BRETT GUREWITZ / BAD RELIGION

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The Legendary Starbolt

Brett Gurewitz, Jahrgang 1962, war 1979 Mitgründer von BAD RELIGION, ist bis heute deren Gitarrist (wenn auch selten mit auf Tour) und einer ihrer Songwriter. Mit geliehenen 1.000 Dollar von seinem Vater finanzierte er 1982 die Veröffentlichung des Debütalbums „How Could Hell Be Any Worse?“, und damit war auch der Grundstein von Epitaph Records gelegt, des Labels, dessen Boss Gurewitz bis heute ist. Aber Gurewitz ist nicht nur erfolgreicher Geschäftsmann und Musiker, er ist auch Produzent und Tontechniker, machte sich vor allem in den späten Achtzigern und die Neunziger hindurch einen Namen mit seiner Arbeit im legendären Studio Westbeach Recorders, wo er den Sound von Bands wie RANCID, NOFX, NO USE FOR A NAME, DOWN BY LAW oder PENNYWISE prägte. Und nicht zu vergessen BAD RELIGION, deren ’88er Album „Suffer“ er seinerzeit ein Soundgewand verpasste, das einen neuen Standard definierte. Nie zuvor hatte eine jener melodiösen, schnellen kalifornischen Bands tighter geklungen, keine Band war stilprägender, niemand konnte sich Ende der Achtziger dieser Band und ihrer mitreißenden Hymnen entziehen. Ich nahm das neue BAD RELIGION-Album zum Anlass, Gurewitz zu den Hintergründen von „Suffer“ und zu seiner Arbeit als Produzent zu befragen. Das Westbeach Recorders-Studio existiert übrigens bis heute und wird – ohne Gurewitz – betrieben von Donnell Cameron und dessen Sohn.

Brett, wie würdest du deinen Einfluss auf den Sound von BAD RELIGION beschreiben?

Ich habe von Anfang an in der Band die Rolle des Produzenten gespielt, und mal ist das auch anhand meiner Produzenten-Credits auf den Alben dokumentiert, mal steht da mein Pseudonym „The Legendary Starbolt“ oder ich bin nur als Co-Producer aufgeführt. Ich war bekanntlich in den Achtzigern mal für rund zwei Jahre nicht in der Band, Ende der Neunziger dann auch eine Weile nicht, in der Zeit arbeitete ich mehrere Jahre als Produzent. Insgesamt habe ich zu Beginn sicher über 10.000 Stunden hinter einem Mischpult gesessen, teilweise 100 Stunden pro Woche. Das war von 1985 bis 1988, und das kulminierte dann in Form von „Suffer“. Am Ende jener Phase war ich dann wieder Teil der Band, mit meinen neu erlernten Fähigkeiten in Sachen Aufnahme und Mix. Diese Erfahrung führte letztlich zum Sound von „Suffer“, und ich hatte gar nicht mal viel mit Punkbands gearbeitet, sondern auch Rock, Funk, Country, Pop und Art Rock. Ich lernte damals die Kunst des Aufnehmens. Und als ich dann wieder in der Band war und es ans Einspielen eines neuen Albums ging, wendete ich diese Kenntnisse darauf an. Die Aufnahmen und der Mix von „Suffer“ gingen damals zwar in nur acht Tagen über die Bühne, aber ich bin dennoch stolz darauf, wie die Platte klingt. Es ist ein Sound, der ein Genre definierte, und der Sound des Albums hält heute noch dem Vergleich mit aktuellen Produktionen stand. Und das Album hatte den Effekt, dass es andere Bands dazu brachte, in meinem Studio aufnehmen zu wollen.

„Recorded by Brett Gurewitz at Westbeach Recorders“ wurde zum Markenzeichen.

Ja, doch damals war das ein ganz gewöhnliches Studio, da konnte man für 15 Dollar die Stunde aufnehmen. Und das machten auch all die Bands, die dann wiederum diesen typischen Southern California Punk Sound prägten.

Was macht den aus?

Es war ein schnörkelloser, geradliniger Sound, sehr trocken und ehrlich, ohne Hall, ohne Flanging und ohne Phasing, ohne irgendwelche angesagten oberflächlichen Effekte. Und er war sehr ausgewogen und gut aufgenommen, mit ganz normalen Rock-Instrumenten. Ich liebe wirklich gut aufgenommene Platten, und deshalb legte ich auch großen Wert auf perfekt aufgenommenen Gesang und Schlagzeug. Die Details, die Technik, das Handwerk sind mir sehr wichtig. Und ja, ich bin stolz darauf, gute Aufnahmen haben mich schon immer fasziniert.

