Schweden ist seit Jahrzehnten ein Garant für Punk der Spitzenklasse. Und auch an guten Nachwuchsbands besteht kein Mangel. BORGERLIG BEGRAVNING aus Uppsala sind eine davon. Bei der Gründung Ende 2018 war noch keiner der drei – Eddie (gt, voc), Julian (bs, voc) und Frans (dr) – älter als 16 Jahre. Jetzt haben sie ihre zweite LP vorgelegt, auf der sie wieder rotzigen Punkrock im Stil von ASTA KASK spielen. Mit Eddie besprachen wir den aktuellen Zustand der Szene in Schweden und was Punk 2024 noch so faszinierend macht.
Eure neue LP heißt „Parasit“, das Cover zeigt ein Kind, aus dessen geöffnetem Mund zahllose Käfer kommen. Was steckt dahinter?
Das Bild symbolisiert den Parasiten, der in jedem von uns Menschen lebt. Er kann die Gestalt von Machokultur oder Angst annehmen. Das Kind auf dem Bild schreit seinen inneren Parasiten heraus.
Wo seht ihr den Unterschied zu eurer ersten LP?
„Parasit“ wirkt vollständiger und straffer. Sie ist schneller und ein bisschen roher. Es ist unsere erste Veröffentlichung, die sich wirklich nach uns anfühlt.
Wie ist das Feedback?
Bisher gab es nur gute Reaktionen! Die Fans haben gesagt, dass sie jeden Tag mit dem Album einschlafen und aufwachen. Es ist ein gutes Gefühl, das zu hören.
Ihr habt einen beachtlichen Vinyl-Output? Wieso nur Vinyl?
Wir haben schon sehr früh die Regel aufgestellt, dass alles, was wir veröffentlichen, auf Vinyl erscheinen soll. Weil wir wollen, dass es ehrlich ist. Und weil wir alle Vinyl-Liebhaber sind.
Ihr singt auf Schwedisch. Kannst du uns erzählen, worum es in Songs wie „Inatt“, oder „Sviken“ geht? Wo findet ihr die Ideen?
Es sind verstreute Ausbrüche dessen, worüber ich im Moment nachdenke. Ich denke im Allgemeinen viel über alle möglichen Dinge nach. In „Inatt“ geht es darum, dass die Unterschiede im Leben der Menschen und in der Gesellschaft nachts am deutlichsten sind. In „Sviken“ geht es um das Gefühl, von allen verraten zu werden. Aber vor allem von sich selbst. Dieses „Verdammt, ich kann es besser.“
Was bedeutet euer Bandname?
Es ist ein schwedisches Wortspiel. Eine „Borgerlig Begravning“ ist eine nicht-kirchliche, also bürgerliche Beerdigung. Wir haben genau diesen Namen auf einem Plakat für ein Beerdigungsinstitut gesehen. Dann fiel uns auf, dass das auch als „Beerdigung der Bourgeoisie“ verstanden werden kann, also als die Beerdigung der politischen Rechten.
Passend dazu handelt euer Song „Dum“ von Rassisten, Populisten und Christen. In Deutschland bekommt die rechtspopulistische Partei AfD immer mehr Aufwind, doch jetzt geht endlich auch die Mitte der Gesellschaft dagegen auf die Straße – nicht mehr nur die Antifa. Wie ist das in Schweden, Stichwort: Sverigedemokraterna?
Die Schwedendemokraten und die Wut, die sie in mir erzeugen, sind der Schlüssel dazu, wie ich als Mensch und Musiker geworden bin. Ich empfinde immer noch Wut und Bedauern, dass ich die SD in meiner Jugend immer größer werden sah. Jetzt sitze ich meistens auf der Couch, sehe mir die Nachrichten an und muss fast lachen. Wie zum Teufel konnten wir es nur so weit kommen lassen?
Ihr spielt eher den klassischen alten Schweden-Punk im ASTA KASK-Stil. Was ist so faszinierend daran?
ASTA KASK waren schneller und wütender als andere schwedische Punkbands, und es fühlte sich an, als käme es von Herzen.
Eure Videos wie etwa „Länge leve punken, vi ska aldrig dö“ – „Es lebe der Punk, wir werden nie sterben“ – zeigen eine junge Punk-Szene in Schweden ...
Das ist eine wunderbare Sache. Die Szene wächst langsam, aber sicher, und es ist ein Privileg, daran teilzuhaben.
Was war der Anlass, die Band zu gründen?
Für mich war es eine Mischung aus Identität, Politik und Emotionen, für die ich irgendeine Form von Ausdruck finden musste. Dann wurde es zufällig Punk. Und wenn man einmal dort angekommen ist, bleibt man für immer hängen.
Wann kam Punkrock in euer Leben? Wie hat euer Umfeld, eure Familie reagiert? Als es bei mir mit 13, 14 Jahren mit Punkrock losging, gab es eher Stress ...
Ich war 14 oder 15, als es bei mir damit losging. Und nach einem Sommer kam ich mit einer Lederjacke und Nieten in die Schule zurück. Das war ein gutes Gefühl. Die Reaktionen waren gemischt. Aber dann war es mir egal. Ich hatte den Mut und habe es einfach gemacht.
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