„Truck drivin, Gun totin, Meth snortin, Blue collar true American hero“ hat Bob Wayne mal auf eines seiner Shirts geschrieben, und damit das Maul so weit aufgerissen, dass die „echten“ Country-Stars, die in den USA so „echt“ sind wie bei uns die Volksmusik-Fuzzis, die dem Horrorkabinett von Carmen Nebel, Florian Silbereisen und Co. entsprungen sind, auf ihn garantiert nicht gut zu sprechen sind. Country ist ein hunderte Millionen Dollar umsetzendes Geschäft, darüber macht man keine Scherze ... Zudem kommt Wayne nicht mal aus dem Süden, sondern aus Seattle, er ist also alles andere als „true“ ... und genau deshalb erträglich, ja deshalb machen seine Platten Spaß. Zuletzt erschien „Back To The Camper“ (People Like You) und ich versuchte zu ergründen, was Bob so treibt in seinem Camper.
Bob, deinen Steckbrief bitte, Alter, Beruf, erstes Country- und erstes Punkrock-Album?
Mein Name ist Bob Wayne, 37 Jahre alt und Musiker. Meine erste Country-Platte war „Rides Again“ von David Allan Coe, die erste Punk-Scheibe war von den RAMONES.
Was verbindet Country und Punk? Traditionelle Country-Fans sind Rednecks und machen den Punks das Leben schwer ...
Tja, gute Frage. Das Problem ist, dass Country meiner Meinung nach nicht das ist, was der amerikanische Mainstream als „Country“ bezeichnet. Das ist für mich Abfall. Es berührt mich nicht, im Grunde wird mir übel, wenn ich das höre, gelegentlich macht es mich sogar wütend. Country, das ist für mich Johnny Cash und Waylon Jennings und Johnny Paycheck und die drei Hanks ... Alles was authentisch klingt, was mich bewegt, mir zu Herzen geht. Dann will ich dem, was man heute unter „Country“ versteht, nichts zu tun haben, wenn ich bedenke, dass die Radiosender Mainstream-tauglichen Pop-Country-Schrott lieber spielen als Johnny Cash. Was Punk und Country verbindet? Johnny Cash, wie er uns seinen Stinkefinger zeigt, das berühmte Foto. Das entstand bei dem Konzert im Knast und der Mittelfinger galt den Aufsehern. Wenn du mich fragst, mehr Punk geht fast nicht.
Können „richtige“ Country-Musiker akzeptieren, was du tust? Oder ist das so wie mit den „echten“ Punks, die sich über „Fake-Punks“ aufregen?
Das kommt wieder darauf an, wie du „richtigen“ Country definierst. Wenn du diesen Mainstream/Pop-Country meinst, dann habe ich keinen blassen Schimmer, was die von mir halten. Ist mir auch egal. Ich verurteile die nicht, aber mich verbindet damit rein gar nichts und ich lege auch keinen Wert darauf. Aber wenn du nach den wirklich wahren Country-Musikern fragst – ich rede von Hank Williams III, von David Allan Coe oder der Lkw fahrenden Country-Legende Red Simpson –, da schätze ich schon, dass die mich sehr akzeptieren. Ich bin viel mit Hank getourt und über die Jahre sind wir Freunde geworden. Wir haben auch einige Songs zusammen aufgenommen. Auch mit David Allan Coe war ich schon auf Tour, und ich bin mit seiner Familie auch gut befreundet. Und mit Red Simpson, der so was wie mein persönlicher Held ist, habe ich vor kurzem erst einen Song geschrieben und für mein neues Album aufgenommen.
Was steckt hinter dem Text zu deinem Song „Evangeline“?
