BRIDGE 9 RECORDS

Die Brücke zum Hardcore

Bridge 9 Records aus Boston, MA sind zur Zeit in aller Munde – und das nicht zuletzt durch die Veröffentlichung der beiden AMERICAN NIGHTMARE-Singles oder auch der CARRY ON-LP. Auch die bei dieser Art von Label oft anzutreffende Eingleisigkeit hinsichtlich der veröffentlichten Musik hat Labelchef Chris gut in den Griff bekommen: Mit einer neuen Band namens SINNERS AND SAINTS befindet sich jetzt nämlich das erste Punk’n’Roll-Pferd im Bridge 9-Stall, das mich nach einer ersten Hörprobe voll überzeugen konnte. Und nein, das ist kein Beweis für guten Geschäftssinn, sondern einzig und allein für guten Geschmack. Und ja, das hier ist ein subjektives Interview, wie eben fast alles hier im Heft. Neben dieser ganzen Arbeit hat Chris ein bisschen Zeit gefunden, mir per E-Mail ein paar Fragen zu beantworten, aber lest selbst, was es aus dem Hause B9 so zu berichten gibt.

Vielleicht erst mal so ein paar grundsätzliche Infos?

„Bridge 9 begann im Jahre 1995, als mir bewusst wurde, dass ich gerne mehr mit Hardcore in Verbindung stehen würde. Das Label half mir die Ups und Downs in der Szene zu überstehen, die für diese Art von Musik ja typisch sind. Ich war noch im College, als ich mit den ersten Veröffentlichungen begann und ich wollte etwas Handfestes machen, das mich mit der Musik und den Leuten in Verbindung halten würde.“

Gibt es so etwas wie ein Ziel, das du mit Bridge 9 erreichen möchtest?

„Ich möchte einfach nur mit den Bands, die mir gefallen, Platten veröffentlichen. Wenn ich die bestmögliche Distribution, Gestaltung von Platten und Aufnahme-möglichkeiten bieten kann, wäre ich schon ziemlich glücklich. Natürlich möchte ich, dass das Label weiter wächst und weiterhin solide Veröffentlichungen herausbringt. Ich probiere so eine Art Gemeinschaft gleichgesinnter Bands zu gründen, die sich gegenseitig helfen, was die individuelle Weiterentwicklung anbelangt, aber auch dem Label helfen zu wachsen.“

Du hast die ersten beiden AMERICAN NIGHTMARE-Singles veröffentlicht. Das sind dann wohl auch die Titel, die sich am besten verkaufen, oder?

„Oh ja, AMERICAN NIGHTMARE waren definitiv ein Wendepunkt für Bridge 9. Bei AN war es das erste Mal so, dass ich in jeglicher Hinsicht an der Produktion beteiligt war. Ich habe dann auch endlich eine vernünftige Distro gefunden und konnte AMERICAN NIGHTMARE somit also auch ganz gut pushen. Durch die anstrengende Arbeit, die ich in diese Platten gesteckt habe, öffneten sich einige Türen, weil anderen Bands diese Art von Behandlung gefiel.“

Machst du mit deinen Bands richtige Verträge oder ist das eher noch so per Handschlag?

„Bis jetzt war das alles per Handschlag, aber um die Bands und das Label zu schützen, werde ich in Zukunft wohl etwas formalere Verträge machen. Jetzt, wo wir zum ersten Mal überhaupt eine vernünftige Anzahl an Platten verkaufen.“

Du warst ja auch zusammen mit AMERICAN NIGHTMARE auf Europatour. Was für Erfahrungen hast du gemacht? Was ist in deinen Augen der Unterschied zwischen der US-Szene und dem europäischen Gegenstück?


„Die AN-Tour war großartig – wir hatten eine Menge Spaß und haben viele nette Leute getroffen. Von den insgesamt 24 Shows würde ich sagen, dass 16 richtig gut waren. Schweden, England, Holland und ein paar deutsche Shows stachen dabei wirklich heraus. Ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass zwischen der jeweiligen Szene dieser Länder ein großer Unterschied besteht. Abgesehen von der Tatsache, dass ihr euch hier wirklich um die Bands kümmert, d.h. ihnen Essen vor den Konzerten gebt und unheimlich weit für Konzerte fahrt. Ein Typ hat eine 15-stündige Fährfahrt von Finnland nach Schweden auf sich genommen, weil das Konzert am wenigsten weit von seiner Heimatstadt entfernt stattfand. Das war wirklich großartig.“

Wie lange willst du Bridge 9 überhaupt machen?

So lange, wie ich gute Platten herausbringen kann. Kein Label hält sich für immer, und viele übertreiben es, d.h. sie sind länger da, als man es sich wünschen würde. Hoffentlich kann ich so weiter machen, dass ich Platten von Bands, die mich begeistern, herausbringen kann, ohne dabei genau die Kompromisse eingehen zu müssen, die mich anfangs dazu gebracht haben, das Label zu gründen.“

Machst du neben Bridge 9 noch was anderes? Oder kannst du davon leben?

„Das Label ist ein Fulltime-Job, aber ich kann davon noch nicht wirklich leben. Ich wäre froh, wenn ich es in Zukunft schaffen würde, auch um mir selbst einen Gefallen zu tun. Ich wäre dann wohl wirklich einer der glücklichsten Menschen in der Welt. Im Moment ist es so, dass die Hand direkt zum Mund führt. Ich mache also eine ganze Menge, um irgendwie Geld zu verdienen und meine Bands zu unterstützen.“

Wenn du eine Sache nennen könntest, die heute falsch läuft, was wäre es?

