mischung von Musikstilen wie Metal und Hardcore, von den anderen aufgrund der angeblichen Unvereinbarkeit dieser Musikstile und konträrer Lebenseinstellungen generell abgelehnt, steht „Metalcore“ mitten im Kreuzfeuer der Musikpresse und Szenehardlinern. Gerade von Seiten der klassischen Punk- und Hardcore-Szene werden Acts wie HATEBREED, CALIBAN, TERROR und Konsorten oft nicht Ernst genommen oder als neuer Hype verschrien. Die schreibende Metal-Presse zeigt sich da scheinbar aufgeschlossener, wie etwa der Bericht von Conny Schiffbauer im Rockhard 09/04 beweist. Und auch meiner Meinung nach hat so genannter Metalcore vor allem der Hardcoreszene neues musikalisches Leben eingehaucht.
CATARACT aus Zürich in der Schweiz und HEAVEN SHALL BURN aus Thüringen sind schon einige Zeit in Sachen „Metal meets Hardcore“ unterwegs und haben mit ihren letzten Platten „When Triumph comes loss“ bzw. „Antigone“ zwei Alben vorgelegt, die stilprägend sind und die Verbindung von Metal und Hardcore eindeutig repräsentieren. Aus diesem Grund wollte ich mal mit beiden Bands darüber sprechen, wie sie den musikalischen Mix beurteilen, welche Verbindungen sie zwischen den scheinbar unvereinbaren Lebenseinstellungen sehen und in welcher Szene ihre Wurzeln liegen. Im Trierer „Exhaus“ interviewte ich Vertreter beider Bands im Rahmen des October Blast-Festivals. Für CATARACT standen mir Sänger Fedi und von HEAVEN SHALL BURN Schlagzeuger Matthias Rede und Antwort.
Wie empfindet ihr die Bezeichnung „Metalcore“ oder „New Wave of American Metal“? Gerade letzteres hört sich in meinen Ohren mehr als albern an.
Matthias: „Diese Bezeichnung ‚New Wave of American Metal‘ finde ich allerdings auch ziemlich albern, aber eher, weil diese Stilbeschreibung versucht, an den Heavy-Metal der 80er Jahre in England anzuknüpfen. Damals haben Bands wie SAXON, JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN wirklich noch was Neues gemacht und wurden als ‚New Wave of British Heavy Metal‘ bezeichnet. Heute arbeiten die Bands aus dem Genre eigentlich mit alten Zutaten und mischen diese nur neu. ‚Metalcore‘ hingegen gilt ja inzwischen schon fast als Schimpfwort, aber als Genrebeschreibung passt es einfach. Es ist eben eine musikalische Mischung aus Metal mit ganz wenig Hardcore.“
Also ist es rein musikalisch meistens mehr Heavy Metal ...
Matthias: „Rein musikalisch auf alle Fälle. Bei vielen Bands aus den USA steht Hardcore eher im Hintergrund. In Europa ist das noch was anderes, da hier viele Bands einen Hardcore-Background haben. Die US-Bands tauchen oft wie aus dem Nichts auf, meist gibt‘s die erst ein Jahr, aber sie verkaufen dann auf einen Schlag hunderttausend Platten.“
Fedi: „Ich denke, das Wesentliche an der Musik ist, dass sie zwar in den USA entwickelt wurde, jedoch einen Background hat, der insbesondere in Europa oft in der Hardcore-Szene wurzelt und deshalb nicht nach ein, zwei Jahren einfach wieder verschwindet. Generell sind wir selbst keine Fans von derartigem Schubladendenken, denn besonders in den USA ist es so, dass die Leute sich strikt an diesen Genres orientieren. Wer eben der Emo- oder der Metalcore-Typ ist, der geht dann auch zur der bestimmten Show. Ich finde, jeder sollte auf die Shows gehen, die er mag, ohne dass jemandem ein Stempel aufgedrückt wird. Wenn die Leute aus verschiedenen Szenen auf Konzerten zusammenkommen, egal welche Stilrichtung, finde ich das viel besser.“
Wo seht ihr denn euren persönlichen Background, musikalisch wie persönlich?
