Aus dem legendären DDR-Kassettenlabel Trash Tape Rekords ging nach der Wiedervereinigung Amöbenklang hervor. Das existiert nicht nur bis heute, sondern hat noch immer etliche Tapes auf Lager.
Alge, wie entstand deine Liebe zur Kassette?
Es gab in den Siebzigern in der DDR diverse Kassettenrekorder mit so klangvollen Namen wie „Anett“ oder „Sonett“, die dröhnten alle mit einem ziemlichen Plastesound. Aber es gab auch ausgefeiltere Versionen mit Radioaufnahmefunktion oder man musste das eben irgendwie dranstöpseln, ging auch. Ich kann mich in dem Zusammenhang an KRAFTWERK mit „Radioaktivität“ oder KISS erinnern, das haben wir oft auf Kassette gehört.
Vor dem Label gab es ja auch mal eine Band.
Ja, als mein Bruder Anfang der Achtziger seinen ersten eigenen Kassettenrekorder bekam, ein ziemlich gutes Teil mit UKW-Empfang und einem eingebauten Kondensatormikrofon, hat uns das natürlich auf die Idee gebracht, selbst ein wenig Krach zu machen und aufzunehmen. Homerecording, das war der Start für unsere Band ZWECKLOS. Kein Mensch hat zu der Zeit gedacht, dass man so was je veröffentlichen könnte. Das war ein reines Freizeitspaßprojekt, nur für uns.
Und daraus gingen Trash Tapes Rekords hervor.
Nicht direkt. Zu der Zeit gab es in Rostock mit den TRASH BOYS, nach kurzer Zeit in VIRUS X umbenannt, die erste Punkband. Ein Kumpel, Thorsten Wolff, besaß eine Kassette mit den ersten VIRUS X-Aufnahmen und hatte da etwas wie „Trash Records“ draufgekritzelt. Die Idee haben wir nach ein paar Jahren wieder aufgegriffen und haben unser frisch gegründetes Kassettenlabel Trash Tapes Rekords genannt. Vor 1986 war es insgesamt schwierig, Kassetten in höheren Stückzahlen herauszubringen. Es gab zwar auch Leerkassetten in der DDR, 60 Minuten Normalband und 60 Minuten Chrom, aber ein leeres Chromband kostete 30 Mark und ein Normalband 20 Mark. Das war einfach schweineteuer. Ab 1986 änderte sich in der DDR vieles. Das betraf die Toleranz gegenüber Independentmusik allgemein genauso wie die gegenüber DDR-Bands, die in diese Richtung gingen. Wir haben die damals immer „die anderen Bands“ genannt. In der ersten Hälfte der Achtziger wurden solche Leute noch weggesperrt, als das aber immer mehr wurden und die merkten, dass sie das nicht aufhalten konnten, weil immer mehr kleine Robert Smiths, Waver, Punks und Psychobillies rumliefen, fing auch die Radiolandschaft an, sich zu verändern. 1985 liefen schon die ersten einfachen Sendungen mit Independentmusik auf DT64, und ab März 1986 gab es das „Parocktikum“ mit regelmäßig über einer Stunde Independent. Plötzlich hatte das in der DDR auch eine kleine Öffentlichkeit. Außerdem wurden die Preise für Leerkassetten gesenkt, eine Normalbandkassette kostete jetzt 12 Mark. Da auf Konzerten verkaufte Kassetten zwischen 20 und 35 Mark gehandelt wurden, war da eine Spanne entstanden, die es erst rentabel machte, Kassetten zu kopieren und zu vermarkten. Außerdem lieferten die verfügbaren Geräte zum Überspielen inzwischen Aufnahmen in brauchbarer Qualität. Als Studenten haben wir uns das Geld für so ein Gerät zusammengespart und damit war rein technisch die Basis für den Betrieb eines Kassettenlabels gegeben.
Wie habt ihr das Artwork für eure Tapes vervielfältigt? Kopierer dürften ja kaum verfügbar gewesen sein.
Ich habe Mikroelektronik in Dresden studiert und da gab es eine Technik, dass man diese feinen Leiterbahnen für Mikrochips ganz groß zeichnet, als Vorlage von einer Wand abfotografiert und auf diese Weise wieder verkleinert. Also habe ich auf einem A3-Block Vorlagen für die Tapecover hergestellt, abfotografiert, mir in leerstehenden Räumen im Studentenwohnheim ein Fotolabor eingerichtet und dann auf diese Weise maximal zehn bis zwanzig Cover produziert. Das war auch die Größenordnung, in der man Tapes verkaufen konnte. Nach und nach haben wir dann immer mehr gemacht und an verlässliche Leute weiterverkauft. Nur von Hand zu Hand, damit man sicher sein konnte, dass niemand Falsches das bekommt.
Wie ging es nach der Wende weiter?
1990 war die Idee erst mal, das um Platten und CDs zu erweitern und es nicht nur bei Kassetten zu belassen. Daraus ist dann Amöbenklang entstanden. Ab dem Zeitpunkt wurden wir von neuen Tapelabels aus Ost- und Westdeutschland beliefert. Trash Tapes hatte jetzt natürlich auch offiziell ganz neue Möglichkeiten, man konnte einfach mehr und in größerer Auflage herausbringen. 1992 haben wir dann mit DRITTE WAHL die erste eigene Platte veröffentlicht und schon kurz darauf folgte das auch auf CD.
Welche Zukunft hat die Kassette deiner Meinung nach?
An den Bestellungen merke ich, dass es immer noch Leute gibt, die ganz gezielt Kassetten kaufen. Manchmal werden uns umgekehrt auch Tape-Sammlungen angeboten, die wir dann an- und weiterverkaufen. Oder Bands geben uns ihre alten Aufnahmen, damit wir noch was draus machen können. Finde ich auch schön, wenn man dieses kulturelle Erbe noch am Leben halten kann. In den großen Elektrofachmärkten kann man inzwischen sogar wieder Kassettendecks kaufen. Solange die noch produziert werden, ist das Medium präsent. Die Kassette ist noch lange nicht tot!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #122 Oktober/November 2015 und Anke Kalau
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #123 Dezember 2015/Januar 2016 und Anke Kalau