J, oder wegen mir auch Jay Robbins, das ist der Mann, der einst in Washington D.C. bei GOVERNMENT ISSUE spielte, dann lange mit JAWBOX unterwegs war, und seit ein paar Jahren der Frontmann von BURNING AIRLINES ist. Ausserdem findet sich sein Name auf erstaunlich vielen guten Platten der letzten Zeit, die in den legendären Inner Ear Studios in Washington D.C. aufgenommen wurden, als Produzent aufgelistet. Anfang Mai waren BURNING AIRLINES, die mit "Mission: Control!" ´99 ein sehr schönes Debüt-Album auf DeSoto Records veröffentlichten, ein zweites Mal auf Deutschland-Tour. Ich unterhielt mich mit Jay und dem nicht mehr ganz so neuen, meist recht schweigsamen BURNING AIRLINES Bassisten Mike Harbin Anfang Mai im Biergarten des Kölner Underground - Jays alter Weggefährte und BURNING AIRLINES-Drummer Peter Moffett war anderweitig beschäftigt.
Mike ist der Neue...
Jay: "Ja, aber so neu ist er gar nicht mehr, er spielt schon seit einem Jahr mit uns, war aber auf dem Album noch nicht mit dabei."
Mike: "Auf jeden Fall bin ich neuer als diese beiden Typen, hehe."
Jay: "Jaja, ich weiss, dass ich alt bin... Ich bin 33, Pete ist 34."
Auch Punkrocker werden alt...
Jay: "Das Ding ist, dass, je älter du wirst, desto weniger Leute von früher sind noch dabei. Die werden erwachsen und fangen an, ein "normales" Leben zu führen. Auf der anderen Seite hast du Leute, die merken, dass sie nie ein "normales" Leben führen könnten, und die musst du finden, sie festhalten."
Zur Sache: Wie kamen BURNING AIRLINES nach dem Ende von JAWBOX zusammen?
Jay: "Pete Moffett, der früher auch G.I. war, hatte aushilfsweise auch bei JAWBOX mit mir gespielt, als Zach sich entschlossen hatte, an der Filmhochschule zu studieren. Wir wussten nicht, ob wir die Band auflösen oder Pete einlernen sollten, um noch mal in Europa auf Tour zu gehen. Pete hatte die Songs schnell drauf, von daher war alles klar, doch mittlerweile hatte uns Atlantic Records rausgekickt, wir fühlten uns alle etwas alt, und ausserdem merkten wir, dass das JAWBOX-Songwriting sehr von Zachs Schlagzeugspiel abhing. Pete spielt einfach anders, und es war klar, dass JAWBOX mit Pete musikalisch ein ganzes Stück anders sein würden. Also schauten wir auf die letzten acht Jahre zurück, sahen, dass wir eigentlich alles erreicht hatten und beschlossen, JAWBOX zu beenden - auch, um denen von uns, die ein "normales" Erwachsenenleben führen wollten, das zu ermöglichen. Das war im Frühjahr ´97. Unmittebar danach fing ich an, mit Pete zu jammen, ich meine, ich hatte jede Menge Song-Ideen und wollte spielen. Bald konnten wir Bill Barbot, der nach JAWBOX noch keine neue Band hatte, überreden, bei uns Bass zu spielen, und damit stand die erste BURNING AIRLINES-Besetzung. Wir steckten keinen besonderen Ehrgeiz in die Band, es war für mich einfach so, dass ich mir ein Leben ohne Band nicht mehr vorstellen konnte, ich wollte einfach spielen."
War die Schlussphase von JAWBOX mit dem Rausschmiss bei Atlantic denn nicht demotivierend?
Jay: "Ja, und es gab zum Schluss einfach verschiedene Ansichten zu verschiedenen Punkten. Ich für meinen Teil wusste, dass ich weiterspielen wollte - es gab andere in der Band, die wirklich entmutigt waren. Bill etwa spielte dann zwar mit uns, wir hatten ein paar Songs, fanden dann einen Namen für die Sache, nämlich BURNING AIRLINES, doch bevor noch mehr passieren konnte, machte Bill schon klar, dass er nicht mit uns auf Tour gehen würde. Dann war das Album fertig, Pete und ich wollten unbedingt touren, Bill nicht, denn er wollte sich mehr auf seine Internet-Firma konzentrieren, und so kam Mike ins Spiel. Mike ist ein alter Freund, der oft mit JAWBOX auf Tour war."