Fedi: „Eine schwierige Frage, denn ich würde uns musikalisch in jedem Fall zu Metal zählen. Hardcore ist für mich nicht nur die Musik, die wir machen, sondern eine Lebenseinstellung. Dazu gehört für mich auf Bandebene auch, wie die Band sich verhält, wie ihre Mitglieder miteinander umgehen, und was wir als Band mit unserer Musik aussagen und transportieren möchten. Musik ist für mich enorm wichtig, da ich hier alle meine Frustration, meine alltäglichen Gedanken verarbeiten kann. Die Musik ist für mich und auch die anderen in der Band das Ventil – das ist für mich der Hardcore-Gedanke dabei.“
Matthias: „Ich finde die ganze Einteilung sehr schwierig. Wenn jemand gefragt wird: ‚Was ist für dich Hardcore?‘, dann antworten viele, wie ich auch früher: ‚Seinen eigenen Weg gehen ...‘, aber diese Individualität beansprucht fast jede Szene für sich. Ein Metaller würde dir wahrscheinlich nichts anderes auf die Frage nach der Bedeutung von Metal erzählen. Hardcore sehe ich heute mehr als eine Art von Community, d.h. befreundete Bands oder Leute, die sich gegenseitig helfen und unterstützen, auch Genre-übergreifend.“
Wie begegnet ihr dem Vorwurf, dass es den Metalcore-Bands und auch den Leuten, die die Musik mögen, mehr um den Sound als um Inhalte geht?
Fedi: „Da möchte ich ganz klar widersprechen. Mit CATARACT ist es uns sehr wichtig, was wir mit unseren Texten aussagen wollen. Das zeigen wir mit den Texten und deren Erläuterung im Booklet. Bei der neuen CD gab es da leider ein Platzproblem, was die Erläuterung angeht, aber dafür haben wir extra eine Homepage gemacht. Die Texte sind für uns das Essentielle an der Musik, eben um unsere Message zu transportieren. Das war auch ein Grund, warum wir das Label gewechselt haben, denn mit Metalblade können wir einfach noch mehr Leute erreichen, und wenn sich im Endeffekt nur zwei oder drei Leute unsere Lyrics studieren, dann hat es sich in meinen Augen schon gelohnt.“
Matthias: „Bei HEAVEN SHALL BURN wollen wir die Leute mit unseren Texten schon zum Nachdenken anregen und nicht stumpf predigen, was richtig oder falsch ist. Ich möchte aber in Interviews nie direkt auf Texte eingehen, da ich die zum einen nicht schreibe, sondern unser Gitarrist, und zum anderen halte ich es für falsch, Leuten vorzugeben, was sie darüber denken sollen. Wenn man darüber diskutiert, kommt sicherlich mehr heraus, als wenn eine feste Meinung vorgegeben wird. Was ich in dabei eigenartig finde, ist, wenn Bands einfach so aus dem Nichts auftauchen und mit einem Mal tausende von Platten verkaufen. In den USA ist es ja oft der christliche Background, der die Leute zu den Konzerten treibt. Bands wie AGONY SCENE und AS I LAY DYING, die verkaufen dort alle mehr als 100.000 Stück ihrer Platten. Und wenn dann auch noch, wie ich gehört habe, manche Bands regelrechte Messen auf den Konzerten abhalten, weiß ich echt nicht mehr, was ich davon halten soll.“
Fedi: „Bei uns sind die Texte, die Umsetzung von Erfahrungen oder Gedanken, die von allen aus der Band zu Papier gebracht werden, und von uns über die Musik rübergebracht werden sollen. Mit Predigen hat das nichts zu tun.“
Was haltet ihr denn generell von christlichen Hardcore- oder Metalcore-Bands?
Matthias: „Ich kann mit einer christlichen Message gar nichts anfangen, aber so lange die Bands das nicht übertrieben nach außen kehren, juckt mich das Ganze auch gar nicht. Es gibt im Gegensatz dazu viele Bands, die irgendwelchen blöden Splatterscheiß von sich geben, über Vergewaltigungsphantasien oder ähnliches singen – da sind Christenbands auf jeden Fall das kleinere Übel.“
Fedi: „Hardcore zeichnet doch aus, dass jeder seine Meinung hat, und wenn jemand nun mal an Gott, Christus oder Allah glaubt, dann sollte man es respektieren. Wenn diese Leute aber dann anfangen zu predigen, geht mir so was auf den Sack. Ich finde, dass organisierte Religion grundsätzlich schlecht ist, denn deswegen sind in den letzten Jahrhunderten viel zu viele Menschen drauf gegangen. Es gibt ja Leute, die dadurch auch mehr Halt im Leben kriegen – das ist dann deren Sache. Ich habe danach aber kein Bedürfnis, obwohl ich eigentlich aus Süditalien komme, haha.“
Straight Edge im Hardcore- und in der Metalcore-Szene. Ihr seid ja beide Straight Edge, warum habt ihr euch für diese Lebenseinstellung entschieden? Oft sind es ja bestimmte Erfahrungen, die jeder für sich macht ...
