Es gibt Bands, die begleiten einen schon ein halbes Leben. Mit denen war man zusammen jung, mit denen ist man älter geworden – und man ist sich gegenseitig treu geblieben. Dazu bedarf es einer Band, die sich nur maßvoll verändert hat, und eines Fans, der seine musikalischen Vorlieben auch nicht wechselt wie seine Unterwäsche. 1988 erschien „Wir Kinder aus Bullerbü“, bald darauf sah ich in Donauwörth in einem kleinen Jugendzentrum mein erstes BOXHAMSTERS-Konzert, man lernte sich kennen, es entstand eine Freundschaft, und seither habe ich die Gießener Dutzende Male live gesehen, sie spielten auf jedem Ox-Jubiläumsfestival. Was mich an der Band, an der Musik von Co (Gesang, Gitarre), Niels (Gitarre), Philipp (Bass) und Ulf (trommelt), an Cos Texten bis heute begeistert? Die „Boxies“ sind einzigartig: Ihre Musik eine entfernte Erinnerung an HÜSKER DÜ, E.L.O. und THE WHO und zig andere Helden, deren Einfluss man nicht unbedingt rational nachvollziehen kann, die Worte dazu von einer ganz eigenen sprachlichen Finesse, die so manch andere auf Deutsch singende spätere Band maßgeblich beeinflusst hat. Fünf Jahre nach „Demut und Elite“ erscheint dieser Tage nun „Brut Imperial“, ein durchaus „anderes“ Album, dessen Entstehung ebenfalls wieder von Olaf Opal begleitet wurde. Ich blickte mit Co zurück und sprach über heute und alles dazwischen.
Co, feiern die BOXHAMSTERS nicht bald ihr 25-Jähriges ...?
Noch nicht, aber es rückt näher. Vor 25 Jahren haben Niels und ich Abi gemacht – und wir waren neulich auch auf dem Abitreffen. Da hat der Schuldirektor eine Laudatio gehalten und darin zwei berühmte Absolventen jenes Jahrgangs erwähnt – Niels Rohrbach und Martin Coburger. Die hätten es neben den ehemaligen Ministerpräsidenten Hans-Joachim Vogel und Bernhard Vogel geschafft, dieser Schule zu einer gewissen Berühmtheit zu verhelfen. Das ganze Auditorium drehte sich nach hinten um, wo Niels mit hochrotem Kopf saß, hahaha.
Nach dem Abi dauerte es aber noch ein paar Jahre bis zur Gründung der Band.
Abi ’84, BOXHAMSTERS ’87 – da hießen wir aber noch nicht so. Eigentlich wollten wir zum 20. Geburtstag auch ein großes Konzert veranstalten, mit TOMTE und so, aber irgendwie war uns das zu viel Aufwand. Wir sind keine „Jubiläumsmenschen“. Eine Single mit drei Coversongs hätte es 2007 geben sollen, die aber auch nichts mit dem Jubiläum zu tun hatte. Die Aufnahmen gefielen uns aber letztlich nicht so gut, und so wurde sie nicht veröffentlicht. Ursprünglich war das ein Projekt von DIE BÖSE HAND, also von mir und Martin von EA80, wir wollten schon seit zehn Jahren eine alte elektronische Platte von 1969 von THE WHITE NOISE covern. Unsere Version war aber zu brav und der Typ spielte 2007 plötzlich wieder Konzerte, und da das vielleicht Ärger gegeben hätte, wurde das erstmal abgesagt.
Du erwähntest eben TOMTE. Nun sind die BOXHAMSTERS eine Band, die ihrer Zeit Ende der Achtziger weit voraus war: Ihr wart Punkrock, aber trotz deutscher Texte nicht Deutschpunk, habt irgendwas erfunden, das später von Bands wie TOMTE, TOCOTRONIC und Co. sehr erfolgreich aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Haben da die „Nachmacher“ das Original überholt oder wo stehen die BOXHAMSTERS heute?
