BUFFALO TOM

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Die jungen alten Dinosaurier

Sie waren seit Ende der Achtziger und bis Ende der Neunziger ein fundamentaler Bestandteil der US-Indierock-Szene: BUFFALO TOM aus Massachusetts. Ihre ersten beiden Alben („s/t“, 1988; „Birdbrain“, 1990) wurden von ihrem guten Freund J Mascis produziert, mit „Let Me Come Over“ von 1992 und „Big Red Letter Day“ von 1993 wurden sie auch in Europa zu vielfach tourenden Größen und sprachen ein Publikum an, das klassischen Gitarrenrock à la HÜSKER DÜ, DINOSAUR JR oder MISSION OF BURMA schätzte. Mit „Sleepy Eyed“ von 1995 und „Smitten“ von 1998 folgten zwei weitere schöne Alben, doch die Begeisterung hatte sich etwas gelegt und die Pause, die das Trio Bill Janovitz, Chris Colbourn und Tom Maginnis einlegte, wurde nur von Die-Hard-Fans so richtig bemerkt. Janovitz blieb durch Soloalben präsent, die Erde drehte sich weiter, und dann erschien 2007 mit „Three Easy Pieces“ ein neues Album in Originalbesetzung, das exakt da weitermachte, wo man sich neun Jahre zuvor verabschiedet hatte. Klar, dass ich mir das Konzert nicht entgehen ließ, und Bill Janovitz beantwortete vor dem Konzert im Kölner Prime-Club meine Fragen.

Ihr seid so was wie Fossile aus einer Zeit, als der Begriff „Indierock“ noch eine gewisse Bedeutung hatte.

Oho, da haben wir eine Frage mit mehreren Annahmen. Indierock habe heute keine Bedeutung mehr - wie alt bist du?

39. Und du?

41. Aber du siehst jünger aus.

Danke.

Also bedeutet dir Indierock vielleicht nicht mehr so viel wie früher mal. Und was das mit „Fossile“ anbelangt, ach, das trifft mich nicht.

Auch nicht, wenn ich sage, dass euer aktuelles Album erfreulich wenig Weiterentwicklung aufweist im Vergleich zu denen aus den frühen Neunzigern?

Nein. Wir haben das bewahrt, was wichtig ist. Ich sehe Musik sowieso nicht in einer linearen Entwicklung, also in der Art von „Dies führt zu dem und das dann zu dem“, und Weiterentwicklung kann ich eigentlich sonst auch nicht erkennen. Was ich in den College-Radiosendern der Region um Boston so höre, erinnert mich an Cat Stevens und Nick Drake, all dieses Neofolk-Zeugs. Und das sind dann Leute von Anfang 20. Klar, es gab diese Entwicklung von afrikanischer Trommelmusik hin zu Gospel und Rock’n’Roll, aber das hat nichts mit uns zu tun. Ich sehe nicht, dass ein neues BUFFALO TOM-Album irgendeine Art von Weiterentwicklung aufweisen muss. Wir haben uns nicht wirklich verändert, und deshalb war es für uns auch nicht wirklich schwer, nach all den Jahren, in denen wir nur live gespielt hatten, aber kein Album erschienen war, wieder im Studio zusammenzuarbeiten. Wir sind, wer wir sind, wir haben unseren Sound, und wenn, dann imitieren andere Bands uns und nicht wir andere Bands.

Ihr wart also live immer präsent.

Ja, ein, zwei Konzerte haben wir gespielt, manchmal auch mehr. Boston, New York und 2006 sogar in Belgien.

Und wie kam es dann zu einem neuen Album?

Wir sagten uns, dass, wenn wir weiter Konzerte spielen wollen, wir dann doch auch mal wieder ein paar neue Lieder machen sollen - oder ganz abtreten. Auf reine Nostalgiekonzerte hatten wir keine Lust, immer nur die alten Lieder zu spielen, eine „Reunion-Band“ zu sein - die sich ja zwischenzeitlich nicht mal aufgelöst hatte. Also entschlossen wir uns, ein neues Album aufzunehmen und machten uns langsam daran, neue Songs zu schreiben, Ideen zusammenzutragen und auszuprobieren, wie das mit uns so klappt. Geändert haben sich im Vergleich zu früher die Texte: Wir sind älter geworden, wir haben uns verändert, wir haben andere Themen. Wir haben nicht wirklich darüber nachgedacht, was wir da eigentlich machen.

Hatte euer Comeback etwas mit dem von DINOSAUR JR zu tun? Beide Bands waren ja immer eng verbunden, regional wie persönlich wie musikalisch.