Fedi: „Als ich noch zur Schule gegangen bin, hieß es Freitags immer: Schule fertig, ab an den See, Kiste Bier und voll laufen lassen. Das hat mich dann mit 15 spätestens richtig genervt, weil ich einfach keinen Bock mehr hatte, das Wochenende durchzusaufen und am Montag in der Schule zu sitzen und alles wieder vergessen zu haben, was du die Woche über erlebt hast. Das war ein reines Frustsaufen. Der andere Punkt war, dass ich mit 13 angefangen hatte, mich für Hardcore zu interessieren, und auch zu den ersten Shows gegangen bin. Ich war so begeistert, dass ich sagte: Ich will jetzt Straight Edge sein und habe es durchgezogen. Heute sehe ich das aber differenzierter. Es ist für mich ein wichtiger Teil meines Lebens, aber es ist mir egal, ob andere Leute Straight Edge sind oder nicht. Ich mache das nur noch für mich und nicht mehr für die Szene. Es sollte eine ganz persönliche Entscheidung sein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade die Leute, die Straight Edge am militantesten nach außen tragen und die Fresse am weitesten aufreißen, auch diejenigen sind, die nach zwei Jahren wieder damit aufhören. Ich suche mir auch nicht Freunde danach aus, oder richte über andere, die nicht so drauf sind.“
Matthias: „Bei mir war Straight Edge vor ca. fünf, sechs Jahren eine Art Statement, um mich von dieser ganzen Spaßgesellschaft abzugrenzen, und das hat sich mit dem Interesse für Hardcore ergeben. Ich war vorher schon Vegetarier und dann Veganer. Das hat sich über die Jahre entwickelt und war keine Entscheidung von heute auf morgen. Irgendwann beginnt man halt, sich ein X auf die Hand zu malen, um das auch nach außen zu tragen. Inzwischen gehört es für mich einfach zum Leben dazu.“
Was sich für meine Begriffe nie geklärt hat: Warum ist es in der Straight Edge-Szene nicht angesehen ist, wenn man Fleisch isst? Beide Sachen haben ja eigentlich nichts miteinander zu tun.
Fedi: „Stimmt! Simon, unser Gitarrist, und unser Drummer Ricki essen beide Fleisch, sind aber trotzdem Straight Edge. Dass sich eine vegetarische bzw. vegane Lebensweise mit Straight Edge verbunden hat, kam eigentlich erst durch YOUTH OF TODAY zustande, die so eine Art Reinheitsgebot vermittelt haben. Mit dem Drogenverzicht hat sich der Verzicht auf Fleisch mit der Zeit ergeben, da man sich auch von der Fleischindustrie befreien wollte. Ich bin der Meinung, wenn du Straight Edge bist, solltest du mindestens Vegetarier sein.“
Matthias: „Das hat sich aber auch über die Jahre wieder gewandelt. Mittlerweile gibt es viele Leute, die Fleisch essen und sich als Straight Edge bezeichnen. Mir gefällt diese Entwicklung aber nicht besonders. Straight Edge heißt für mich vor allem, dass ich einen klaren Kopf bewahre. Das beißt sich in jedem Fall mit Fleischkonsum, wie ich finde.“
Warum thematisiert ihr diese Einstellung nicht in euren Texten?
Fedi: „Wir sehen uns nicht in erster Linie als Straight Edge-Hardcoreband. Bei uns in der Band ist das eine rein persönliche Entscheidung.“
Matthias: „Das ist bei uns genauso.“
Wie weit verbreitet ist denn Straight Edge bei den Bands noch beim Hardcore bzw. Metalcore?
