Indierock mit einer gehörigen Prise Post-Punk, dafür stehen CASH SAVAGE & THE LAST DRINKS. Down Under hat sich die fünfköpfige Band aus Melbourne schon eine respektable Fanbase erspielt und in 15 Jahren Bandgeschichte vier Studio- sowie ein Live-Album eingespielt. Bei „So This Is Love“ ist nun alles ein bisschen anders. Die neun neuen Songs klingen bis auf eine Ausnahme viel ruhiger und trauriger als ihre lebensfrohen Vorgänger. Aber die düstere Grundstimmung hat einen guten Grund, wie uns Sängerin und Gitarristin Cash Savage erklärt. Denn in den vergangen beiden Jahren musste sie wirklich schwere Zeiten durchmachen.
Der erste Track, den ich vom neuen Album gehört habe, war die Single „Push“. Warum ist der so anders als die anderen Songs?
Zu dem Stück haben wir ein Bandvideo auf kleinsten Raum in meiner Wohnung hier in Melbourne gedreht. Ich wollte einfach festhalten, wie frustrierend die letzten Jahre im Lockdown für mich waren, deshalb ist es kein entspannter, sonniger Song, sondern eher chaotisch und treibend. Diese Tightness unterscheidet „Push“ tatsächlich von allen anderen Tracks auf dem Album. Aber irgendwie passt er doch perfekt. Diese Energie musste einfach raus, bei all dem Frust, den ich verspürt habe, als ich den Song geschrieben habe.
Beschreib doch mal die Situation, die zu diesem Album geführt hat.
Das war ungefähr der fünfte von insgesamt sechs Lockdowns, die wir in Melbourne überstehen mussten. Kurz vorher konnte man seine Wohnung für zwei oder drei Tage verlassen, bevor wir wieder eingesperrt wurden. Aber selbst da gab es strenge Vorschriften, wie viele Menschen etwa in eine Kneipe durften. Viele Leute haben sich gar nicht getraut, ihre Wohnungen zu verlassen. In dieser Zeit bekam ich ernsthafte psychische Probleme und konnte mich den Leuten um mich herum nicht öffnen. Also habe ich sie einfach weggeschubst. Diesen Zustand habe ich in diesen Song verwandelt.
Ist der Rest des Albums wegen dieser Probleme dunkler und ruhiger als eure früheren Sachen?
Definitiv. Die meisten Songs habe ich geschrieben, als auch noch meine Ehe in die Brüche ging. Das alles hat dazu geführt, dass ich mich in einem wirklich dunklen Raum bewegt habe.
Deshalb hast du auch einen Song wie „Everday is the same“ geschrieben?
Der Text beschreibt, wie ich mich in dieser Zeit gefühlt habe. Ich selbst hatte psychische Probleme und meine Frau damals auch. Wir steckten also beide in dieser dunklen Wolke fest. Vor allem im Jahr 2020, in dem wir uns fast überhaupt nicht außerhalb der Wohnung bewegen konnten. Das schien kein Ende zu nehmen. Irgendwann spielt es gar keine Rolle mehr, wer du bist und wo du dich aufhältst. Da fühlt sich einfach alles gleich an.
Wie bist du mit deiner Band zurechtgekommen in dieser Zeit? Die Songs sind ja sehr persönlich und die Stimmung ist sehr düster.
Einige von den anderen hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Das war sehr weit verbreitet während der Pandemie. Meine Band ist aber fast schon wie eine Familie für mich. Unseren Bassisten Nick Finch kenne ich schon, seit ich 15 Jahre alt war. Auch abseits der Bühne sind wir beste Freunde und treffen uns oft privat. Obwohl die Songs und die darin geschilderten Probleme sehr persönlich sind, waren alle für mich da und haben die Songs voll mitgetragen. Ich finde, die haben sich da alle sehr gut in meine Stimmungslage eingefühlt.
Unter welchen Umständen habt ihr das Album aufgenommen?
Geschrieben haben wir die Songs in zwei jeweils einwöchigen Sessions. Eine im Dezember 2021 und eine sechs Monate später. Die Overdubs haben wir aufgenommen, als wir in Frankreich auf Tour waren. Dort haben wir ein Landhaus extra dafür angemietet. Nick und ich haben danach noch die Vocals aufgenommen, als wir wieder zurück waren. Unser Songwriting läuft meistens so ab, dass ich die Grundakkorde, Melodien und Texte schreibe und dann die Arrangements mit der Band zusammen ausarbeite.
Das Album kommt bei Glitterhouse Records heraus, wie vorher schon das Live-Album „Live At Hamer Hall“. Wie habt ihr zusammengefunden?
Wir haben in Berlin ein Konzert gespielt und irgendjemand hat denen empfohlen, uns für ihr Festival Orange Blossom Special zu buchen. Also haben wir auf unserer Tour dort gespielt und auf dem Rückweg sind wir wieder in Beverungen vorbeigefahren. Dabei haben wir gleich den Plattendeal klargemacht, nachdem sie uns auf ihrem eigenen Festival gesehen und für gut befunden hatten.