„Oh, wo soll ich anfangen? Wenn ich mir die Hardcore-Szene angucke, würde ich mir wünschen, dass sich die Leute nicht ständig gegenseitig runter machen würden. Einige Leute in der Szene sind so kleinlich.“

Wie siehst du die Entwicklung von Hardcore? Eher positiv oder negativ?

„Ich glaube, dass die Hardcore-Szene durch einen typischen Zyklus schreitet; es gibt Höhen und es gibt Tiefen. Im Moment erscheint es mir, als wäre es eine gute Mischung.“

Du machst ja auch immer buntes Vinyl. Inwiefern ist das wichtig für Bridge 9?

„Die Leute mögen es, so etwas zu sammeln und es verleiht dem Label so eine gewisse persönliche Note. Ich persönlich mag es, Platten auf verschiedene Arten ‘sammelbar’ zu machen. Es ist sogar schon so, dass viele die Bridge 9-Veröffentlichungen sammeln wie alte Revelation-Platten, was für mich ein ziemlich großes Kompliment darstellt Ich selbst sammle nicht wirklich Platten, abgesehen von den befreundeten Bands und Labels. Eine Person, die sehr geholfen hat, dem Label eine Identität zu verschaffen, ist Linas Garsys. Linas ist ein Künstler aus der D.C.-Umgebung und hat eine Menge Illustrationen für Bridge 9 und die Bands wie etwa für AMERICAN NIGHTMARE und THE HOPE CONSPIRACY gemacht. Er ist unglaublich talentiert und steckt viele gute Ideen in die Gestaltung, weil ihm das Label selbst gefällt. Ich liebe seine Kunst und mache alles, um das zu unterstützen, was dann im Endeffekt alles ganz gut zusammenpasst.“

Wie bist du selbst zu der Musik gekommen? Gab es da ein „erstes Konzert“ oder eine „erste Platte“?

„Ich besuchte mein erstes Konzert im Sommer 1991. Ich weiß gar nicht mehr genau, was es war, aber es war ziemlich metalmäßig und riesige Typen haben da Kickboxen veranstaltet. Ich stand ganz nahe an einer Mauer in sicherem Abstand, um nichts abzukriegen, schließlich war ich gerade mal 15. Meiner erste Platte war wohl die MINOR THREAT-Diskographie oder irgendwas von den MISFITS.“

Wie beurteilst du Major-Label?

„Meiner Meinung nach haben Major-Labels keinen Platz in der Hardcore-Szene. Es macht überhaupt keinen Sinn, weil der Hardcore-Markt nicht groß genug ist, um die Vorstellungen der Majors zu erfüllen. Ich habe viel zu viele Beispiele erlebt, wo Bands zu Majors gingen und dann weniger Platten verkauft haben, als zu ihren Zeiten auf unabhängigen Labels.“

Es sieht so aus, als ob viele einen enormen Wert auf Mode legen, besonders unter den Straight Edgern...

„Ja, das sehe ich auch so – schicke Klamotten und ausgefallene Haarschnitte, haha. Wie auch immer, ich bin ein typischer Jeans- und T-Shirt-Mensch. Es ist fast wie ein Witz, wenn du meinen Kleiderschrank aufmachst: Über 50 schwarze T-Shirts in einer Reihe.“

Straight Edge – was sollte es sein und was nicht?

„Es ist eine persönliche Entscheidung, keine Drogen und Alkohol zu konsumieren. Meine Interpretation ist die einer lebenslangen Verpflichtung. Es sollte eine Art des Lebens sein, die sauber und produktiv ist. Und es sollte nicht dafür da sein, über andere zu urteilen.“

Die erste AMERICAN NIGHTMARE-Single habt ihr in drei verschiedenen Farben gepresst: Rot, weiß und blau. Das sind die amerikanischen Farben...

„Das hatte nur mit dem Bandnamen selbst zu tun. Da waren keine richtigen Ideen dahinter, es ist einfach eine gute Farbkombination. Wir haben das Gleiche mit der zweiten Single gemacht, nur dass das Vinyl schwarz war und die Labels rot, weiß oder blau waren.“

Wer ist die beste neue Band?

„Uff, das ist schwer zu beantworten. Da sind tausend gute neue Bands. Ich würde denken, dass jede Band, mit der ich zusammen arbeite, das Zeug dazu hat, die Leute für Hardcore zu begeistern.“

Warum trägt das Label den Namen Bridge 9?

„Ich nahm korrekterweise an, dass der Name ‘Bridge’ schon vergeben war, und so habe ich einfach meine Glückszahl hinzugefügt. Eine Brücke vereinigt zwei voneinander getrennte Plätze und das ist so eine Art Metapher für das, was ich mit dem Label erreichen will.“

Was sind das für Leute, die Bridge 9-Veröffentlichungen kaufen?

„Hardcore-Kids, die mit dem Herz bei der Sache sind. Langsam fangen die Leute an, das Feeling des Labels zu verstehen – die Bands sind unterschiedlich, aber durch Hardcore gehören sie zusammen. Man würdigt die Arbeit, die in dem Label steckt und will helfen, weil einem die Bands gefallen. Obwohl meine Vertriebssituation besser geworden ist, müssen Kids, besonders in Europa, nach meinen Veröffentlichungen suchen.“

Noch ein paar letzte Worte?

„Schaut mal auf unsere Website, um alles über die anstehenden Veröffentlichungen zu erfahren. Wir haben u.a. neue Platten von KILL YOUR IDOLS, STRIKING DISTANCE, CHAMPION, PANIC und STOP AND THINK in Planung.“