Captain Oi! Records

Es soll ja Leute geben, bei denen bereits bei der Erwähnung des Wortes Oi! die Schotten dicht gemacht werden, und ja, Oi! ist nun mal ein Musikstil, der polarisiert, in dem es vielleicht noch mehr als in anderen Bereichen viel Schrott und wenig Gutes gibt. Was nun Mark Brennans Label Captain Oi! anbelangt, so zeigt sich einmal mehr, dass mensch sich von Vourteilen auch in die Irre führen lassen kann, denn schon ein Blick auf den Labelkatalog (siehe unten) genügt um festzustellen, dass der Herr mit einem Programm, das von den klassischen Oi!-Samplern über UK SUBS, 999, THE BOYS, VICE SQUAD, EDDIE & THE HOT RODS, THE SAINTS und unzählige andere umfasst, teils mit Wiederveröffentlichungen der Klassiker-Alben, teils mit Best of-Zusammenstellungen und immer auf CD, gelegentlich aber auch auf Vinyl, alles andere als ein reines Oi!-Label ist. Wer mit dem "Fluch" der zu späten Geburt geschlagen ist und ´77 noch in den Kindergarten ging, kommt jedenfalls kaum um die Releases von Cpt. Brennan herum, wenn er/sie in die Punk-Frühphase vordringen will und dafür nicht auf sündhaft teure Originale zurückgreifen kann. Die Entscheidung für die Captain Oi!-Releases wird übrigens durch die Tatsache erleichtert, dass alle CDs sehr schön aufgemacht sind und mit fundierten Bandhistorys im Booklet aufwarten

Wann und warum hast du das Label ins Leben gerufen?


"Das war 1993. Nachdem ich sechs Jahre lang Link Records gemacht, dachte ich einfach es ist Zeit für was Neues. Ich hatte meine eigenen neuen Ideen die ich umsetzen wollte, sprich die Veröffentlichungen sollten inhaltlich und auch äusserlich so sein, wie ich sie gerne haben wollte."

Wie hast du es angefangen? Ich meine, hattest du schon irgendwelche Erfahrungen darin gemacht, Musik zu veröffentlichen?

"Ich habe wie gesagt die Veröffentlichungen von einer Menge Bands auf Link Records betreut und parallel dazu noch an ein paar Sachen von befreundeten Labels wie beispielsweise Cherry Red Records gearbeitet."

Und wann hast du mit Punkrock angefangen und welche Bands waren denn damals wichtig für dich?

"Punkrock hat mich ´76 gepackt, nachdem ich mir eine Show der SEX PISTOLS in einer sogenannten "Late Night Music Show" angeschaut hatte. Ich liebte all diesen frühen Punkkram wegen der Aufregung, den er hervorrief, war aber eigentlich immer schon den rauheren Sachen mehr zugeneigt."

Du hast dann später auch selbst Musik gemacht - in welchen Bands?

"Ich zähl sie einfach mal auf: MALICIOUS DAMAGE, THE BLACKOUT, THE GONATS, THE BUSINESS und die Millwall F.C. Fussball-Single!"

Welche Label oder auch welche Personen haben dich dazu inspiriert, das Label zu gründen?

"Da gäbe es hauptsächlich Ace Records zu nennen. Deren Musik mag ich zwar nicht so besonders, aber die machen ´nen ganz grossartigen Job, wenn es um Sachen wie Präsentation und Gestaltung geht."

Wer steht denn alles hinter Captain Oi!?

"Ich mache die eigentliche Labelarbeit und habe Caroline, die für mich den Mailorder macht. Watford Jon kümmert sich um die Werbung und den Vertrieb. Das Label hält mich zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche auf Trab."

Gibt es eine Geschichte zur Namensgebung?

"Ich wollte einen Namen, der fröhlich bzw. lustig klingt und da bin ich dann eben auf Captain Oi! gekommen. That´s it.

Ich nehme an, du hast eine spezielle Labelpolitik.

"Ich veröffentliche eigentlich nur klassische, ältere Sachen oder neue Aufnahmen von alten Bands, wie z.B. den ANGELIC UPSTARTS. Ich hab einfach keine Lust mehr, mit neuen Bands zu arbeiten, da ich das früher verdammt oft auf Link Records gemacht habe und mir diese Zeit einfach ein wenig den Enthusiasmus ausgetrieben hat. Ich sag einfach mal, dass ich die jungen Bands den jungen Leuten, die was machen wollen, überlasse..."

Von welcher Bedeutung ist es für dich, ein Indie-Label zu sein und wie ist deine Einstellung gegenüber Major-Labels? Irgendwelche positiven oder negativen Erfahrungen?

"Ich denke, ich bin unabhängig von den Unabhängigen. Viele von den sogenannten Indie-Labels, mit denen man so zusammenarbeitet, sind arroganter als so mancher. Mit Majors lässt sich eigentlich immer dann ganz gut zusammenarbeiten, wenn du bei denen zur Tür reinspazierst und ihnen zeigst, dass du dein Handwerk verstehst. Früher war diese Kluft zwischen Indie- und Majorlabels gravierender als sie es heute ist, mittlerweile ist die Mentalität bei beiden oft völlig identisch."