Mike, hast du vorher in anderen Bands gespielt?
Mike: "Ja, ich habe vorher schon lange als "Aushilfe" bei verschiedenen Bands gespielt. Ich hatte selbst eine Band namens ADMIRAL, war dann bei TRUSTY, und derzeit habe ich neben BURNING AIRLINES noch eine zweite Band namens JACK POTENTIAL."
Nach dem Ende von JAWBOX, die ja doch halbwegs erfolgreich waren, nach einem gescheiterten Majordeal, habt ihr ja erstmal bei Null angefangen - oder wie war das?
Jay: "Hm, schwer zu sagen. Ich bin kein Mensch, der von vorneherein eine klare Vorstellung von einer Sache hat. Ich mache einfach, und dann mal sehen, was passiert. Auch beim Songwriting ist das so: wir spielen was und ich höre mir das an, versuche interessante Elemente auszumachen, picke die heraus und mache damit weiter. Nach JAWBOX war für mich einfach nur klar, dass ich weiter Musik machen würde, und mit Pete, einer meiner ältesten Freunde, hatte ich den richtigen Mann dafür. Der grosse Unterschied zu JAWBOX ist aber, dass BURNING AIRLINES ein Trio sind. Das war mir von Anfang an wichtig, denn es macht das Songwriting einfacher und auch sonst manches. Bei JAWBOX gab es beim Songwriting immer so einen gewissen Wettbewerb zwischen Bill und mir, wir füllten jede Lücke in einem Song aus, und das führte dazu, dass es schwer wurde, richtige Dynamik aufzubauen. Ausserdem bedeutete es, ständig verhandeln zu müssen, wie man dies und wie man jenes spielt. Die spassigsten Momente waren immer die, wenn wir nur gejammt haben, wenn man auf das, was der andere machte, direkt reagieren konnte. Bei einem Trio sind solche Momente häufiger, wir diskutieren bei BURNING AIRLINES weit weniger als bei JAWBOX über die Songs und spielen dadurch mehr. Wir haben mittlerweile zwar auch bei BURNING AIRLINES über ein viertes Mitglied nachgedacht, aber es wäre wohl kein zweiter Gitarrist, sondern eher jemand mit einem Keyboard."
Mike, wer hat bei BURNING AIRLINES das Sagen? Ist Jay jemand mit einer starken Persönlichkeit
Mike: "Ha, wer redet denn hier die ganze Zeit? Alles klar?"
Wie läuft denn bei BURNING AIRLINES das Songwriting?
Jay: "Anders als bei JAWBOX, wie schon gesagt. Da war das Songwriting ein Gemeinschaftsprozess und es funktionierte auch, aber das Schöne am Musikmachen ist, dass es so viele verschiedene Arten gibt. Ich denke, es würde mir keinen Spass machen, ständig den anderen zu sagen und vorzuschreiben, was sie spielen sollen, und ich schreibe auch nicht genug Sachen, von daher teilen wir uns diesen Job auch bei BURNING AIRLINES. Die besten Sachen, die in dem Jahr seit Mikes Einstieg entstanden, sind dann auch die, die wir beide zusammen erarbeitet haben. Ich habe aber die "Endkontrolle" in der Hand, weil ich meist eine klare Vorstellung davon habe, wie der Song fertig klingen soll, mit meinem Gesang dazu. Ich finde es gut, wenn man einen Song um den Text herum arrangiert. Nein, ich will kein Banddiktator sein."
Ich kann es nicht richtig ausdrücken, aber zwei Bands, die sich in gewisser Weise sehr ähneln, sind für mich JETS TO BRAZIL und BURNING AIRLINES. Was sagt ihr dazu?
Mike: "Meinst du echt?"