Also „Nachmacher“ kenne ich keine, sprechen wir doch lieber von „ehemaligen Fans“. Marcus Wiebusch hat mir mal erzählt, dass sich ...BUT ALIVE? einst gründeten, um so was zu machen wie die späten SLIME, also nach der Reunion, und die BOXHAMSTERS. Ich habe auch mal gehört, dass SLIME nach ihrer Reformierung so was in Richtung BOXHAMSTERS machen wollten. Und Anfang der Neunziger saß auch mal ein total aufgeregter Thees Uhlmann bei uns im Bandbus und versuchte, ein Interview mit uns zu machen. Wir haben also wohl eine gewisse Vorbildfunktion gehabt, und das finde ich schön. Wobei es immer eher darum ging, so was „in der Art von BOXHAMSTERS“ zu machen, denn die genannten Bands waren und sind letztlich doch ganz anders.
Was ist „in der Art von BOXHAMSTERS“, was ist das Beispielhafte, das Inspirierende?
Ganz vereinfacht gesagt: Keine doofen Texte. Texte, die schön zu lesen und anzuhören sind. Dazu angenehme Musik, was nicht unbedingt mit Wohlklang gleichzusetzen ist – angenehm kann auch mal schön schief sein. Ich könnte jetzt andere Bands aufzählen, bei denen man klar hört, dass sie wie DACKELBLUT oder EA80 klingen wollen, also richtige Plagiate, doch ich kenne keine Band, die exakt wie die BOXHAMSTERS klingt. Einer von TOMTE hat mir mal gestanden, dass auf der ersten Single ganze Zeilen von uns geklaut wären, aber das finde ich eher charmant. Und dass Bands, die von uns inspiriert wurden, heute viel bekannter sind, das stört uns nicht. Da ist kein „Ach, hätten wir doch ...“-Gefühl dabei, denn was die machen, das möchte ich so nicht machen.
Was machst du stattdessen?
Ich bin Hausmann.
Ich meinte musikalisch, künstlerisch ...
Na, ich bin froh, keinen Druck zu haben, und dass hinter mir keine Plattenfirma her ist, die fordert „Jungs, da müssen wir nächstes Jahr noch ’ne neue Scheibe hinterher schieben.“ Wir haben uns in den letzten Jahren so einen Vier-Jahres-Rhythmus angewöhnt, und diesmal hat es sogar fünf Jahre gedauert. Wenn du Mitte 40 bist, hast du einfach kein Interesse daran, gegenüber irgendwem verpflichtet zu sein, eine Platte herausbringen zu müssen. Und mir ist ganz wichtig, dass ich mich von nichts beeinflussen lasse. Wenn wir wissen, wir gehen ins Studio, um eine neue Platte aufzunehmen, höre ich restlos auf, Musik zu hören – schon gar nicht welche mit deutschen Texten.
Ach ja? Peter Hein von FEHLFARBEN kokettiert ja auch gerne damit, dass er ja keine aktuelle Musik mehr höre, und bohrt man dann über Umwege herum, merkt man, dass er doch sehr genau weiß, was Sache ist.
Da kann ich ehrlich sagen, dass das bei mir nicht der Fall ist. Die letzte Platte mit deutschen Texten, die ich bewusst angehört habe, war vor eineinhalb Jahren „Reise“ von EA80. Da mein Plattenspieler in meinem Arbeitszimmer und nicht in der Wohnung steht, komme ich auch kaum zum Musikhören. Ich höre schon noch Musik, aber eben nicht mehr so oft. Zudem bin ich Vater einer zehnjährigen Tochter, und so hören wir deren Musik. Und sie hört eben gerne Klassik, meist in der Küche. Oder JULI und James Blunt – wobei mir Philipp eigentlich verboten hat, das zu erzählen, denn das sei peinlich, haha. Fürs Auto haben wir uns aber auf ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA geeinigt.
Kommen wir noch mal zurück auf die Anfänge der BOXHAMSTERS: Was habt ihr damals anders gemacht, was war so neu, dass auch heute noch Bands daran anknüpfen?