Matthias: „Gar nicht eigentlich. Gerade bei den ‚großen‘ Bands in diesem Genre gibt es das kaum. Wenn die auf Tour mit noch größeren Acts gehen, wird ordentlich gesoffen. Das kommt und geht, und nach zwei Jahren ist es wieder total ‚in‘ und man muss Straight Edge sein, um anerkannt zu werden – total albern.“
Fedi: „Bei uns in der Schweiz ist das jetzt ganz krass. Vor einem Jahr konntest du noch an einer Hand abzählen, wer in unserem Land Straight Edge ist. CATARACT und noch zwei, drei andere ... Und jetzt sind sehr viele ganz junge Kids Veganer und Straight Edge. Die sind total motiviert, machen Fanzines und Shows, so wie früher, als ich 15 war. Das ist echt eine tolle Entwicklung.“
Das ist es ja, worum es im Hardcore und Punk immer gegangen ist. Ist das eurer Meinung nach auch beim Metalcore der Fall?
Fedi: „Ich denke schon. Wir spielen vor allem viele kleine Shows, die ohne diese engagierten Promoter überhaupt nicht stattfinden würden. Es gibt viele untereinander vernetzte Leute, und das ist es, was Hardcore ausmacht – das du in der ganzen Welt Leute kennst, die sich in der Richtung engagieren. Es ist bei mir echt so, dass ich in fast jeder Stadt Leute kenne, bei denen ich pennen kann. Ich habe auch erst richtig in die Szene reingefunden, nachdem ich angefangen habe, selbst Shows zu organsieren. Davon lebt halt die ganze Szene.“
Wie beurteilt ihr die Rolle von HATEBREED als maßgebliche Band im Metalcore? Liest man Reviews oder Berichte über Metalcorebands, tauchen diese Herren derart häufig auf, dass man meint, sie hätten das Ganze erfunden ...
Matthias: „Ich denke nicht, dass HATEBREED den Metalcore erfunden haben. In erster Linie ist der Einfluss der Band darauf zurückzuführen, dass besonders Jamey Jasta, der Sänger, als Booker und mit seinem Label Stillborn Records ziemlich engagiert und erfolgreich war, wodurch er die ganze Sache einfach ins Rollen gebracht hat. HATEBREED waren eine der ersten Bands des Genres, die schon vor Jahren mit Metalbands wie CANNIBAL CORPSE und SEPULTURA auf Tour in Europa waren. HATEBREED haben einfach neue Standards gesetzt! Heute wollen zwar viele Bands wie HATEBREED klingen, doch irgendwie schafft es halt keine so wirklich ...“
Welche musikalischen Einflüsse spielen denn bei euch eine wichtige Rolle? Oft liest man in Reviews Namen wie AT THE GATES und IN FLAMES ...
Matthias: „AT THE GATES auf alle Fälle. Einfach viele Bands aus dem Deathmetal-Bereich, wie BOLT THROWER, DISMEMBER, alte ENTOMBED und natürlich SLAYER. An METALLICA und ANTHRAX ist in der Jugend natürlich auch keiner vorbeigekommen. Die Hardcorebands, die uns beeinflusst haben, waren dann auch welche, die schon verstärkt mit Metal-Elementen gearbeitet haben, wie EARTH CRISIS oder ALL OUT WAR.“
Fedi: „Musikalisch liegen unsere Einflüsse grob auch irgendwo da, wovon Matthias gerade geredet hat. Aber auch alte 80er Death/Trashmetal-Sachen wie TESTAMENT oder DEATH. Das ist die eine Schiene, und aus dem Hardcore sind es dann bei uns noch Bands wie GORILLA BISCUITS, CHAIN OF STRENGHT und die CRO MAGS, die wir echt vergöttern. Das sind so die Zutaten, die bei CATARACT zusammen kommen.“
Mal zu euren beiden neuen Alben. Wie zufrieden seit ihr damit und was für ein Feedback bekommt ihr?