Vinyl oder CD, welches Medium bevorzugst du?

"Die CD ist definitiv das Medium der Wahl. Wir verkaufen auch LPs, aber die sind momentan echt teuer in der Herstellung und die meisten Leute wollen eben für Vinyl weniger zahlen als für CDs. Ich persönlich liebe aber nach wie vor die gute alte 7", vor allem die europäischen Veröffentlichungen mit anders gestaltetem Cover."

Wie, wo und durch wen werden eure Platten vertrieben?

"Vertrieben werden wir in Großbritannien von PHD. Diverse Mailorder führen unsere Sachen wie auch viele kleinere Vertriebe in Europa. Weltweit gibt es unzählige Leute, die unsere Platten importieren und wir machen auch selbst verdammt viel per Mailorder."

Was würdest du als Label an Bands oder Stilrichtungen niemals machen wollen?


"Ich hasse Dance-Sachen! Dabei mag ich aber eigentlich die Einstellung vieler Labels aus diesem Bereich und auch die der Künstler, aber das fertige Produkt ist ganz und gar nicht mein Ding."

Was war denn bis jetzt so dein grösster Erfolg bzw. der übelste Fehlgriff?

"Ich bin eigentlich auf alle meine Veröffentlichungen sehr stolz, aber vor allem natürlich auf RESISTANCE 77, THE MAGNIFICENT, THE STIFFS und eben all solche Bands, die eher unbekannt waren/sind und nicht zuletzt durch unsere Hilfe bei der erlesenen Gruppe unserer Kundschaft Gehör fanden und letztendlich auch gut ankamen. Fehlgriffe gab´s bislang nicht wirklich."

Welche von deinen Lieblingsbands, die nicht schon auf dem Label sind, hättest du denn gerne drauf und welche ist deine persönliche Lieblingskapelle?

"Ich würde gerne alles von SLADE wiederveröffentlichen! Eine meiner ewigen Lieblingsbands, deren Katalog fürchterlich vernachlässigt wird."

Der Name Captain Oi! klingt ja recht programmatisch. Was hat Oi! eigentlich heute für eine Bedeutung für dich und wie stehst du zu dem ewigen Faschoglatzen-Problem?

"Der Begriff Oi! bedeutet für mich immer noch das gleiche, was es all die Jahre zuvor auch bedeutet hat: having a laugh and having a say. Ich sehe mich in Bezug auf das Faschoproblem eher selten damit konfrontiert heutzutage. Ich denke, die Medien machen diesbezüglich die Mücke zum Elefanten."

Dein Programm ist ja recht weit gefächert. Worin kann man denn den roten Faden bei deinen Veröffentlichungen sehen?

"Ich muss sie mögen! Das ist die einzige Voraussetzung. Unsere Veröffentlichungen decken meiner Meinung nach ein breites Feld ab. Von Oi!-Geschichten wie THE LAST RESORT über Hardcorepunk wie beispielsweise die SKEPTIX, bis hin zu Powerpop wie etwa THE BOYS."

Der Rerelease-Markt ist voll von schlechten CDs mit Demo- und Liveaufnahmen, die niemand wirklich braucht. Auf Captain Oi! andererseits erscheinen ja fast nur sehr klassische Aufnahmen mit ausführlichen Booklet-Texten und guten Fotos. Wie gehst du dabei vor, wenn du nach neuen Sachen zum Veröffentlichen suchst? Wie sicherst du dir die Rechte und wer schreibt oben angeführte Booklet-Texte? Wo bekommst du dein Bild-/fotomaterial für die Platten her?

"Ich versuche immer, mir grosse Mühe mit jeder Veröffentlichung zu geben und qualitativ das Maximale herauszuholen. Ich vermeide Livematerial so gut wie möglich, da wie du ja schon erwähnt hast, einfach zur Genüge enttäuschende Aufnahmen zu haben sind. Wenn mir eine Band zusagt, sehe ich zu wie und ob ich mir die Rechte sichern kann. Die Booklet-Inhalte schreib ich natürlich selbst. Ich habe Kontakte zu einschlägigen Fotobibliotheken, die mir alte Bilder, die ich gebrauchen kann, liefern."

Was können wir denn so für die nähere Zukunft von Captain Oi! an Veröffentlichungen erwarten?

"Anfang nächsten Jahres hätten wir da die ANGELIC UPSTARTS mit "Two Million Voices", CHELSEA mit "BBC Punk Sessions", THE EXPLOITED mit "Punk Singles Collection", MAKIN TIME mit "Rhythm and Soul", SECRET AFFAIR mit "Glory Boys" bzw. "Behind Closed Doors", eine neue ANGELIC UPSTARTS-Studioplatte und hoffentlich bald noch viel viel mehr..."

Danke!