Jay: "Hm..."
Mike: "Naja, die Vergangenheit der Bands hat sicher Parallelen, aber mehr ist da nicht."
Es ist auch keine konkrete Sache, eher so ein Gefühl...
Jay: "Es ist schön zu wissen, dass die Leute uns womöglich als Band gleicher Güte ansehen, denn ich bewundere JETS TO BRAZIL sehr. Gleichzeitig sehe ich keine musikalische Ähnlichkeit, obwohl Blake und ich in der Vergangenheit ähnliche Erfahrungen gemacht haben und unser ästhetisches Empfinden sich ähnelt. Aber JETS TO BRAZIL sind als Band ganz anders aufgebaut, und ihre Musik ist doch ganz anders als unsere: die sind eher am Pop-Songwriting orientiert, während man uns keinem Genre zuordnen kann. JETS TO BRAZIL sind als Pop/Rock-Band glücklich, haben klasse Texte und gute Songs, während wir absoluten Wert darauf legen, etwas zu machen, das in keine Kategorie passt."
Dann lass´ mich kurz noch vorlesen, was ich auf der Homepage eures europäischen Vertriebs Southern Records über BURNING AIRLINES gefunden habe: "...and now the band are leading the meteoric rise of the "Emo" scene, along with the PROMISE RING and JETS TO BRAZIL." Noch Fragen?
Jay: "Ha, das ist lustig."
Mike: "Tja, die bei Southern wissen eben, wovon sie reden..."
Jay: "Wenn das da auf der Website steht, dann muss es stimmen. Naja, es ist schon etwas seltsam, so klar in diesen Kontext gestellt zu werden. Andererseits weiss ich auch, wo das herkommt: die Leute, die anfangs an BURNING AIRLINES interessiert waren, kamen deshalb auf uns, weil sie JAWBOX kannten. Das gilt in ähnlicher Weise für JETS TO BRAZIL, die Anfangs erstmal deshalb interessant waren, weil jeder wusste, dass Blake vorher bei JAWBREAKER war. JAWBOX und JABREAKER wiederum hatten im Laufe ihrer Bandgeschichte ganz ähnliche Erfahrungen gemacht, sind seit langer Zeit befreundet."
Hat diese Einordnung als "Emo"-Band nicht auch was damit zu tun, dass du als Produzent schon mit relativ vielen Bands in diesem Bereich gearbeitet hast?
Jay: "Mag sein, aber es ist auch so, dass ich selbst eigentlich keine Musiker kenne, die wissen oder sich drümmern, was "Emo" ist. Ich glaube fest daran, dass die Leute ihre Ohren benutzen, wenn sie Musik hören, und es ihnen dann entweder gefällt oder nicht. Der ganze Rest drumherum ist nur Bullshit, das ist Marketing, da geht´s um Produktidentifikation - um nichts, was wirklich wichtig ist. Wegen mir sollen die Leute unsere Musik nennen, wie sie wollen - solange sie die Musik anspricht, ist es in Ordnung."
Ich sehe mit diesem "Emo"-Etikett eine starke Parallele zu den frühen Neunzigern, als die ganze Grunge-Sache lief: da war es auch so, dass man einerseits erkannte, wie bescheuert diese Kategorie eigentlich ist, dass sie kaum was aussagt, dass aber beinahe jeder sich zumindest musikalisch etwas darunter vorstellen konnte. Wenn man nun über Musik schreibt, fällt es echt schwer, solche Worte zu verwenden, aber manchmal scheint man nicht darum herum zu kommen.
Jay: "Ja, stimmt, ich kann mich da gut dran erinnern. Früher oder später braucht man einfach so ein Etikett. Die Frage ist nur, was mehr für´n Arsch ist: Grunge oder Emo?"
Mike: "Zwischen Emo und Grunge sehe ich auch die Parallele, dass da Bands in die gleiche Schublade gepackt werden, die kaum was miteinander zu tun haben. Bei Grunge waren das TAD und L7..."