Kannst du Beispiele dafür nennen?

Zum Beispiel „Rumours“ von FLEETWOOD MAC, oder „Dark Side Of The Moon“ von PINK FLOYD, eine der großartigsten Aufnahmen aller Zeiten. Natürlich „Pet Sounds“ von den BEACH BOYS. „Highway To Hell“ von AC/DC. Und „Leave Home“ von den RAMONES, dessen Sound ich hoffte, mit „Suffer“ erreichen zu können. Das war für mich damals das Ideal einer gut klingenden Punk-Platte.

„Suffer“ machte auch deshalb so großen Eindruck, weil man bis dato Punk-Platten mit einem solchen Sound nicht kannte. Für wenig Geld schnell aufgenommene Platten, die zwar oft die Energie und die Aggression einer Band vermitteln konnten, aber handwerklich nicht besonders gelungen waren, das war der Standard.

Ja, kalifornischer Hardcore wurde bis dahin nicht gut aufgenommen, und das trifft auch auf unsere 7“s und „How Could Hell Be Any Worse?“ zu. Demgegenüber empfand ich die eben erwähnten Rock-Alben als nackt und ehrlich, die sind nicht überproduziert. Wenn ich von meiner Vorliebe für gute Aufnahmen spreche, dann meine ich das im Sinne von guten Fotoaufnahmen. Eine Band muss nicht beschissen klingen, um ihre Energie rüberzubringen, man muss nur aufpassen, dass man ihre Energie nicht unter einem Schleier oberflächlicher Effekte versteckt. Wenn man es schafft, das Auftreten einer Band zu erfassen, dann entspricht das einer exzellenten, scharfen Fotografie – und du schaffst es noch besser, die Energie der Band zu vermitteln.

Was braucht es, damit ein Produzent versteht, wie eine perfekte Punk-Platte zu klingen hat? Ein teures Studio bedeutet nicht, dass ein Album gut klingt.

Du musst wissen, wie die Instrumente wirklich klingen. Die Gitarre muss perfekt sein, und der Gesang muss im Raum stehen, als ob da keine Lautsprecher wären.

Dennoch gibt es auch den Mythos, dass Punkbands billig und minimalistisch klingen müssen – gerade aus dem Bereich des Garage-Punk gibt es da reichlich Beispiele.

Es ist auf jeden Fall ein Mythos, dass die Produktion nicht wichtig ist und simpel sein muss. Aber die Performance muss direkt und rücksichtslos sein und die Band muss leidenschaftlich und enthusiastisch zur Sache gehen. Die Aufnahme muss dann dem Auftreten der Band angemessen sein, das wird ihr eher gerecht. Das zumindest war die Grundlage meiner Arbeit, als ich noch als Studiobetreiber aktiv war. Heute, da ich vor allem als Betreiber eines Plattenlabels arbeite, höre ich die verschiedensten Arten von Musik, auch solche, die damals, Ende der Achtziger, noch gar nicht existierte. Eben noch habe ich mir eine Band namens SLEIGH BELLS angehört, und die machen Songs, die sich richtig kaputt anhören, aber das ist Teil ihres Stils und das mag ich. Genauso mag ich die französische Band JUSTICE, die auch sehr kaputt klingt, was auch ihren Reiz ausmacht. Bei solchen Aufnahmen muss man aber auch mit solchen Stilelementen arbeiten, denn dahinter steckt keine wirkliche menschliche Performance. Jede Kunst hat ihren Wert, ich bin auch nicht voreingenommen, aber ich stehe eben auf saubere, genaue Aufnahmen, das macht mich an. Ich will jedes Detail hören können, will die Musik ganz unmittelbar erfassen können, will das Gefühl haben, die Band stünde in meinem Wohnzimmer. Das liebte ich schon als Kind, wenn ich meine David Bowie-, Alice Cooper und AC/DC-Platten hörte. Die hatten perfekte Mixe, da hatte man den Eindruck, man könne den Gitarristen anfassen. Ich verliebte mich in sie, obwohl ich nicht mal wusste, in was ich mich da verliebte. Als ich erstmals so ein riesiges Mischpult mit unzähligen Knöpfen vor mir hatte, da wusste ich, dass ich selbst diese Kunst erlernen muss, das übte eine geradezu magische Anziehungskraft auf mich aus. Ich konnte mir nichts Cooleres vorstellen. Ich wusste, dass ich es nie schaffen würde, Astronaut zu werden, aber Toningenieur, das lag im Bereich des Möglichen.