Fedi: „Ich bin sehr zufrieden mit der Platte. Vor allem was den Sound angeht. Damit bin ich sonst nie zufrieden, weil ich einfach kein Freund von Studioaufnahmen bin, sondern lieber live auf der Bühne stehe. Sonst haben waren wir für die Alben immer in Italien aufgenommen, aber diesmal waren wir zwei Wochen in Dänemark und das waren durchweg positive Erfahrungen. Auch wie die ganze Promotion von Metalblade gelaufen ist, war klasse. Die haben wirklich eine ganze Maschinerie in Gang gesetzt und wir kriegen eigentlich nur positive Resonanzen.“
Wie ist denn der Wechsel bei CATARACT von Life Force zu Metalblade zu verstehen?
Fedi: „Bei Metalblade haben wir einfach mehr Möglichkeiten, man kann andere Shows spielen, erreicht andere Leute und die Promotion ist bei Metalblade einfach ein besser. Da ist einfach mehr drin als vorher. Wir haben z.B. in zwei Monaten 150 Radiointerviews gegeben, zahlreiche E-Mail-Interviews, und du bist in jeder Musikzeitschrift drin.“
Wie sieht das bei HEAVEN SHALL BURN aus?
Matthias: „Wir haben ‚Antigone‘ eigentlich wie immer aufgenommen. Wir sind über zwei, drei Monate immer mal wieder in ein Studio gefahren, das eine Stunde von uns entfernt ist, und sind dann zum Mastern ins gleiche Studio nach Dänemark gegangen wie CATARACT. Der Sound ist auf jeden Fall top geworden, das kann man nicht anders sagen. Die Songs finde ich im Nachhinein auf dem vorherigen Album fast besser, aber wenn man hundertprozentig zufrieden ist, kann man ja eh aufhören, haha. Die Resonanz von den Leuten ist auch sehr, sehr positiv. Wenn man die Reviews vor einigen Monaten liest, dann fallen die Kritiken durchweg gut aus. Liest man Reviews, die erst vor kurzem erschienen sind, heißt es dann: ‚Bääh, schon wieder Metalcore – immer das Gleiche‘. Ich denke, es ist in letzter Zeit einfach Mode, darauf rumzuhacken. Aber im Großen und Ganzen läuft alles mehr als zufrieden stellend, einschließlich der gerade laufenden Tour.“
Was macht ihr denn eigentlich noch neben der Band? Ich nehme mal schwer an, dass ihr nicht davon leben könnt ...
Matthias: „Nee klar, bei uns gehen alle noch nebenher arbeiten oder studieren. Danach richtet sich auch alles. An erster Stelle steht der Job oder das Studium, und dann kommt erst die Band. Wir hoffen, dass bei der Tour endlich mal etwas Geld hängenbleibt, das wäre schön. Aber wir können wenigstens schon die Instrumente aus der Bandkasse bezahlen, das ist schon ein großer Schritt. Es ist immer noch ein kleines Hobby. Man kommt viel rum und bezahlt nichts dafür. Und mehr wollen wir im Moment auch nicht. Wenn mal irgendwann so viel bei rumkommen sollte, dass man gut davon leben kann, wäre das okay, aber ich will nicht das ganze Jahr auf Tour sein, da bekommt irgendwann ‘nen Knacks weg, denke ich.“
Fedi: „Bei uns ist das ähnlich. Die Band hat schon einen sehr großen Stellenwert eingenommen. Als wir vor kurzem mal auf Tour in England waren, ist zum ersten Mal auch Geld übrig geblieben. Das meiste Geld machen wir aber immer noch mit dem Merchandise. Davon abgesehen ist es uns wichtig, dass wir kleine Shows spielen können. Das ist für viele Leute oft unbegreiflich, wenn wir manchmal nur extra für eine Show richtig weit fahren und mit der Gage dann gerade den Bus und das Benzin bezahlen können. Aber uns sind die Shows wichtiger als der große Erfolg. Der kommt irgendwann oder eben auch nicht.“
Bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg haben NPD und die DVU ja wieder jede Menge Stimmen bekommen. Eine Aktion wie „Good Night White Pride“ wehrt sich dagegen, dass grade Hardcore oft als Medium von Neonazis missbraucht wird. Habt ihr selbst Erfahrungen gemacht, dass Faschos auf Metalcore-Konzerten auftauchen?