Mitte/Ende der Achtziger gab es in Deutschland im Punk-Bereich nur eine wirkliche Ausnahmeband, und das waren EA80. Ansonsten gab es diesen Polit-Anarcho-Punk oder den weit verbreiteten Funpunk mit den allerblödesten Sauf- und Gröltexten. Nun war meine Lieblingsplatte damals schon „Monarchie und Alltag“ von FEHLFARBEN, und so kamen wir auf die Idee, einfach mal so was zu probieren. Die meisten anderen Bands sangen damals ja auch englisch – und wenn deutsch, dann eben total politisch oder eben erwähnte Sauftexte. Wir haben also auch nichts neu erfunden. Ich habe auch schon gehört, wir hätten das von Bernd Begemann, aber den kannte ich damals gar nicht. Im Punk-Bereich haben wir damals angefangen, Texte zu machen, die etwas fröhlicher und erfrischender waren als die von EA80, unsere Musik war auch eher poppig als traurig, und das hat etwas frischen Wind gebracht.
Damals warst du Anfang 20, heute bist du Mitte 40 – schreibt man da nicht seine Texte anders, oder hast du dich in der Hinsicht nicht verändert?
Als „Wir Kinder aus Bullerbü“ rauskam, war ich ja auch schon beinahe Mitte 20. Damals wollte ich unbedingt erwachsen sein, denn es gab so viele Bands, deren Texte ich so peinlich fand, dass ich mir dachte, dass die das in fünf Jahren nicht mehr singen können. Und so war es dann auch oft: Viele haben ihre musikalische Härte verloren, die wurden dann als Verräter beschimpft, von den Texten ganz zu schweigen. Und so nahm ich mir damals vor, nur Texte zu schreiben, die ich auch in zehn Jahren noch singen kann. Mir war klar, dass ich zu allem, was ich damals von mir gab, auch in zehn Jahren noch stehen kann. Ich wollte ganz bewusst erwachsen sein! Heute gibt es kein einziges BOXHAMSTERS-Lied, das ich nicht unterschreiben kann – obwohl, vielleicht, bei „Konflikt“ vom 93er Album, da würde ich heute ein paar Zeilen anders schreiben. Abgesehen davon, stehe ich auch noch zu „Unfallflucht“. Heute ist es so, dass man eher zurückdenkt, und andere Texte haben einen kindlichen Einfluss, weil meine Tochter daran beteiligt war, etwa „Ich lieb dich bis zum Pluto und noch weiter“. So was zu verarbeiten, macht total Spaß. Und so sind manche Texte heute lustiger, als es zu Beginn möglich gewesen wäre, als wir unbedingt vermeiden wollten, Fun-Texte zu machen. Und so kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass ich mich nicht von anderen Bands habe beeinflussen lassen – ich verweigere mich immer noch anderer deutschsprachiger Musik und gegenüber Punk-Musik im Allgemeinen. Damit meine ich keine böswillige Verweigerung, sondern es kommt mir einfach zu den Ohren raus. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ihr das in der Ox-Redaktion aushaltet, den ganzen Tag solche Musik zu hören, hahaha. Dafür bin ich einfach zu alt.
Aber irgendwie ist das ja schizophren: Mit jeder Platte, mit jedem Konzert bewegt ihr euch doch wieder in der Punk-Szene. Und spielt man eure Musik einem Außenstehenden vor, wird der das als Punk identifizieren.
