CASKET LOTTERY

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Nichts wird besser

Manchmal hilft es, Zeit als Konstante zu benutzen. Als CASKET LOTTERY, die Band um Sänger und Gitarrist Nathan Ellis, vor mehr als zwanzig Jahren ihre erste Platte veröffentlichten, waren noch ganz andere Themen aktuell. Mit „Short Songs For End Times“ steht für die Band aus dem COALESCE-, ABLE BAKER FOX- und APPLESEED CAST-Umfeld nun das fünfte Album an, mit dem sie, wie es der Titel schon irgendwie andeutet, den Soundtrack für das Jahr 2020 liefern. Im Interview spricht Nathan über das Konzept der Platte und warum er denkt, dass sich auch in den nächsten Jahren nicht so viel zum Guten ändern wird.

Können wir bitte direkt über den Albumtitel „Short Songs For End Times“ sprechen?

Haha, na klar. Uns ging es dabei vor allem darum, dass wir ein lautes und heftiges Rock-Album schreiben wollten. Da es für mich derzeit so viele abgefuckte Dinge gibt, über die ich auch als Sänger schreien kann, hat sich das Konzept für „Short Songs For End Times“ eigentlich von ganz allein entwickelt. Wobei ich die Platte nicht wirklich als Konzeptalbum bezeichnen würde. Sagen wir einfach, es hat sich durch die politische und gesellschaftliche Entwicklung schnell ein Thema gefunden, das die Songs alle gemein haben: Sie handeln von den letzten drei Jahren in den USA.

Im Moment scheint es so, als würden viele Bands ihre politische Seite entdecken. Seht ihr die Platte auch als ein Statement oder ist sie eher zeitlos?
Die Probleme und Herausforderungen, mit denen wir in dieser Zeit zu kämpfen haben, sind ja nicht wirklich neu. Die beispiellosen Dinge, die gerade passieren, kommen jetzt noch dazu. Eigentlich bin ich gar nicht so spezifisch in meinen Lyrics. Fehlende Empathie oder mangelndes Verständnis für die Perspektive anderer Menschen gab es wohl schon immer. Und daran wird sich auch in Zukunft wohl leider nichts ändern.

Gibt es aktuelle Geschehnisse, die dich besonders inspiriert haben?
Nun ja, ich habe eigentlich die Absicht, in meinen Songs nicht zu direkt auf konkrete Ereignisse einzugehen. So haben die Leute die Möglichkeit, sich ihre eigenen Gedanken zu machen. Aber natürlich gibt es da persönliche Erlebnisse, die sich in den Texten wiederfinden. Oder auch Nachrichten und Bilder, die mir wirklich nahgegangen sind, wie zum Beispiel die Trennung der Familien, die versucht haben, aus Mexiko in die Vereinigten Staaten zu gelangen.

Ihr habt 2018 wieder ein paar Konzerte gespielt und euch dann fast zwei Jahre Zeit gelassen bei der Produktion eures fünften Albums. Fühlt es sich nicht deprimierend an, wenn die Inhalte oder Probleme, die vor zwei Jahren schon existierten, immer noch da sind und sich eigentlich überhaupt nichts verbessert hat?
Oh, das ist es auf jeden Fall. Und ich sehe auch nicht wirklich eine positive Entwicklung. Ich meine, wir kennen alle die Leute, die sagen, dass das Jahr 2020 echt furchtbar ist und dass es 2021 endlich wieder besser wird. Ich würde da mal ganz hart widersprechen. Das Gegenteil ist der Fall, es wird nicht besser. Nehmen wir zum Beispiel die Wahl zum Präsidenten: Was auch immer dabei herauskommt, wird nicht darüber hinwegtäuschen können, dass wir eine gespaltene, kaputte Nation sind. Wir sollten uns von dem Wunsch verabschieden, dass uns 2021 nur Einhörner und Regenbögen erwarten. Dazu haben wir zu viele Dinge, die wieder gerade gerückt werden müssten. Wir brauchen wieder mehr Leute, die bereit sind, ihre Betrachtungsweise zu ändern. Vor allem brauchen wir aber mehr Verständnis für einander.

Wie siehst du die Chancen, dass sich langfristig eine positive Entwicklung aus der „Black Lives Matter“-Bewegung abzeichnen wird? Schließlich gehen dort ja auch viele junge Menschen auf die Straße.
Diese junge Generation ist motiviert, etwas zu verändern. Sie sind laut und wissen sehr genau darüber Bescheid, was derzeit alles schiefläuft. Ihnen ist klar, wie wichtig es ist, offen für andere Perspektiven zu sein, und dass gegen Ungerechtigkeiten vorgegangen werden muss, die wir bis jetzt als ganz normal betrachtet haben. Ich habe selber zwei Töchter, die sehr wohl wahrnehmen, was da gerade passiert. Es macht mir Mut, wenn ich ihnen beim Aufwachsen zuschaue.