Lass uns ein bisschen tiefer in deine Vergangenheit eintauchen. Ich habe gelesen, dass du aus einer sehr musikalischen Familie stammst.
Ja, das stimmt. Meine Eltern sind beide Musiker. Alle Geschwister meines Vaters, bis auf einen, spielen Instrumente. Musik wurde bei uns in der Familie immer verwendet, um Beziehungen zu knüpfen. Also war Musik immer um mich herum, seit ich ganz klein war. Bei Familienfesten wurde immer gemeinsam musiziert. Bei meiner Mutter und ihrem Freundeskreis war es nicht viel anders. Für mich ist es völlig normal, ich habe das nie anders erlebt. Daran hat sich auch nichts geändert. An Weihnachten holt mein Vater immer noch die Gitarre heraus und meine Mutter und meine Geschwister singen dazu. Nicht alle meine Schwestern und Brüder sind Musiker geworden, aber sie können gut singen oder ein Instrument spielen.
Außerdem gibt es noch deinen Onkel Conway, der 27 Jahre lang bei NICK CAVE AND THE BAD SEEDS Keyboard und Orgel gespielt hat, bevor er vor fünf Jahren gestorben ist. Hattest du ein besonderes Verhältnis zu ihm?
Er hat mir immer wieder Tipps gegeben. Die behalte ich aber für mich. Natürlich war er immer eine große Unterstützung für mich, darüber habe ich aber erst so richtig nachgedacht, nachdem er gestorben war. Das war hart für mich. Immer, wenn er mit den BAD SEEDS in der Stadt war, habe ich ihn backstage besucht und er hatte stets ein offenes Ohr und ein Glas Wein für mich. Ich vermisse ihn sehr. Die wichtigste Erkenntnis, die er mir mitgegeben hat, ist, seine Musik ernst zu nehmen, sich selbst aber nicht. Er hatte immer einen ganz speziellen Humor, wenn es um ihn oder um seinen Job ging. Wenn du meine Musik hörst, wirst du sicher seine Handschrift erkennen. Ich durfte auch immer wieder mal bei ihm im Vorprogramm auftreten.
Gerade bei diesem Album ist der Einfluss von NICK CAVE AND THE BAD SEEDS auf deine Musik sehr offensichtlich.
Das liegt vielleicht daran, dass das Klavier diesmal so einen großen Raum einnimmt. Das ist bei den anderen Alben nicht so. Der Einfluss ist für mich nicht unbedingt überraschend. Ich bin schon im Alter von 14 Jahren zu den Konzerten der BAD SEEDS gegangen, um meinen Onkel zu sehen. Es ist fast unmöglich, dass diese Momente keine Auswirkungen auf mich und meinen Musikgeschmack hatten. Die waren wirklich phänomenal damals. Und erst jetzt realisiere ich, wie nervig das manchmal für ihn gewesen sein muss, wenn seine Teenager-Nichte ein paar Stunden vor der Show anruft und sich auf die Gästeliste schnorrt. Ich habe dann immer gleich 15 Freikarten für mich und meine Kumpels bestellt und das war nie ein Problem für ihn.
Hast du auch eine Verbindung zur Punk-Szene in Melbourne, die gerade erfolgreich durch die ganze Welt tourt? AMYL & THE SNIFFERS, CLOWNS oder GRINDHOUSE ...?
Klar, kenne ich die alle und wir quatschen auch miteinander, wenn wir uns sehen. Aber viele von diesen Bands sind ständig unterwegs, deshalb sieht man sie eher selten zu Hause. In Melbourne kennen sich alle Musiker ziemlich gut, selbst wenn sie aus verschiedenen Genres kommen. Es gibt nur sehr wenige Venues, in denen nur ein ganz bestimmter Sound läuft. In Melbourne kannst du sieben Tage die Woche gute Konzerte sehen. Ich kenne keine andere Stadt, in der das heute noch so ist. Und alle spielen ihre eigenen Songs, das ist wirklich unglaublich.
Du bist ja bekannt dafür, dass du mit deinen Songs auch für die Rechte der LGBTQ-Community kämpfst. Wie schwer ist das in einem Land, in dem viele Männer ihre Maskulinität so ausleben wie in Australien? Jede Menge Bier, Rock’n’Roll und schnelle Autos.
Ich weiß, was du meinst. Bei uns in Australien nennt man das Sausage-Fest, also Würstchen-Party, wenn eine Gruppe vor allem aus hormongesteuerten Männern besteht. Aber ich muss sagen, seit den Lockdowns hat sich die Crowd bei den Konzerten verändert. Ich beobachte bei den Jüngeren, die jetzt nachkommen, mehr Diversität. Und auch in den Bands gibt es immer mehr Frauen und nicht-binäre Personen. Die Szene fühlt sich viel inklusiver an, das war definitiv nicht so, als ich mit der Musik angefangen habe. Aber natürlich gibt es in Australien noch jede Menge toxische Männlichkeit, das wird auch nicht so schnell verschwinden.
© by - Ausgabe # und 25. August 2022
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #144 Juni/Juli 2019 und Martin Rabitz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #167 April/Mai 2023 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #167 April/Mai 2023 und Wolfram Hanke