Ja, aber wir können doch gar nichts anderes, was sollen wir denn sonst machen? Ich zwinge mich hin und wieder, die Ideen, die ich auf mein Diktiergerät aufgesungen habe, mit der Gitarre oder am Klavier umzusetzen, wenn eine neue Platte ansteht. Woher das kommt? Das liegt an meiner Familie, wir sind alle älter geworden. Vor fünf Jahren sind wir in das Haus meines Opas gezogen, als der gestorben ist. Davor bin ich 1998 zuletzt innerhalb von Gießen umgezogen, und da war die klare Voraussetzung, dass es nicht weit von der Punk-Kneipe Sowieso entfernt sein darf. Kaum haben wir da gewohnt, habe ich aufgehört wegzugehen, höchstens noch zweimal im Monat – und dann auch nicht mehr ins Sowieso, wo immer nur Punkrock gehört wurde, sondern in die Lehrerkneipe, wo CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL lief, was ich auch ganz gut fand. Und selbst das habe ich irgendwann nicht mehr geschafft, und so leben wir jetzt idyllisch außerhalb von Gießen am Waldrand. Irgendwann wirst du halt Familienmensch. Perfekt auf den Punkt gebracht hat das neulich der Bruder meiner Frau, als er zu Besuch war. Der sagte, bei uns in der Straße sehe es aus wie auf dem Cover von „Suffer“ von BAD RELIGION. Und da musste ich zugeben, dass mir kurz zuvor genau dieser Gedanke durch den Kopf gegangen war: Die Haustüren standen offen, die Kinder spielten auf der Straße, hier und da stand ein Vater vor der Tür zum Rauchen, weil drinnen darf man ja nicht. Und das erinnerte mich auch an diese Bausparkassenwerbung mit dem Vater und seiner Tochter auf dem Bauwagenplatz, wo die Kleine sagt „Papa, wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden“. Genau so ist meine Tochter – der hat es nicht gepasst, wenn ich sie mit kaputten Hosen von der Schule abgeholt habe, also lasse ich das mittlerweile. Und neulich sagte sie zu mir, als ich mein altes „Ren & Stimpy“-Shirt anhatte: „Papa, wie kannst du nur so was anziehen?“ So weit ist es gekommen ...
Nun gibt es aber Leute, die irgendwann in ihrem Leben den kompletten Bruch vollziehen und mit Punk und ihrer Jugend abschließen, die Plattensammlung verkaufen. Einmal im Jahr geht man dann doch mit den Jungs auf ein großes Festival und das war’s. Dir hingegen scheint die ganze Sache doch noch wichtig zu sein, denn ihr habt eine neue Platte gemacht und spielt ab dem Herbst 2009 auch wieder vermehrt Konzerte.
Im Falle der neuen Platte war das ganz klar Ehrgeiz: Ich wollte noch mal ’ne richtig gute BOXHAMSTERS-Platte machen. Und so habe ich alle meine Ideen zusammengeworfen, mit dem Ziel, eine möglichst schöne, spannende, interessante und abwechslungsreiche Platte zu machen. Ich wollte keinen „Durchläufer“ machen, wo die Leute sagen, der sei ja ganz nett, aber das ist es dann auch. Und als wir dann im Studio waren und loslegten, meinte unser Produzent Olaf Opal, bei meinen Songs seien ja ein paar ganz schöne Knaller dabei. Und als Martin Kircher neulich jemand anderem gegenüber sagte, die eine Hälfte sei normal super, die andere aber seien Granaten, ging das runter wie Öl. Ein Lob von höchster Stelle, hahaha.
Wie schreibst du Lieder?
Meist ist eine Textidee da, und dann schöpfe ich aus den Sachen auf meinem Diktiergerät. Und bei einem Lied wie „1982“, dem ersten auf der Platte, kann man auch ganz klar hören, dass ich letztes Jahr „Control“ gesehen habe. Nach dem Film war mir einfach danach, einen richtigen NEW ORDER-Song zu machen. Da erzähle ich, was bei mir 1982 so passiert ist, und da geht es um die Gießener New Wave-Diskothek Ausweg.
Wenn du schon beim ersten Song bist, dann lass uns doch mal alle Stücke der Reihe nach durchgehen.
„1982“: Mein Freund Ebi, der mit 17 oft am Türsteher im Ausweg scheiterte, ist heute Programmdirektor bei einem großen privaten Fernsehsender. Der DJ Jürgen hat sich vor ein paar Jahren aufgehängt. Durch ihm habe ich damals viel Musik kennen gelernt, etwa die WIPERS.
„Herzigel“: Das sind Verwandte der Seeigel und sehr zerbrechlich. Die werden an unserem Lieblingsstrand nach einem Sturm immer angeschwemmt. Das ist unser gutgelaunter Urlaubssong. Und die Minen gibt’s dort wirklich. Alle paar Jahre fliegt mal eine Kuh in die Luft.
„Mogli“: Das ist schon fast eine Rockoper, mit dem instrumentalen Part und beinahe sieben Minuten lang. Das hieß so lange „Herz aus Gold“, bis mich ein Herr Kircher auf einen gewissen Neil Young hinwies.