Und wie empfindest du als Klangbegeisterter in Zeiten, da Musik als extrem reduzierte mp3-Datei oder gar nur als Stream von vielen musikbegeisterten Menschen nur noch in einer verkrüppelten Version konsumiert wird? In den Achtzigern war es für einen Teenager das Größte, eine gute Stereoanlage zu besitzen, die auch mal locker 1.000 Euro oder mehr kosten durfte. Heute dagegen muss ein Computer mit Boxen für 100 Euro ausreichen.

Das ist total deprimierend! Die HiFi-Anlagen waren Ende der Siebziger am Gipfel ihrer Entwicklung angelangt und haben sich seitdem immer weiter zurückentwickelt. Heutzutage scheinen sich viele Leute auch gar nicht mehr dafür zu interessieren, überhaupt noch eine Stereoanlage zu besitzen! Da hat man ein beschissenes 7.1-Home-Cinema-Teil mit irgendwelchen Prozessoren im Wohnzimmer rumstehen, das an den Fernseher angeschlossen ist, und das reicht. Nur: Wozu eine Platte über sieben Lautsprecher anhören, wenn die doch nur mit zwei Lautsprechern abgemischt wurde? Man hat ja auch nur zwei Ohren. Und eine Stereoanlage hat keiner mehr, der Computer muss ausreichen. Ich verstehe das nicht, das ist verrückt: Da entwickelt sich die Technik in allen Bereichen weiter, nur im Bereich HiFi wird das Niveau immer schlechter. Das macht mich echt traurig. Aber egal, ich bin gerade umgezogen, und für mein neues Haus kaufe ich mir jetzt bei eBay wieder die Stereoanlage zusammen, die ich in den Siebzigern besaß: Kenwood, Pioneer und so weiter, alles total billig zu bekommen. Klar, es gibt auch heute noch gute Komponenten zu kaufen, aber für mich klingen diese teuren Teile von McIntosh dennoch nicht so gut wie das, was ich in den Siebzigern hatte.

Was davon ist Nostalgie, was real?

Nein, meine Beobachtung stimmt, ich habe mich da mit aufs Mastering spezialisierten Toningenieuren unterhalten, und die stehen auch auf den Scheiß aus den Siebzigern – der klang einfach besser.

Und was hat diese Erkenntnis für Auswirkungen auf deine Arbeit als Boss eines Plattenlabels?

Oberste Prämisse von Epitaph ist es, ein Label zu sein, das für seine Künstler da ist. Wenn eine Band, die ich unter Vertrag habe, mit so einem beschissenen Auto-Tune-Effekt auf dem Gesang arbeiten will, wenn sie Schlagzeug-Samples einsetzen will, wenn sie alles digital komprimiert haben will, okay. Wenn das der Sound ist, den sie haben wollen – und wenn sie unter 20 sind, dann ist das wohl der Sound, den sie tatsächlich mögen –, dann bin ich nicht in der Position, ihnen vorzuschreiben, dass sie den nicht bekommen. Ich lasse sie dann die Platte machen, die sie machen wollen. Es ist eben so, dass die Ohren vieler junger Musikfans auf einen solchen Sound eingestellt sind. Und ja, das ist traurig. Aber so was ist ja keine neue Erfahrung. Erinnere dich an die Achtziger, als sich die Drum-Machine immer mehr durchsetzte, da klang die bei Bands wie SISTERS OF MERCY, THOMPSON TWINS oder HUMAN LEAGUE so mächtig und futuristisch. Doch hört man sich diese Platten heute an, klingen die oft so, als sei da was schiefgegangen, die konnten ihr Level nicht halten. Und Auto-Tune wird das gleiche Schicksal erleiden, die Leute werden erkennen, dass diese Technik völlig inflationär eingesetzt wurde. Das ist heute total angesagt, aber die Alben, auf denen das prägnant zum Einsatz kommt, werden sich schon bald lustig anhören und man wird sich fragen, warum man das gemacht hat.

