BULL BRIGADE

Foto© by Riccardo Martina

Motorcity Streetpunk

Norditalien hat eine lange Tradition antifastischer Punk- und Oi!-Bands – BULL BRIGADE aus Turin sind eine davon und haben im Oktober auf Demons Run Amok ihr neues Album „Il Fuoco Non Si E Spento“ veröffentlicht. Sänger Eugy beantwortete meine Fragen.

Die Basics bitte ...

BULL BRIGADE wurden 2006 in Turin in den Studios von Radio Black Out geboren. Damals hatte ich eine Punkrock-Musiksendung und in dem Umfeld waren viele junge Punks anzutreffen. Sie hatten bereits Erfahrungen gesammelt in Bands wie BANDA DEL RIONE, YOUNGANG, BAD DOG BOOGIE ... alles Projekte, die dem Turiner Untergrund ihren Stempel aufgedrückt haben. Sowohl musikalisch als auch politisch waren wir immer mit der Jugendsubkultur in Kontakt: bei Konzerten, im Stadion, in Schule und Arbeit. Wir waren dort immer präsent und haben versucht, die, die wir erreichen konnten, zu politisieren. Wir sind eine antirassistische Band, und auch wenn wir nicht gerne einschlägige Slogans in unsere Lieder einbauen, waren wir immer Teil der politischen Bewegung in unserer Stadt.

Ihr kommt aus Turin, auf einem früheren Album hattet ihr einen Song namens „Motorcity“, und auch eure Mail-Adresse enthält dieses Wort. Was ist also der Hintergrund? Turin ist seit langer Zeit eine wichtige Industriestadt, in der Tausende bei Fiat arbeiten oder gearbeitet haben.
In Turin hat sich einst eine Industrie entwickelt, die viele Jahre lang die treibende Kraft der italienischen Wirtschaft war. In den Sechziger Jahren kamen viele Familien aus Süditalien zu uns, um nicht nur bei Fiat, sondern auch in den vielen Unternehmen der angeschlossenen Branchen arbeiten zu können. Diese Dynamik hat dazu beigetragen, das soziale Gefüge unserer Stadt erheblich zu verändern und Turin zu einem fantastischen multikulturellen Ort zu machen. Leider ging unsere Stadt dann mit der großen Wirtschaftskrise buchstäblich in die Knie und tat sich sehr schwer, eine neue Identität zu finden.

Turin war – auch deshalb – schon immer eine sehr politische Stadt mit einer starken Gegenkultur. Wie hast du das über die Jahrzehnte erlebt?
Wir sind mit den Geschichten unserer Eltern aufgewachsen, die Arbeiter waren, und mit denen unserer Großeltern, die Partisanen waren ... Hier in Turin waren wir uns immer bewusst, was einen Proletarier von einem Bourgeois unterscheidet. In dieser Atmosphäre sind wir aufgewachsen und das hat uns nachhaltig beeinflusst. Leider bewegt sich die soziale Opposition auf immer schwierigerem und verschlungenerem Terrain. Den Bossen stehen immer mehr Mittel zur Verfügung, um aufmuckende Arbeiter zu unterdrücken, zu diskriminieren oder zu entlassen. In den Siebziger und Achtziger Jahren dagegen konnte es hier noch passieren, dass ein Politiker ermordet, ein Industrieller entführt oder ein Schichtleiter verprügelt wurde. In so einem Kontext wurde die Arbeiterschicht mit Selbstverständlichkeit und Aufmerksamkeit respektiert: Es wäre für alle gut, wenn sich bestimmte Dinge wiederbeleben ließen, aber leider sind die Bedingungen nicht gegeben.

Genau wie Deutschland wurde auch Italien und insbesondere der Norden in den letzten Jahren zunehmend von Faschisten und Rechtspopulisten geplagt.
Europa macht eine große Wirtschaftskrise durch, aber auch die Bildung und Erziehung der Massen und die rassistischen Ideale dieser gescheiterten Politiker schleichen sich ins Herz des Subproletariats. Ob es die Hautfarbe ist oder die Religion, wir sehen jeden Tag, wie arme Menschen ihre Wut an jenen auslassen, denen es noch schlechter geht.

Euer neues Album trägt den Titel „Il Fuoco Non Si È Spento“, „Das Feuer ist noch nicht erloschen“ – was ist die Botschaft?
Hinter uns liegt eine Krisenzeit, in der wir nicht wussten, ob wir mit der Musik weitermachen sollten. Dass wir jetzt unser drittes Album produzieren konnten, verdanken wir dem Feuer, das weiter ins uns brennt und unsere Herzen wärmt ... Es ist die Flamme des Punkrock, die uns den Weg weist. Wir finden, dass es auch ein Slogan ist, der den gesamten italienischen Hardcore-Punk-Szene neu beleben kann: BULL BRIGADE sind derzeit die Band mit den meisten Konzertbesuchern hierzulande, wahrscheinlich wegen unserer Texte und der Atmosphäre, die wir schaffen, und auch wegen der Glaubwürdigkeit, die wir uns über die Jahre aufbauen konnten. Es wäre schön, wenn dieses Feuer wieder überall brennt.

Wie seid ihr mit Demons Run Amok in Kontakt gekommen, und warum ein deutsches Label?
Es war Marc von M.A.D. Tourbooking, der uns mit den Jungs in Kontakt gebracht hat. Wir haben immer darauf hingearbeitet, neue Szenen kennen zu lernen und neue Kooperationen einzugehen, um nicht zu sehr in Gewohnheiten zu erstarren. In Italien gibt es sehr gute Labels wie Kob Records, Anfibio oder Hellnation, in Deutschland haben wir auch sehr gut mit Fire And Flames zusammengearbeitet. Jetzt sind Demons Run Amok dran und wir sind sehr zufrieden.

Ihr habt hauptsächlich italienische Texte, aber eure musikalischen Wurzeln liegen wohl eher im britischen Punk und Oi! Aber könnt ihr einige italienische Einflüsse nennen?
Ja, unser Sound wurde schon immer mit der Oi!-Szene in Verbindung gebracht, obwohl unsere Wurzeln eigentlich eher im Punkrock und Hardcore liegen. Wenn ich einige wichtige italienischen Vorbilder nennen sollte, wären das NEGAZIONE, KINA, FRAMMENTI, NERORGASMO und BANDA DEL RIONE.

2018 habt ihr sogar in Santiago del Chile gespielt, was hat euch dorthin geführt?
Wir haben auf einem Festival gespielt, bei dem sich die antifaschistischen Skinheads Südamerikas trafen. Es war eine unglaubliche und unvergessliche Erfahrung. Es war eine weite Reise, um Santiago zu erreichen, und unser Empfang in der Stadt war wirklich sensationell.