BOOM BOOM KID

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The artist formerly known as Nekro...

Wer sich ein bisschen mit Punkrock aus den südlichen Gefilden Amerikas beschäftigt, wird früher oder später unweigerlich auf die großartigen FUN PEOPLE aus Argentinien stoßen. Ich kenne keine andere Band, die es auf ähnlich unvergleichliche Art schafft, „westliche“ Punk- und Hardcore-Klänge mit Latino-Einflüssen zu kombinieren.
Seit Anfang der 90er ziehen FUN PEOPLE bereits ihr Ding durch, seit 1995 mit ihrem eigenen Label Ugly Records im Rücken, wo nicht nur ihr eigenen acht regulären Releases, sondern auch Alben von Bands wie LOS CRUDOS oder G3 erschienen sind.

Einen wesentlichen Beitrag zur Einzigartigkeit dieser Band steuert der Gesang und das Charisma ihres Sängers Nekro bei. Und genau dieser begibt sich auch ganz gerne mal unter dem Namen Boom Boom Kid auf Solo-Pfade. Warum, wieso und überhaupt hat mir der gute Mann persönlich via Email verraten. Also brav lesen, neugierig werden und supporten!

Nekro oder Boom Boom Kid?


Es soll durchaus Leute geben, die nennen mich Nekro. Ich ändere meinen Spitznamen aber doch recht oft und gerne, um mich selbst als jemanden Neuen wieder zu erfinden. Momentan heiße ich eben Boom Boom Kid, und mit genau diesem Namen veröffentliche ich meine Solo-Sachen und gehe auf Tour. BOOM BOOM KID ist mein Solo-Projekt, das ich in einer Szene ins Leben gerufen habe, die oberflächlich betrachtet ja doch eher eine Bandszene ist.

Warum machst du eigentlich Musik?


Das Leben ist nicht unbedingt einfach – das ist es für niemanden! Ich sehe in der Musik eine gute Methode, dieses Leben zu bewältigen, Depressionen und Ängste zu bekämpfen. Auf Tour zu sein kommt dem Gefühl nahe, mit der Person, die du am meisten liebst, alleine im Schlafzimmer zu sein, und genau deswegen mache ich das, was ich mache!

Wo liegt genau der Unterschied zwischen FUN PEOPLE und BOOM BOOM KID? Immerhin ist das Line-Up ja dasselbe.

Ich habe nur ein paar Songs aufgenommen, und diese unter dem Namen BOOM BOOM KID veröffentlicht. Das ist dann eigentlich schon alles... Vor einigen Jahren kam der Punkt, wo FUN PEOPLE mehr waren als nur mein alleiniges Ding, das hat sich eben so entwickelt. Die Tatsache, dass FUN PEOPLE zu einer ‚richtigen’ Band wurden, lenkte mich in die Richtung, in der ich als Boom Boom Kid beziehungsweise mit BOOM BOOM KID jetzt stehe. Ein Solo-Projekt im Stil von Frank Sinatra mit dem Dorsey Orchestra oder Otis Redding mit dem Stax Orchestra. Und genau das mache ich jetzt, ich spiele mit denselben Leuten wie bei FUN PEOPLE inklusive einem zusätzlichen Gitarristen, und diese erfüllen mir meinen Traum, ein Sänger mit Orchester zur Verstärkung zu sein.

Gibt es auch Unterschiede in der Musik, in den Songs?

Hmm, weiß ich echt nicht... Musik ist Musik, Songs sind Songs. Ich singe und offenbare mein Innerstes auf die gleiche Weise, wie ich das immer schon getan habe, egal ob FUN PEOPLE oder BOOM BOOM KID. Der einzige wirkliche Unterschied ist der, dass ich die Europa-Tour im Herbst mit anderen Musikern absolvieren werde. Eigentlich hätte ich ja nur eine Tour für ZINC aus Barcelona organisieren sollen, aber der Kontakt festigte sich und sie boten mir an, mit ihnen mit zu kommen, um gemeinsam FUN PEOPLE beziehungsweise BOOM BOOM KID-Songs zu spielen. Oder anders ausgedrückt, ZINC werden für diese Tour das Orchester an meiner Seite sein.