Von Auto-Tune werden aber nicht nur junge Bands infiziert, auch „Life And Times“ vom alten HÜSKER DÜ-Recken Bob Mould, das im Frühjahr 2009 auf dem Epitaph-Sublabel Anti- erschien, war davon infiziert.

Ja, und weißt du warum? Weil Bob Mould sonst Techno hört. Ich höre auch manchmal Techno, aber ich achte darauf, dass das nicht meine Musik beeinflusst.

Nachdem du eben die Achtziger erwähnt hast, sprechen wir doch noch einmal über „Suffer“. Auch ein Produkt der Achtziger, doch klingt dieses Album nicht altmodisch, sondern immer noch frisch.

Das liegt daran, dass es einfach eine gute Aufnahme ist, gemacht mit guter Ausrüstung auf einer gut eingestellten 2“-Bandmaschine, guten Mikros, vernünftiger Kompression und Limitern. Ich bin stolz darauf, und es ist schade, dass es heute sehr schwer ist, noch solche Aufnahmen zu machen. Wer hat noch so eine Bandmaschine? Digitale Aufnahmen können so gut klingen wie solche auf Tonband, aber dazu muss der Toningenieur sein Handwerk beherrschen. Und wirklich besser als Tonband kann digital kaum klingen. Es gibt einen gewissen Standard, den man erreichen kann, aber den zu übertreffen, das ist extrem schwer. Es gab da mal diese Band WAR, und einige von deren Aufnahmen sind so perfekt, die kann man nicht übertreffen. Vergleicht man die mit vielen von heute, hat sich da allerhand zurückentwickelt.

Diese Rolle spielt „Suffer“ bis heute. Damit wurde ein neuer Standard gesetzt, den viele Bands in den Neunzigern zu erreichen versuchten. Andere Bands auf Epitaph schlugen diese Richtung ein, Fat Wreck signte ähnliche Bands, in Europa war es Burning Heart.

Ja, das stimmt, ich wendete diesen Sound beispielsweise auf die frühen NOFX-Platten an, auf PENNYWISE, auf NO USE FOR A NAME – und auf BAD RELIGION. Anfang der Neunziger, nach „Recipe For Hate“ und „Generator“, arbeitete ich dann weniger als Produzent, denn ich musste mich mehr um Epitaph kümmern. Ich hatte außer BAD RELIGION noch fünf, sechs andere Bands auf dem Label, die alle ein neues Album rausbringen wollten, also musste ich mich weitgehend davon verabschieden, andere Bands außer meiner eigenen zu produzieren.

Und wie würdest du deine Rolle in BAD RELIGION beschreiben?

Ich schreibe einen Teil der Songs und Texte, was wenig bekannt ist, aber vor allem beschäftige ich mich damit, wie die Band klingen soll. Meine Aufgabe bei Epitaph ist es aber auch, anderen Bands dabei zu helfen, die Songs auszuwählen, die auf das Album kommen, ja, ganz allgemein den Sound des Albums zu definieren, den Vibe. Das hat mich schon immer interessiert, und diese Rolle übernehme ich auch in meiner Band. Zwischendurch, Mitte, Ende der Neunziger, gab es ja eine Phase, in der ich nicht Teil der Band war, und ich finde, die Platten aus jener Zeit ...

... du redest von „The Gray Race“, „No Substance“ und „The New America“ ...

... klingen nicht so richtig wie BAD RELIGION. Nicht unbedingt, weil mein Input als Songwriter fehlt, sondern weil ich als Produzent und A&R-Mann nicht beteiligt war. Es ist einfach so, dass die anderen sich auf mich verlassen, was den Sound der Band anbelangt. Greg Graffin versuchte in der Zeit meiner Abwesenheit diesen Input von Ric Ocasek oder Todd Rundgren zu bekommen, aber diese Jungs verstanden BAD RELIGION eben nicht in dem Maße wie ich. „The Gray Race“ ist ein gutes Album, die beiden anderen klingen aber eher weniger nach BAD RELIGION.

Und was ist mit dem neuen Album? Da listet der Wikipedia-Eintrag nur Joe Barresi als Produzenten.