Klar, als wir das mitbekommen haben, war uns klar, dass auch wir unbedingt wieder was zusammen machen müssen, haha. Wir müssen unbedingt in die Fußstapfen unserer großen Brüder treten! Nein, wir begannen mit der Arbeit an „Bad Phone Call“ bereits 2004, wir haben zwei Jahre daran gearbeitet. Und währenddessen hörten wir von der DINOSAUR JR-Reunion, diewirklich eine solche war, denn die waren aufgelöst.

Wer kommt heute zu euren Konzerten? Die alten Fans von früher oder lauter Neue?

Es sind vor allem die alten Fans, und dann ein paar Neue, die uns damals verpasst hatten, aber in der Zwischenzeit auf uns gestoßen sind. Viele Leute haben uns schon zehnmal oder mehr gesehen. Ich denke aber, dass jeder echte Musikfan sich niemals nur auf Bands aus seiner Generation beschränken wird. Wir leben im Post-Napster-Zeitalter, es ist heute so leicht, neue Musik, alt wie neu, kennen zu lernen.

Welche Bands haben euch seinerzeit beeinflusst?

Wir haben uns seinerzeit kennen gelernt, weil wir auf den Konzerten der gleichen Bands waren, etwa HÜSKER DÜ, MISSION OF BURMA, REPLACEMENTS, GUN CLUB oder BLACK FLAG. Und Chris und ich fingen dann an, zusammen ROLLING STONES-Songs zu covern, wir pflegten eine gemeinsame Vorliebe für Neil Young, für VOLCANO SUNS, für die Releases von Homestead Records. Aber auch THE FALL und THE CURE aus England gefielen uns, DIED PRETTY aus Australien, und so weiter.

Spielte die Herkunft aus Boston eine Rolle?

Wir kommen ja ursprünglich aus Amherst im Westen von Massachusetts, ein ganzes Stück von Boston entfernt. Und später dann gab es Bands aus Boston wie GALAXY 500, PIXIES oder THROWING MUSES, die auch mit Boston identifiziert wurden, aber wir waren ja alle ständig auf Tour. Ich habe Evan Dando eher irgendwo auf Tour in Deutschland getroffen als in Boston. Aber wichtig war auf jeden Fall die Vielzahl an College-Radiosendern in der Region, denn so war man ständig neuer, interessanter Musik ausgesetzt - das Internet gab es damals noch nicht. Wenn also Boston irgendwie prägend war, dann in der Hinsicht, aber nicht mit einem bestimmten Sound oder Look. Und man kann schon eine Linie ziehen von MISSION OF BURMA über MOVING TARGETS zu BUFFALO TOM, aber zu behaupten, wir seien direkt von MISSION OF BURMA beeinflusst, das geht nicht, auch wenn wir die Band lieben. Im Falle von MOVING TARGETS wiederum kann man durchaus sagen, dass die sehr von MISSION OF BURMA beeinflusst wurden, und natürlich von HÜSKER DÜ.

Apropos, was macht eigentlich Ken Chambers?

Ach, die MOVING TARGETS haben erst unlängst noch zusammen mit uns gespielt, und sie waren fantastisch.

Wie wurde euer Album aufgenommen?

Also, einen dicken Scheck haben wir noch nicht bekommen, haha, aber die Reaktionen waren ganz gut und wir waren auch in der Letterman-Show. Aber die gesamte Musiklandschaft hat sich seit unserem letzten Album verändert. In Europa ist das anders, da knüpfen wir an unsere Alben aus den Neunzigern an, da spielen wir oft in den gleichen Clubs wie damals, und die Clubs auf dieser Tour sind voll, denn viele alte Fans kommen.

Und wie seid ihr auf dem deutschen Label Blue Rose gelandet?

Die haben auch mein letztes Soloalbum gemacht, so traf ich Edgar, und dann kam eins zum anderen.

Was hat euch die letzten Jahre beschäftigt, außer der Musik?

Unsere Kinder. Ich war ein paar Jahre „stay-home dad“, habe parallel als freier Journalist gearbeitet, für die Website All Music Guide geschrieben und auch ein Buch über das „Exile On Main Street“-Album der ROLLING STONES für Continuum Books. Und dann natürlich meine Soloplatten, wie Chris auch. Und ich versuche mich auch als Immobilienmakler.

Derzeit hören wir schreckliche Geschichten vom US-Immobilienmarkt ...

Ach ja, aber wie sagen wir Makler immer so schön? Es ist immer eine gute Zeit zum Kaufen. Und wenn es keine gute Zeit zum Kaufen ist, ist es eine gute Zeit zum Verkaufen.

Bill, besten Dank für diesen wertvollen Tip.