Jay: "...und SOUNDGARDEN und NIRVANA wurden mit den U-MEN in eine Kiste gepackt, wobei die U-MEN eher wie BIRTHDAY PARTY klangen - und das hatte mit Seventies-Rock gar nichts zu tun. Ich habe die Platten von JETS TO BRAZIL, PROMISE RING, COMPOUND RED und noch ein paar anderen produziert, und eigentlich war das Verhältnis zu diesen Leuten so, dass ich sie produzierte, weil sie gute Freunde sind, oder wir wurden durch die Arbeit gute Freunde. Wenn nun jemand denkt, BURNING AIRLINES wären in der gleichen Szene zuhause wie PROMISE RING oder JETS TO BRAZIL, dann ist das okay, denn ich mag diese Leute und wir spielen oft mit PROMISE RING. Die Verbindung ist aber musikalisch gesehen eher die Energie, die wir da reinstecken, der Glaube, etwas Gutes zu machen."
Wahrscheinlich ist das alles eine Frage der Perspektive, ob man also von aussen auf eine, nun ja, "Szene" draufschaut oder ob man von innen nach aussen schaut, wie eben ihr.
Mike: "Ich habe kein Problem damit, mit diesen ganzen Bands in Verbindung gebracht zu werden, so lange die Leute die musikalischen Unterschiede sehen."
Das "Problem" mit "Emo" ist eben auch, dass da eine bestimmte Art von Musik verstärkt auftritt, die sich nicht den gängigen Genres zuordnen lässt: es ist kein Punkrock, kein Hardcore, nicht Alternative Rock. Ende der Achtziger nannte man solche Bands, die weder das eine noch das andere waren, aber doch einen Bezug dazu hatten, "Indie Rock" - und die Bands waren auch nicht unbedingt begeistert.
Jay: "Ja, aber weisst du was? Der Begriff "Indie Rock" hat noch eine echte Bedeutung - zumindest hatte er eine. Er stand für Bands, die etwas Unabhängiges auf die Beine stellen wollten, die selbst für ihre Arbeit verantwortlich sein und sich nicht den üblichen Business-Mechanismen unterwerfen wollten. Bands, die eine eigene Kultur entwickelt hatten, ein eigenes Kommunikationsforum. Es war der Versuch, eine Underground-Szene zu etablieren und nicht nur zu konsumieren, was einem vorgesetzt wird. Genau diese Elemente habe ich für meinen Teil vom Punkrock übernommen, und die Hauptregel war und ist für mich: Was immer du selbst tust, ist mehr wert als die Kultur, die man dir verkauft. Es kommt von dir, du kannst es mit anderen teilen. Leider vergessen das sehr viele Leute."
Was für eine Bedeutung hat das in deiner Alltagsarbeit im Studio?
Jay: "Ich versuche, den Leuten klar zu machen, dass sie ihre eigene Kultur gründen müssen, ihre Vorstellungen umsetzen. Dass Musik eine Methode ist, die Welt zu untersuchen und mit anderen zu kommunizieren. Musik ist kein Möbelstück, dass du kaufst, damit es zu deinem übrigen Lebensstil passt."
Deine Arbeit als Produzent - unterscheidet die sich von deiner Arbeit als Musiker?
Jay: "Das ist bei jedem Projekt anders. Bei der ersten JETS TO BRAZIL-Platte etwa war ich sowohl Produzent wie Musiker. Wir hatten einen Toningenieur, der sich um die Technik kümmerte, und ich war vor allem als Produzent im klassischen Sinne dabei. Die JETS waren damals nur ein Trio, und so spielte ich auch Gitarre und sang etwas. Beim neuen JETS-Album war ich fast nur Toningenieur und nur ganz am Rande Produzent. Mein musikalischer Input war da gleich null. Als wir uns dem Ende der Aufnahmen näherten, wollte ich nur noch raus aus dem Studio und endlich wieder mit BURNING AIRLINES spielen - und das, obwohl ich das Album sehr mag. Ich war eben nicht aktiv beteiligt. Aber das ist bei jeder Produktion anders."