Nein, er war Co-Produzent. Ich war der Produzent, Joe half mir. Es war eine gute Zusammenarbeit. Sein Part war mehr die technische Seite der Produktion, und ich kümmerte mich mehr um das Arrangement der Songs, versuchte eine Vision des Albums zu entwickeln, denn ich bin aus der Technik leider etwas raus, da ich seit Jahren nicht mehr klassisch als Toningenieur gearbeitet habe. Klar, ich kann mit Pro Tools umgehen, aber ich habe einfach keine Zeit mehr, selbst aufzunehmen. Mein Job ist heute der des Geschäftsführers eines Musikunternehmens. Ich komme um neun zur Arbeit, klappe mein Notebook auf und mache meine Arbeit. Ich trage zwar kein zugeknöpftes Hemd und Krawatte, aber eigentlich bin ich ein ganz normaler Geschäftsmann, der weltweit 75 Angestellte hat, drei Labels betreibt und rund 50 Platten im Jahr herausbringt. Dass ich mich überhaupt noch um meine Band kümmern kann, ist für mich wirklich ein Wunder, aber ich liebe es, und ich gehe da sehr leidenschaftlich vor.

Welche Bands sind es aktuell, die dich begeistern?

OFF WITH THEIR HEADS zum Beispiel. Die habe ich kürzlich erst unter Vertrag genommen, ihr neues Album ist gerade erschienen. Und SOCIAL DISTORTION, meine alten Freunde, bringen im November ihr neues Album bei uns raus, und dann ist da diese englische Band, die in Europa auf Visible Noise ist, in den USA aber auf Epitaph, und von der ich glaube, dass die richtig abgehen werden: BRING ME THE HORIZON. Ich weiß, viele Leute hassen Kids, die solche Musik machen, aber die rocken richtig hart und sind extrem aggressiv. Das neue Album ist wirklich ein Schritt in eine neue Richtung. Die haben als Ausgangspunkt diese Post-Hardcore-Screamo-Breakdown-Musik und verbinden sie mit an Filmmusik erinnernder Ambient-Elektronik, und das finde ich höchst innovativ. Das Album ist wirklich ein frischer, neuer Sound.

Ist es wichtig, musikalisch für Neues offen zu bleiben?

Ich finde es in jeglicher Hinsicht wichtig zu wachsen. Wenn Musik etwas ist, für das du große Leidenschaft empfindest, ist es sehr wichtig, nicht in die Falle zu tappen, nur Musik aus deiner Jugend gut zu finden. Es ist gut, dieser treu zu bleiben, aber es kommt immer neue Musik dazu, die zu entdecken sich lohnt, und so viele Leute vergessen das. Ich versuche immer, weiter dazuzulernen, Bücher zu lesen, neue Sportarten auszuprobieren, ein neues Hobby, mich einfach anzustrengen und zu wachsen. Ganz besonders wichtig ist das bei Musik, denn das ist mein Beruf – als Mitglied einer Band wiederum muss ich das nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Musiker sich nicht für neue Bands interessieren wollen, weil sie die als Konkurrenz empfinden. Meine Band existiert seit 30 Jahren, da müsste ich mich nicht für neue Bands interessieren, aber in meinem Job als Besitzer eines Labels, da muss ich das tun. Da wäre eine Attitüde à la „You kids nowadays, you don’t know how to rock, fuck you, this is not music!“ völlig fehl am Platze, und außerdem waren das die Sprüche, die ich mir als Jugendlicher wegen meiner Band anhören musste. Und so weiß ich zwar, dass ich mit so einer Aussage in neun von zehn Fällen richtig liegen würde, aber die eine Band, bei der ich falsch liege, das wäre das nächste große Ding. Damit wäre ich dann zu so einem Typen geworden, wie ich sie früher hasste. Und wir mussten uns von den allerersten Punkbands auch sagen lassen, dass wir und die anderen melodiöseren Punkbands totale Scheiße seien. Und dann hieß „Fuck this new school Epitaph shit, this isn’t punk!“, und das war nicht schön, sich das anhören zu müssen. Rock’n’Roll ist aber was für junge Menschen, und wenn man ein paar Jahre dabei ist, sollte man es schaffen, sein Ego zu überwinden, den Kids Platz zu machen und Respekt zu zollen. Dann macht es dir selbst auch mehr Spaß.

Und da schließt sich der Kreis, denn das gilt auch für ein Punkrock-Magazin. Vielen Dank für das Interview.