Ich habe in Frankreich ein Mädchen kennen gelernt, Evangeline, wir haben uns wirklich gut verstanden. Als wir zusammen in Straßburg waren, hat sie mir gezeigt, wo im Mittelalter Hexen hingerichtet wurden, nämlich indem man sie in Käfige sperrte und dann unter der berüchtigten Rabenbrücke im Fluss ertränkte. Auf einmal spürte ich eine sehr merkwürdige Energie an diesem Ort und empfand tiefe Trauer über das, was man den armen als Hexen hingerichteten Frauen angetan hatte. Evangeline ist genau wie ich ziemlich fasziniert von solchen Orten und Geschichten. Also habe ich einen Song darüber geschrieben. Das Besondere ist, dass nie ganz klar wird, ob Evangeline eine Hexe ist, die in einer Vollmondnacht ein junges Mädchen getötet hat. Oder ob womöglich ihr eigener Ehemann, aus dessen Perspektive die ganze Story erzählt wird, ein Psychopath mit gespaltener Persönlichkeit ist, der selbst nicht weiß, dass er ein Mörder ist. In diesem Fall ist es natürlich erst recht traurig, dass die ganze Stadt ihm geglaubt hat und Evangeline trotz ihrer Unschuld auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.
„Dope train“ klingt so, als hättest du einige Erfahrungen mit bestimmten „Substanzen“ gemacht. Jetzt lebst du straight edge, richtig?
Stimmt. Das Ende meiner Drogenkarriere war eine schlimme Zeit. Ich hatte mit gerade einmal 17 angefangen, Heroin zu spritzen, später kamen Crystal Meth und Kokain dazu. Der Dreck hat mich auf die schiefe Bahn gebracht. Ich konnte mich nicht richtig um meine Band kümmern und habe andauernd die Gitarren verpfändet oder Equipment verkauft. Gute Freunde von mir und auch Bandmitglieder sind an einer Überdosis gestorben. Einer starb in meinen Armen, nachdem ich versucht hatte, ihn wiederzubeleben. Nicht dass wir uns falsch verstehen, so übel war es nicht immer, wir hatten auch viele großartige Momente und ich kenne eine Menge Leute, die viel Spaß haben mit Drogen und ihr Leben trotzdem geregelt kriegen. Aber ich stand irgendwann vor der Wahl: entweder die Drogen oder die Musik. Ich habe mich für Musik entschieden und darüber bin ich heilfroh. Sonst hätte ich jetzt nicht diesen Song mit Red Simpson machen können. Der hat genau dieses Oldschool-Country-Feeling, ich liebe dieses Lied.
Der Titel des Albums lautet „Back To The Camper“, das klingt fast programmatisch. Ich vermute, es hat damit zu tun, wie es auf Tour zugeht.
Meine letzten beiden Platten sind in Amerika über Century Media erschienen. Der Titel steht symbolisch dafür, wieder selbst die Rechte an meiner Musik zu haben, meine Platten eigenständig aufzunehmen und zu veröffentlichen. Die CDs brenne ich wieder in D.I.Y.-Manier selbst und verkaufe sie aus meinem Camper heraus, überall in den USA ... Und eigentlich mache das auch jetzt gerade, während wir dieses Interview führen.
Eddie Spaghetti von den SUPERSUCKERS hat mir vor kurzem erst erzählt, dass er vorhat, seine ganze Familie in einen Camper-Van zu packen und dann mit ihnen auf eine mehrmonatige Solotour zu gehen. Hast du irgendwelche Überlebenstipps für ihn?
Ich bin sicher, Eddie braucht keine Tipps, haha! Der macht das alles viel länger als ich. Aber sollte er mich fragen, würde ich ihm sagen: „Fahr richtig schnell und schieß auf die Cops!“ Warte, nein ... Er hat ja seine Familie dabei. Dann lieber doch nicht. Okay, dann würde ich sagen: Der Walmart-Parkplatz ist dein Freund! Sie sind ideale Stellplätze, den Camper über Nacht zu parken. Außerdem haben sie 24 Stunden geöffnet und saubere Sanitäranlagen, gratis! Caravan-Parks sind nämlich oft genauso teuer wie ein Hotelzimmer.