Erkläre doch mal, wo der Unterschied zwischen der Tätigkeit des Produzenten und der des "Engineers", des Toningenieur am Mischpult liegt. Es gibt da wohl oft Überschneidungen, aber auch eine strikte Trennung.
Jay: "Ich kann dir auch nicht genau sagen, wo man da die Linie ziehen kann. Das ist bei jedem Projekt anders. Etwa JACK POTENTIAL, die andere Band von Mike: ich war da nur der Ingenieur, denn sie hatten genau im Kopf, was sie wollten, und produzierten sich selbst. Bei vielen Bands ist das so. Bei anderen mus sich der Produzent mehr einbringen, und unterm Strich finde ich, dass die Rolle des Produzenten als zu wichtig eingeschätzt wird - und der Job ist auch nicht so interessant. Produzenten machen keine Platten."
Mike: "Ich denke, das hängt von der Band ab. Nimm etwa SMASH MOUTH: da hat der Produzent sehr viel mit der Platte zu tun, da wird ein ganz neuer Sound für die Band entwickelt."
Du meinst also den Fall, wo der Produzent richtig ins Songwriting eingreift und vorgibt, wie eine Gitarre gespielt wird, damit der Song so oder so klingt. Aber das ist wohl ein ganz anderes Konzept von der Arbeit eines Produzenten als deines, oder?
Jay: "Ja, wobei ich natürlich auch Vorschläge mache, die sich aber eigentlich darauf beschränken, Ideen zu verfeinern, die die Band mitgebracht hat. Ich sehe, wo die Band hin will und habe verschiedene Ideen, wie sie dort hinkommt."
Ihr habt eure erste Platte eurerseits mit einem Produzenten aufgenommen, mit John Agnello, der ja auch kein Unbekannter ist.
Jay: "Eigentlich haben wir das Album selbst aufgenommen und produziert, aber zum Mixen war es sicher eine gute Idee, mit John zu arbeiten. Es war einfach wichtig, zum Abschlus noch die Meinung eines Aussenseiters zu haben - ich selbst wäre sonst wohl verrückt geworden und hätte mich noch tagelang an winzigen Details aufgehalten. So sass ich relaxt auf meinem Stuhl, John mischte, und ich gab mein Okay dazu. Wir werden auch beim neuen Album wieder mit John arbeiten, weil ich ihm einfach vertraue und ihn schätze. Wir beide haben so ungefähr die gleichen Vorstellungen davon, wie etwas klingen soll, was kraftvoll ist."
Was ist er für ein Typ? Man liest zwar immer seinen Namen, aber nichts über ihn.
Jay: "Er ist kein Star und nicht eingebildet, und das macht seine Qualität aus. Ich habe schon so viele Platten aufgenommen, aber die Arbeit mit ihm war das bislang beste Studioerlebnis. Er versteht es, so zu arbeiten, dass die Leute sich gut aufgehoben und ermutigt fühlen. Ich weiss nicht, wie er das macht, aber sobald John im Raum ist, entspannt sich jeder. Ausserdem ist er ein grossartiger Toningenieur, er hat ein sehr gutes Gehör."
Wie sieht´s mit eurem neuen Album aus?
Jay: "Im Juni, nach der Europatour, werden wir mit den Aufnahmen anfangen, so ungefähr acht Songs. Im September werden wir dann nochmal aufnehmen, so circa fünf Songs. Das Album wird dann wohl nicht vor Anfang 2001 erscheinen. Dann sind seit dem ersten Album zwei Jahre vergangen, aber wir haben keinen Zeitplan, den wir einhalten müssen, und es ist wichtiger, eine gute, als eine schnelle Platte zu haben. Ausserdem waren wir auch ´99 fast ständig auf Tour, da hatten wir gar keine Zeit neue Songs zu schreiben. Die Tour ist jetzt auch eine gute Sache, um die neuen Songs auszuprobieren, bevor wir sie aufnehmen."
Und, wie wird das neue Album ausfallen?