Matthias: „Wenn du auf Shows wie hier in Trier gehst, wirst du sicherlich keine Faschos finden, aber geh mal auf eine HATEBREED- oder DISCIPLINE-Show im Osten. Da wird dir richtig schlecht. Teilweise erkennst du die überhaupt nicht mehr. Nach außen kleiden die sich wie jeder andere, und wenn die dann mal ihr T-Shirt ausziehen, siehst du dann SKEWDRIVER-Tattoos. Bei einer Show von uns stand auch mal einer mit einem Landser-Shirt im Publikum, den wir dann umgehend nach draußen befördert haben. Man kann den Leuten halt leider nicht in den Kopf gucken. Auf dem With Full Force-Festival war das manchmal richtig finster ... Was die letzten Wahlen angeht, so meine ich, dass die NPD eigentlich nur ein ganz großer Witz ist. Die DVU etwa war schon vorher im Landtag, und die haben eigentlich ihre Wähler verarscht, in dem sie nur die Gelder eingesackt haben und nicht zu den Sitzungen erschienen sind. Das Schlimme ist, dass die Leute trotz dieses Wissens bereit sind, so eine Partei zu wählen. Vor allem die jungen Wähler hatten an dem letzten Erfolg einen großen Anteil und ich finde das zeigt, dass hier nicht aus Protest gewählt wurde.“
Fedi: „Bei uns in der Schweiz ist das auf den Shows eigentlich nicht so ein Problem, aber es ist schon vorgekommen, dass bei Shows dann vier, fünf Glatzen reinlaufen. Das ist nicht gut und da wollen wir auch nicht spielen. Ich persönlich finde ein Statement wie ‚Good Night White Pride‘ sehr wichtig. Auch wenn ich in der Schweiz wohne, sehe ich doch, was in Deutschland momentan wieder passiert, und der Erfolg der NPD ist einfach die Hölle. Gerade im Osten Deutschlands ist das ein großes Problem, und da finde ich es wichtig, dass sich Bands aus einem nicht betroffenen Gebiet gegen so einen Rechtsruck stellen, denn dafür ist einfach nirgendwo Platz. Weder im Hardcore oder Metal noch sonst wo.“
Wohin wird sich eurer Meinung nach die Metalcore-Szene entwickeln?
Matthias: „Schwierige Frage. Ich denke, es wird noch eine Weile weitergehen und es wird vielleicht noch etwas mehr an Platten verkauft werden. Später wird es dann wahrscheinlich noch zwei Hände voll Bands geben, die weiter Shows spielen, und der Rest wird wieder verschwinden. Oder es läuft so, dass sich an sich etablierte Bands irgendwann genervt von allem zurückziehen.“
Fedi: „Ja, ich denke auch, dass es gerade in Europa wahrscheinlich zwei, drei Bands geben wird, und der Rest wird wieder untergehen.“
Was steht bei euch in naher Zukunft an?
Fedi: „Wir gehen im November zusammen mit MAROON in England und Europa auf Tour. Bis Ende des Jahres spielen wir jedes Wochenende Shows. Im März 2005 gehen wir dann auf eine reine Metal-Tour mit anderen Bands von Metalblade, wo dann auch die USA und Japan eingeplant sind. Die USA sind halt schwierig, da es dort für eine europäische Band wirklich wichtig ist, möglichst mit einer großen US-Band zu spielen. Wir waren schon mal für drei Wochen dort und haben vereinzelt mit einigen Bands gespielt. Es war eine Erfahrung wert, aber wir haben gemerkt, dass sich die Amis einen Dreck um europäische Bands kümmern, von der Organisation, dem Essen und Schlafplatzproblemen mal abgesehen. Wenn es eine Tour mit einer bekannten Band ist, ist es okay, ansonsten eher mühsam. Da weißt du dann, warum so viele Bands unbedingt nach Europa auf Tour wollen.“
Matthias: „Unsere Tour läuft ja gerade noch. Geplant sind dann noch weitere Einzelshows und dann mal schauen ... Eine USA-Tour sollen wir auch irgendwann mal machen, aber ich weiß momentan nicht, ob wir eher keine Zeit oder keine Lust haben. Auf jeden Fall nerven die Leute vom Label uns schon ziemlich damit, haha. Aber es wäre natürlich schon der Hammer, wenn wir das endlich mal machen könnten. Was ein Album angeht, so ist für April eine zweite Split-CD mit CALIBAN angekündigt, doch ist es fraglich, ob das bis dahin klappt.“
Fotos: Sandra Steh
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und Carsten Hanke