„Schluchtenflitzer“: Da verwurstel ich unsere ganzen Freunde aus Bayern, die wir ein paar Mal im Jahr besuchen. Die haben sich alle alte Mopeds zugelegt und machen damit Ausflüge. Deshalb auch meine Annonce im Booklet, dass ich eine alte Kreidler suche.
„Unendlich“: Olaf hat sich da so richtig ausgetobt und alle möglichen Spuren rückwärts laufen lassen. Und wer sich den Anfang gut anhört, kann rauskriegen, wie unsere Gitarren umgestimmt sind. Das haben wir extra gemacht, um die Saitenindustrie zu stützen.
„Flöz und Pökel“: Das ist das süße Country-Duett mit Eva von JULI. Flöz und Pökel sind Comic-Helden, die ich zusammen mit meiner Tochter ausgedacht habe. Nichtsnutzige Pilze, die auf Steckenpferden mit Holzrollen unten dran durch die Welt reiten ...
„Daumenkino“: Das ist ein Vier-Spur-Lied, das ich 1994 aus Australien mitgebracht habe. Und den 7. Himmel hab ich wirklich gekauft. Porsche kann für mein Modell jetzt europaweit nur noch sechs Dachhimmel in der Farbe Anthrazit anbieten.
„Lochfraß“: Nach „Mehlschwitze“ und „Gefrierbrand“ unsere traditionelle Verneigung vor der Fernsehwerbung.
„Im Gottmodus“: Den besitze ich tatsächlich. Dass der aber nur für ein Autogangsterspiel taugt, verrate ich nicht!
„Der 3. Ton“: Da kam da dieser angetrunkene Oi!-Typ ins Studio und hat das abgegrölt, und das war’s und wir hatten einen super Rausschmeißer. Philipp meinte dazu, dass er zu Hause rausfliegt, wenn das auf die Platte kommt.
„1982“: Für die CD-Käufer gibt es zum Schluss noch die Instrumentalversion von 1982 als Bonbon. Früher haben wir die Vinyl-Käufer belohnt, diesmal sind es die CD-Käufer, denn auf die LP hat es nicht mehr draufgepasst.
War es eigentlich schwer, die Band über all die Jahre zusammenzuhalten? Seit dem Ausstieg von Weilo 1993 und Niels’ Einstieg hat sich ja nichts geändert. Wie wichtig ist die Einheit der BOXHAMSTERS?
Ich sehe uns wie alte Ehepartner. Man hat sich arrangiert, man kennt die Schwächen des oder der anderen, versucht nicht den Finger in Wunden zu legen, sondern rollt halt mit den Augen und das war’s. Das gilt für die anderen mir gegenüber wie andersherum. Man weiß, was man zu erwarten hat, und letztlich ist die Band jedem zu wichtig, als dass vordergründig irgendwas sein könnte, das zu einer Aussage führt wie „Ich habe keine Zeit mehr für die Band“. Die Band ist für uns alle unser Hobby. Und wenn wir am Wochenende losziehen, um Konzerte zu spielen, ist das für uns so was wie der Besuch in einer Welt, an der wir eigentlich nicht mehr teilnehmen. Philipp hat das mal so schön „Faszination Schmuddel“ genannt, wenn wir mal wieder in einem abgeranzten Club zu Gast sind. Wir proben auch sehr unregelmäßig, aber jeder von uns weiß trotzdem, was er an dieser Band hat – und ich habe aber auch schon mal darauf hingewiesen, dass jeder von uns wissen sollte, was er an dieser Band hat. Denn wenn man sich mal unseren Bekanntenkreis anschaut, kann man da fast alles auf die BOXHAMSTERS zurückführen: Ohne die Musik hätten sich die ganzen Leute nicht kennen gelernt. Die BOXHAMSTERS sind also schon der Dreh- und Angelpunkt. Wie wichtig die Band für jeden Einzelnen von uns ist, das kann ich nicht sagen, aber wenn wir dann im Studio sind und die Lieder fertig haben, dann merken wir wieder, was wir da zusammen Schönes auf die Beine gestellt haben. Da kann man tief Luft holen und sagen „Ja, es hat sich doch wieder gelohnt.“
Ihr habt auch diesmal wieder mit eurem alten Freund Olaf Opal aufgenommen. Ist das euer Produzent?