Jay: "Och, ich glaube, wir nehmen das alte Album einfach nochmal auf. GOVERNMENT ISSUE hätten das gemacht, die haben uns echt total inspiriert. Okay, das war gemein, aber es ist mir egal, haha. Tja, aber was könnt ihr vom neuen Album erwarten? Hm, einfach mal abwarten, ich weiss nur, dass die Platte anders werden wird und dass ich die neuen Songs mag. Nee, es fält mir schwer, dazu was zu sagen."
Und die Platte wird wieder auf DeSoto Records erscheinen, dem Label deiner JAWBOX-Kollegin Kim Coletta?
Jay: "Ja, es spricht nichts dagegen. Kim ist eine gute Freundin, das Label ist klasse und sie haben gerade ein neues Album veröffentlicht von einer Band namens THE ETERNALS, bei denen es sich um Ex-TRENCHMOUTH-Leute handelt - grossartig! Ausserdem sind noch DISMEMBERMENT PLAN auf DeSoto, die sind auch grossartig, ebenso wie JUNO aus Seattle. Wir sind auf DeSoto in guter Gesellschaft, also kein Grund zu wechseln."
Wie sieht´s mit der Washington D.C.-Szene aus? Früher hatten die Leute in Europa gerade durch die ganzen Releases auf Dischord ja so eine beinahe mystische Wahrnehmung der D.C.-Szene.
Mike: "Frag mich nicht, ich habe mit keiner Szene was zu tun."
Jay: "D.C. ist eine Stadt mit zig kleinen Szenen, und das war schon immer so. Dischord hatte nur lange Zeit so einen starken Einfluss auf viele Leute, dass es von aussen wie eine Szene aussah. Wenn man aber in D.C. lebt, dann merkt man, dass es jede Menge seltsamer kleiner Sub-Szenen gibt, gerade auch in den Vorstädten, etwa um das Slowdime-Label. Aber prinzipiell sind es nicht die Labels, um die herum sich die Szenen in D.C. formieren. Man kann es so sehen: es gibt eine lose Community von Musikern, und es gibt eine Menge Musiker und viele Leute, die etwas ineressantes machen wollen, und hier und da überlappen sich diese Interessen und Personenkreise. Oder man sieht es als eine Menge kleiner Szenen an, die sich hier und da überschneiden, dann aber wieder auseinanderdriften. Es ist alles sehr dezentralisiert. Demnächst kommen übrigens wieder ein paar interessante Sachen auf Dischord, etwa FARAQUET, die erste neue Band auf Dischord seit Jahren. Auch merken sollte man sich Q AND NOT U, die womöglich auch auf Dischord sein werden. Was die "Szene" allgemein anbelangt, so denke ich, dass die Zeiten, als jeder zu Dischord aufschaute, vorbei sind. Aber das ist normal, denke ich, und Dischord hat einfach dazu beigetragen, dass es heute viele kleine Labels in der Stadt gibt. Ich fühle mich wohl in der Stadt."
Jay, du arbeitest viel in den Inner Ear Studios, dem Studio von Don Zientara, dessen Name man auf so ziemlich jeder Klassiker-Platte auf Dischord findet.
Jay: "Ich arbeite fast immer dort, das stimmt. Inner Ear besteht aus zwei Studios, eines, Studio A, mit einerr 2" 24-Spur-Maschine, das andere, Studio B, mit einer 1/2" 16-Spur-Bandmaschine, in dem eher die Demo- und Projekt-Sachen liefen. Als JAWBOX sich auflösten, zogen wir auch aus dem gemeinsamen Haus aus, wo ich mir im Keller ein 8-Spur-Studio eingerichtet hatte. Zur gleichen Zeit schied bei Don der Typ aus, der sich um Studio B gekümmert hatte und Don, dem der ganze Laden gehört, suchte jemand für Studio B. Er fragte mich, ich sagte ja, arbeitete eine Weile im Studio B und schmuggelte mich dann immer öfter ins 24 Spur-Studio rein. Heute arbeite ich nur noch in Studio A. Ich bin aber nicht der Partner von Don, sondern freiberuflich und miete mich quasi tageweise ein. Don ist ein sehr guter Freund, der mir sehr viel geholfen hat, und es ist ein grossartiges Studio."
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