Wie groß ist deiner Meinung nach der Einfluss, den Musik auf diese Bewegung ausübt?
Das kann ich dir gar nicht sagen und es wäre bestimmt schön, das herauszufinden. Aber es gibt ja eine Menge Bands, die Sachen ansprechen und andere Menschen dazu ermutigen, aktiv zu werden. CASKET LOTTERY würde ich ehrlich gesagt eher nicht zu dieser Gruppe zählen. Von uns kommt mehr eine emotionale Reaktion auf das, was gerade geschieht, als Lehrer oder Influencer.

Sprechen wir über den Sound von CASKET LOTTERY auf „Short Songs For End Times“. Fühlt ihr euch mit der neuen Platte noch im Post-Hardcore zu Hause?
Am meisten haben uns die beiden Touren von 2018 beim Schreiben der Songs beeinflusst. Anders als vor acht Jahren, als wir „Real Fear“ veröffentlicht hatten, haben wir die neue Platte nicht als fünfköpfige Band geschrieben. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass wir es einfach nicht mehr hinbekommen haben, die ganze Band für eine komplette Tour zusammenzubringen. Wir mussten die Konzerte als Trio spielen und ich kompensierte notgedrungen mit der Gitarre das Fehlen einer zweiten. Also spielte ich einfach nur verdammt laut. Das hatte eine so einschneidende Wirkung auf mich, dass in mir der Wunsch wuchs, eine laute, große Gitarren-Platte zu schreiben, weg von zu viel Synthesizer und Piano. Ich kümmerte mich von da an nur um die Gitarrenparts der einzelnen Songs.

Wie kam es, dass ihr euch acht Jahre Zeit gelassen habt zwischen „Real Fear“ und der neuen Platte?
Das lag vor allem daran, dass unser damaliger Drummer Junior, der andere Nathan in der Band, zu sehr damit beschäftigt war, in anderen Projekten mitzuspielen. Er ist damals noch zur Highschool gegangen und hatte sicher andere Baustellen. Wir haben alle „richtige“ Jobs und Familien, aber dadurch war es für uns einfacher, erst mal eine Pause einzulegen, die sich länger und länger hinzog. Als wir uns dann aber mit den Neuauflagen unserer ersten drei Platten beschäftigten, die 2018 bei Run For Cover erschienen, fanden wir die Idee super, auch mal wieder auf Tour zu gehen und die alten Songs zu spielen. Da Junior, wie gesagt, keine Zeit hatte, empfahl er uns Jason, der seitdem unser Drummer ist und sich als perfekte Ergänzung herausgestellt hat. Die Zeit nach der Tour haben wir dann damit verbracht, Songs zu schreiben, ein neues Label zu suchen und überhaupt rauszufinden, was der Plan sein wird. Dass dieser dann durch eine Pandemie durchkreuzt wird, hätte sich keiner von uns träumen lassen. „Short Songs For End Times“ hätte Ende 2019 schon fertig sein können. Wir dachten aber, dass wir die Dinge nicht überstürzen sollten.

Welcher der „Short Songs For End Times“ repräsentiert CASKET LOTTERY heute am besten?
Ich finde, dass die gesamte Platte wie eine Zeitkapsel für uns ist. Wir waren im Dezember fertig mit dem Songwriting und haben den Januar sowie Februar genutzt, um die Platte einzuspielen. Seitdem hatten wir, bedingt durch den Lockdown und so weiter, schon wieder so viel Zeit, um die nächste Platte zur Hälfte fertig zu schreiben. Wir sind gerade wieder enorm produktiv. Deshalb gibt es für mich auch keinen repräsentativen CASKET LOTTERY-Song auf dem Album. Wir sind ständig in Bewegung.

Inwieweit beschreibt der letzte Song der Platte, „Sad dream“ eure gegenwärtige Situation?
„Sad dream“ ist einfach als längster Track ans Ende gerutscht. Da passt er mit seiner epischen Atmosphäre am besten hin. Inhaltlich verschmilzt in ihm auch das, was ich in den letzten drei Jahren gefühlt habe. Es geht darum, wie es ist, seine Gedanken nicht mehr abschalten zu können und dadurch auch keinen Schlaf mehr zu finden. Für mich ist er eine kleine, frustrierende Momentaufnahme meines eigenen Lebens.

Ihr habt vor kurzem mit GET UP KIDS für einen Club in Kansas City gespielt. Wie kam das?
Das war eine Art Benefiz zum Erhalt der recordBar hier in Kansas City. Das Ganze war ein bestuhltes Konzert, unter Einhaltung der Abstandsregeln. Obwohl es ausverkauft war, war höchsten ein Drittel der Zuschauer zugelassen. Immerhin hatten wir dort auch die Möglichkeit, ein paar der neuen Songs live zu spielen. Die Reaktionen kann man aber überhaupt nicht mit denen einer normalen Show vergleichen. Irgendwie war an dem Abend sowieso vieles seltsam. Wir haben zum Beispiel auf der Ladefläche eines Trucks gespielt, während die Leute vor uns sich kaum bewegen durften. Es war mehr wie eine Matinee als ein Konzert. Wir bevorzugen natürlich die kleinen Shows, bei denen die Leute Ellbogen an Ellbogen gedrängt mitsingen können und ihren Spaß haben. Aber darauf werden wir wohl leider noch lange verzichten müssen.