Zumindest hat er einen Pulli mit durchgewetzten Ärmeln, der hat Löcher an den Ellenbogen. Wenn man ihn darauf anspricht, sagt er immer, das sei sein Produzentenpulli. Aber wenn ich mit ihm zusammen im Studio bin, dann habe ich genau im Kopf, wie ich mir das vorstelle und sage beispielsweise Ulf ganz genau, welchen Takt er spielen soll. Das gibt auch mal Streit, aber wenn er das nicht so spielt, wie ich will, werde ich wahnsinnig, denn das ist ja mein Lied. Bei „1982“ etwa hatte ich genau diesen NEW ORDER-Beat im Kopf. Na ja, und Olaf sieht solche Sachen halt genau wie ich. Wir sind also miteinander gewachsen, wir arbeiten ja schon von Anfang an zusammen. Wobei Olaf in seiner Welt heute natürlich viel größer ist als wir in unserer. Aber wenn wir aufnehmen, ist alles wie früher, er versteht uns einfach. In Sachen Tontechnik gibt es niemand, dem ich so viel Vertrauen entgegenbringe. Er weiß einfach genau, wie bei uns irgendwas klingen muss.
Olaf ist ja auch für das Duett mit Eva von JULI verantwortlich.
Ja, die gehen immer ins gleiche Studio und nehmen mit Olaf auf. Bei denen läuft das aber anders als bei uns. Wir kommen über Monate verteilt auf 14 Tage Studiozeit, aber JULI sind übers Jahr verteilt mehrere Monate im Studio. Was zur Folge hat, dass wir zwar einen sehr fairen Deal mit Olaf haben, aber auch auf die Zeiten angewiesen sind, wo Olaf frei hat. Und so müssen wir uns in unserer Planung immer nach ihm richten, was die Sache natürlich etwas verzögert hat. Was nun „Flöz und Pökel“ betrifft, so hatte ich das Stück schon selbst zweistimmig eingesungen und eher nebenbei losgelassen, dass es ja eigentlich cool wäre, da noch eine Frauenstimme dabei zu haben. Und als wir dann das nächste Mal ins Studio kamen, meinte Olaf nur „Übrigens hat Eva total schön auf dein Lied draufgesungen.“ Wir hörten uns das an, und Olaf mischte das dann so, dass sich Evas Stimme jetzt so von unten an meine Stimme ranschmiegt – das hat Spaß gemacht. Da steckt also kein kommerzielles Kalkül dahinter, das hat sich einfach so ergeben.
Porsche fahren – du –, Golf spielen – Philipp –, Champagner saufen – ihr alle –, deshalb also „Brut Imperial“ oder was?
Ich stand vor dem Sektregal im Supermarkt und las da auf deutsch „Brut Imperial“. Das fand ich gut, das war mal wieder dieses BOXHAMSTERS-Augenzwinkern, denn man kann das ja auf Französisch aussprechen und es hat was von einer arroganten Noblesse, und auf Deutsch und dann klingt das eben nach Punkrock. Ich habe das den anderen als Albumtitel vorgeschlagen und die waren sofort einverstanden. Der Arbeitstitel war übrigens „Halb privat“, was auf einen bandinternen Running Gag zurückging, der seinen Ausgangspunkt darin hatte, dass wir mal an der polnischen Grenze auf dem Weg zu einem Konzert gefragt wurden, was wir denn vorhätten, ob das eine kommerzielle Veranstaltung sei. Und Niels sagte dann, nein, das sei halb privat. „Brut Imperial“ fanden dann aber alle gut, wir hatten direkt eine Cover-Idee, und letztlich ist das ein Titel wie alle BOXHAMSTERS-Titel: Eine kleine nette Idee, über die man schmunzeln kann.
Kann man nach Erscheinen des Albums damit rechnen, dass ihr in nächster Zeit wieder ein paar mehr Konzerte spielt?
Also die eiserne Regel „Nur ein Wochenende im Monat für die Band“ ist für die nächste Zeit außer Kraft gesetzt. Wir werden also auf jeden Fall in den nächsten Monaten ein paar Konzerte mehr spielen.
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