Siehst du BOOM BOOM KID als Nebenprojekt oder schon als gleichwertig neben FUN PEOPLE?

Einer meiner Beweggründe, als Boom Boom Kid Musik zu machen, war es, die Chance zu ergreifen, mit einem Solo-Projekt in eine Szene einzusteigen, wo ich als Sänger einer doch relativ bekannten Band aktiv bin. Wir sprechen hier von einer Szene, die eigentlich nur aus Bands besteht. Ich möchte versuchen, das gute alte ‚Sänger & Band’-Genre auch in der Punkszene wieder aufleben zu lassen. Ich bin von vielen Musikern beeinflusst worden, und habe viele Karrieren mitverfolgt. Viele meiner Lieblingsbands haben sich aufgelöst, und deren Sänger, Leadgitarrist oder wer auch immer startete eine Solokarriere. Und genau das ist es, was ich mache! Ich versuche jetzt aber keinesfalls, mein Solo-Ding auf Kosten von FUN PEOPLE durchzuziehen und verstärkt zu pushen! Ich habe keine Ahnung, wie lange ich das mit BOOM BOOM KID machen werde, außerdem ist meine ‚Haupt-Band’ nach wie vor FUN PEOPLE. Wir haben Spaß miteinander, machen Songs und gehen auf Tour, und so soll das auch weiterhin bleiben.

Hast du nach all den Jahren jemals dran gedacht, das mit dem Punkrock bleiben zu lassen, und dir einen „richtigen“ Job zu suchen?

What would be of a man, who won’t do what he knows how to do best, the only thing he knows how to do?

Gibt’s irgendeinen Platz auf dieser Welt, wo du am liebsten spielst?

Am liebsten spiele ich immer noch in Argentinien! Und mein größter Traum ist es, einmal in Afrika zu touren, oder auch eine große Tour durch Asien oder Südamerika zu machen. Das sind Plätze, wo’s nach wie vor viel zu tun gibt, und die Underground-Szene – nicht nur die Punkrockszene – immer noch wild, spaßig und wenig entdeckt ist.

Tiberiju aus Wien, der sich hierzulande ziemlich den Arsch für FUN PEOPLE und BBK aufreißt, scheint ja ein guter Freund von dir zu sein. Wie kam denn eigentlich der Kontakt zustande?

Er bemüht sich ähnlich wie ich um die unterschiedlichsten Szenen dieser Welt, eben nicht nur die in Europa und den USA. Ich möchte hier jetzt nicht wie ein Alter Hase klingen, aber wir gehören zu einer Generation, die ein weltweites Netzwerk an Freunden aufgebaut hat. Leute, die sich für dieselben Dinge interessieren und deshalb miteinander in Kontakt treten. Wie der Kontakt zu Tibi jetzt genau entstand, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Ich bekam seine Email-Adresse, er meine und das war’s dann auch schon.

Tibi veröffentlichte auf seinem – mittlerweile nicht mehr aktiven – Label Sacro K-Baalismo eine FUN PEOPLE-Platte und jetzt unter dem Labelnamen Ugly Europe eine BBK-Picture-LP. Hast du jemals daran gedacht mit deinem Label Ugly Records Tibis Releases auch in Argentinien zu veröffentlichen?

Nein, eigentlich habe ich bis zu genau diesem Moment nicht daran gedacht... Das ist aber eigentlich gar keine blöde Idee! Die wirklich katastrophale Lage der argentinischen Wirtschaft lässt mir nur derzeit nicht viel Spielraum.

Okay, erzähl doch überhaupt mal ein bisschen was über Ugly Records.