Du verkaufst ein Shirts mit dem Aufdruck „Truck drivin, Gun totin, Meth snortin, Blue collar true American hero“. Eine klare Ansage ...
Es ist immer noch das Shirt von mir, das sich am besten verkauft. Die Textzeile stammt aus einem Song vor mir, „Mack“, das ist der Refrain. Ich habe mal die US-Band ZEKE auf Tour begleitet. Ich war Fahrer und Roadie und half beim T-Shirt-Verkauf. Unterwegs freundete ich mich mit dem Sänger an, Mark, und einmal, während wir nachts so den Highway entlang fuhren, entwickelten wir ein großartiges Konzept für einen Trucker-Film. Auf dem DVD-Cover sollte ein krasser Sattelschlepper mit einem Typen darauf abgebildet sein. Der Typ sollte ein Gewehr in der Hand halten und daneben sollte stehen: „Mack ... He’s a Truck Driving... gun toting... Meth snorting... Blue Collar... True American hero.“ Wenn du so ein Cover auf einer DVD sehen würdest, würdest du dir dann nicht auch den Film ansehen wollen? Ich jedenfalls würde ihn mir anschauen! Aber so einen Film zu machen, würde Millionen Dollar kosten, die weder Mark noch ich haben. Stattdessen habe ich dann den Song geschrieben.
Welche Bedeutung hat deine neue Heimatstadt Nashville für dich, ganz allgemein und als Zentrum der Country-Musik?
Auf der einen Seite gibt es da die Musikindustrie mit ihren beschissenen Unternehmen, die beschissene Musik für den Massengeschmack produzieren, aber dann gibt es auf der anderen Seite auch den Underground. Typen wie LEGENDARY SHACK SHACKERS oder mich, mit unseren selbst gebauten Aufnahmestudios bei uns zu Hause, wo wir unseren Kram machen, wann immer und wie immer wir es wollen. Was mir an Nashville gefällt, sind die Musiker: Die Musiker in dieser Stadt sind unglaublich. Leute wie Dave Roe, Andy Gibson, Donny Herron und Billy Contreras sind die besten Musiker der Welt, wenn du mich fragst. Sie alle haben mit Legenden gespielt: Johnny Cash, George Jones, Bob Dylan etc. Ich bin mit Dave Roe und den anderen gut befreundet, deshalb sind sie alle auf meinen Platten zu hören. Das ist immer ein großes Vergnügen. Während der Aufnahmen zu „Back To The Camper“ kam Donny vorbei, um Fiddle und Banjo aufzunehmen, blieb aber schließlich drei Tage im Studio, um uns zu zeigen, wie man einen richtigen Thanksgiving-Truthahn nach seinem Familienrezept zubereitet. Es geht um Freundschaft und Familie, für mich ist das immer noch die Magie. Es kommt also darauf an, mit wem du herumhängst. Wenn du in Nashville bist, ruf mich an, und ich hole dich ab mit meiner 1987er Cadillac-Limousine mit zwei großen Bullenhörnern auf der Kühlerhaube und zeige dir alles, was gut ist in der Stadt.
Nenn uns zum Schluss doch noch drei Country-Alben, die man kennen muss, um deine Faszination für diese Musik verstehen zu können.
Das sind Waylon Jennings „Lonesome, Onry And Mean“ und David Allan Coe „Rides Again“, denn dieses Album hat mein Leben verändert, wirklich! Und dann Townes van Zandt, völlig unmöglich, hier nur eine Platte zu nennen, jede einzelne hat so unglaublich gute Songs. Du musst es dir einfach anhören und dich durch seine Sachen wühlen: „Waiting around to die“, „Our mother the mountain“, „Rake“, „Lungs“, das sind einige meiner Lieblingssongs von ihm. Es ist alles etwas langsamer, aber es sind wirklich großartige Geschichten und ein super Songwriting – eine große Inspiration für mich.
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