Na ja, da gibt’s eigentlich nicht viel dazu zu sagen. Ich höre mir eben gerne Bands aus meiner Umgebung an, lasse mir von Freunden über Bands berichten, checke sie an, und wenn sie mir wirklich gefallen, veröffentliche ich etwas von ihnen. Wir verschicken unsere Releases dann an verschiedenste Locations, Magazine, Fanzines und sind bemüht, unsere Bands bekannt zu machen. Wir haben aber kein Büro oder so was, und ich hatte nie vor hier eine richtige Firma aufzustellen, mit mir als Chef und Angestellten um mich herum. Ugly war für mich immer ein Hobby und so soll’s auch zukünftig bleiben.

Wie schaut es denn szenemäßig aus in Argentinien, und wie lebt’s sich dort als Punk so?

Es gibt durchaus sehr viele aktive Bands hier, und die Szene scheint wieder aktiver zu sein, als noch vor einigen Jahren. Die Arbeitslosigkeit steigt, und als Gegenpol dazu kriegen viele Jungs und Mädels wieder mit, dass es Gitarren gibt, Garagen zum Proben und viele kleine Locations, die es unsicher zu machen gilt. Musik war hier immer ein wichtiges Werkzeug, um die Missstände aufzuzeigen. Ja, hier läuft viel Scheiße, und deshalb haben wir Punks viel zu sagen. Das hält uns wach, wir kreieren neue Ideen und suchen nach Alternativen. Wenn mich jemand also auf die Missstände in diesem Land anspricht, muss ich lachen und erzähle ihm von den Ideen in meinem Kopf. Und genauso verarbeiten auch viele andere ihr alltägliches Leben. Allerdings habe ich mich nie so richtig als Punk gesehen, ich weiß gar nicht, was ich überhaupt bin, ich hatte immer schon Persönlichkeitskrisen...

FUN PEOPLE sind ja ziemlich bekannt in Argentinien. Rockstar-Allüren deswegen?

Stimmt, wir sind sozusagen die ‚größte’ Band in der Undergroundszene. Das hat jetzt aber überhaupt nichts mit medialer Präsenz oder so zu tun, unsere Popularität ist eher etwas, das irgendwie schon immer da war. Ich habe mich nie so sehr darum gekümmert. Was jetzt das mit den Rockstars betrifft, ich dachte immer die sind schon alle tot... Ziggy Stardust, Marc Bolan, Keith Moon, das waren die einzig wahren Rockstars. Heutzutage gibt es so etwas nicht mehr, man könnte sagen, das Wort ‚Rockstar’ ist tot! Du kannst Geld haben, berühmt sein, aber Rockstar kannst du keiner mehr werden!

Dein Statement zu Sachen wie DIY, Underground aber auch Mainstream und Majors?

Ich habe es immer bevorzugt, mit Freunden zu arbeiten, mit ihnen gemeinsam Shows zu spielen und Platten zu veröffentlichen. Mir gefällt es zu wissen, dass ich auf Tour gehen kann, Platten veröffentlichen, meine Miete zahlen, reisen, ohne dafür irgendeinen Vertrag unterschreiben zu müssen. Viele Leute behaupten, dass Bands, die sich auf Majordeals einlassen, ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Na ja, manchmal stimmt das auch, manchmal aber auch nicht, man sollte das niemals verallgemeinern. Viele Bands wollen auch gar nicht mit DIY-Labels arbeiten, sie wissen nicht, wie sie das ohne ein großes Label managen können, und so müssen sie halt anderen vertrauen. Dreckige Geschäfte und falsche Geschichten laufen aber bei kleinen Labels genauso wie bei den großen. Nur weil dein Label klein und DIY ist, garantiert das nicht, dass du ‚sauber’ arbeitest. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass auch die ‚Kleinen’ viel Dreck am Stecken haben können. Du lebst in Argentinien, bekommst eine Email von irgendjemanden irgendwo in Europa, der dich rausbringen will und dir viel verspricht. Und dann kommst du in das Heimatland dieses Labels und musst realisieren, dass eigentlich alles nur eine große Lüge war, und fühlst dich hinterher wie Scheiße. Wie auch immer, ich gebe meinen Optimismus niemals auf, und werde solange mit DIY-Labels arbeiten, so lange ich noch die Möglichkeit dazu habe.